Ausmaße des Klimawandels verstehen: Sven Plöger erklärt sie anhand von einem Stück Papier

Ausmaße des Klimawandels verstehen: Sven Plöger erklärt sie anhand von einem Stück Papier
Screenshot: ARD-Mediathek (zugeschnitten)

Der bekannte ARD-Meteorologe Sven Plöger greift zu einem ungewöhnlichen Hilfsmittel, um die schwer greifbaren Dimensionen der Klimakrise zu veranschaulichen – und erklärt, wieso er trotz bedenklicher Folgen der globalen Erwärmung optimistisch bleibt.

Mit einem simplen Papier-Faltexperiment hat der ARD-Wetterexperte Sven Plöger die schwer vorstellbaren Ausmaße des Klimawandels verdeutlicht. Er war zu Gast in der NDR-Sendung „DAS! Rote Sofa“, die am Montagabend lief.

In der Sendung kam das Gespräch auf aktuelle Waldbrände in Spanien, Frankreich und Griechenland. In Spanien etwa wüteten laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) seit dem Sommer 113 Waldbrände – plus fünf schwere Unwetter mit Überschwemmungen und Sturzfluten.

Auch Ende 2024 gab es Flutkatastrophen in Spanien, etwa im Oktober in Valencia. In der spanischen Gemeinde Turís sind Plöger zufolge in 24 Stunden 771 Liter Regenwasser auf den Quadratmeter gefallen. Spanische Medien bestätigen den Wert. „Das ist Hamburg in einem Jahr“, betont der Experte. Das Unwetter sei „praktisch eine Neuauflage der Ahrflut gewesen“.

Allerdings mit noch drastischeren Ausmaßen: Während der Flutkatastrophe im Ahrtal in Deutschland 2021 fielen stellenweisen innerhalb eines Tages „nur“ bis zu 150 Liter Regen pro Quadratmeter.

Klimakatastrophe: Papierbeispiel erklärt raschen Anstieg der Ausmaße

Plöger deutet in der NDR-Sendung einen Zusammenhang mit der Erderhitzung an und verweist auf die „Clausius-Clapeyron-Gleichung„, ein physikalisches Gesetz. Dieses besagt unter anderem: Je 1 Grad Temperaturanstieg kann die Atmosphäre 7 Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Das hat direkte Folgen für Niederschläge: Weil die Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann, nehmen sowohl Extremniederschläge als auch Dürren zu.

Wissenschaftlich ausgedrückt: Der Sättigungsdampfdruck steigt exponentiell – was bedeutet, dass sich die 7 Prozent pro Grad nicht addieren, sondern multiplizieren (Faktor 1,07). Die Flüssigkeitsmenge in der Luft steigt also nicht gleichmäßig mit der Erderwärmung an, sondern immer stärker, je höher der Temperaturanstieg. Das gilt also auch für das Risiko von Starkregen.

Solche Dimensionen sind für viele nur schwer vorstellbar. Sven Plöger nimmt ein einfaches Beispiel zur Hand, um sie zu erklären. „Wenn du ein 0,1 Millimeter dickes Blatt 42-mal faltest, wo kommst du raus?“ Die Antwort überraschte die Interviewerin sichtlich. „439.000 Kilometer wird das dick. Du landest hinter dem Mond“, erklärte der Meteorologe.

Die Rechnung ist auch hier exponentiell: 0,0000001 Kilometer mal 2 hoch 42 = 439.000 Kilometer. Bei 103-maligem Falten würde das Papier sogar 95 Milliarden Lichtjahre dick werden, legt Plöger nach.

Er erklärt: Wir Menschen neigen zu linearem Denken, doch das erschwere das Verständnis für Klimaauswirkungen. Dem Meteorologen zufolge könnten wir einfach nicht verarbeiten, „in welche Richtung sich diese Entwicklung wie schnell vollzieht.“

Sven Plöger: Städte brauchen mehr Grün und Blau

Im Rahmen des Interviews spricht Plöger viele weitere Themen rund um den Klimawandel an. Aus seiner jüngsten Arktis-Reise berichtete er etwa von alarmierenden Zahlen: „Wir verlieren derzeit 29 Millionen Tonnen Eis pro Stunde.“ Das Eisschmelzen sei drei- bis viermal schneller als in den 1980er-Jahren.

An die massiven Klimaveränderungen müssen sich Städte und Gemeinden weltweit anpassen. Doch noch gelingt das längst nicht überall. Plöger erklärt, wie etwa Hamburg (noch) daran scheitert: Die Stadt will eigentlich versiegelte Flächen reduzieren und mehr Grün schaffen, damit Wasser versickern kann. Doch tatsächlich nimmt die Versiegelung in vielen Stadtteilen zu, wie eine Correctiv-Recherche zeigte. Plöger stimmt zu, dass man mehr „Grün und Blau“, also mehr Pflanzen und Wasser, in Städten bräuchte. Dies führe durch Verdunstungskälte zur Abkühlung der Städte. Deutschland müsse den Mut haben, Dinge zu verändern, statt endlos zu diskutieren.

Für das kommende Jahr plant der Meteorologe eine weitere Dokumentation über Klimaveränderungen im Mittelmeerraum. Dort wolle er zeigen, welche Dramatik durch steigende Meerestemperaturen entstehe und was dies für Menschen vor Ort und den Tourismus bedeute.

ARD-Meteorologe macht Mut: „Können mehr erreichen, als wir denken“

Trotz dramatischer Entwicklungen gibt sich Plöger optimistisch: „Wird irgendetwas dadurch besser, wenn ich sage, ich muss eine pessimistische, hoffnungslose Haltung einnehmen?“ Eine hoffnungslose Haltung führe nur zu sich selbst erfüllenden Prognosen. „Wenn wir uns zusammentun, dann können wir viel mehr erreichen, als wir denken.“

Als Hauptproblem beim Klimaschutz identifizierte Plöger nicht mangelndes Wissen: „Wir haben kein Wissensproblem, wir haben ein Handlungsproblem.“ Außerdem kritisiert er, dass Klimathemen schnell von anderen verdrängt würden. „Dann haben wir eine große Demenz, was Unwetter angeht, haben das alles wieder vergessen und stehen wieder bei Punkt Null.“ Er appelliert unter anderem, nicht nur über die Dinge nachzudenken, die gerade Schlagzeilen machen.

Die gesamte Sendung ist hier in der ARD-Mediathek gratis verfügbar.

Verwendete Quellen: ARD-Mediathek, dpa, Bundesregierung (Angaben zur Regenmenge im Ahrtal), Levante (Angaben zu Regenmenge in Turis), Correctiv

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