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Bahn testet völlig neues Konzept für Schienenersatzverkehr – Experte bewertet

Bahn testet völlig neues Konzept für Schienenersatzverkehr – Experte bewertet
Foto: Arne Dedert/dpa

Seit zehn Tagen ist die Riedbahn wegen umfassender Sanierungsarbeiten gesperrt. Der Ersatzverkehr mit Bussen funktioniere gut, sagt die Bahn. Ein Experte bewertet die Bemühungen.

Seit wenigen Tagen kommt es wegen grundlegender Sanierungsarbeiten auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim zu erheblichen Einschränkungen für Fahrgäste – der Ersatzverkehr ist aus Sicht der Bahn aber stabil angelaufen. Die Umleitungs- und Ersatzkonzepte funktionierten gut, teilte der Konzern vor der Bekanntgabe der Geschäftsbilanz zum ersten Halbjahr mit. „Täglich sind bis zu 16.000 Reisende im Ersatzverkehr unterwegs.“

Der Einsatz von rund 150 neuen Ersatzbussen laufe reibungslos, der Nah- und Fernverkehr über die Umleitungsstrecken stabil, hieß es weiter. Die Bauarbeiten lägen im Plan, allerdings haben diese auch erst vor zehn Tagen begonnen. In den ersten Tagen seien Lärmschutzwände gesetzt sowie Oberleitungen abgebaut und die ersten Gleise erneuert worden. Bis zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember soll die Modernisierung abgeschlossen sein. Bis dahin ist der Abschnitt gesperrt.

Bahn testet neues Konzept für Schienenersatzverkehr

Die Bahn sei für den Schienenersatzverkehr (SEV) zwischen Frankfurt und Mannheim konzeptionell völlig neue Wege gegangen, betonte Selim Yilmaz – ein Projektleiter der DB Regio – vor wenigen Tagen gegenüber Deutschlandfunk. Man habe 400 Fahrer:innen aus insgesamt 15 europäischen Ländern rekrutiert und diese teils bei der Wohnungssuche in Deutschland unterstützt. Außerdem wurden Kundenwünsche berücksichtigt, beispielsweise indem man Ersatzhaltestellen in die Ortsmitte legte. Auch Yilmaz betont, dass er mit dem positiven Auftakt des Schienenersatzverkehrs zufrieden ist.

Und wie sehen es die Fahrgäste? Utopia hat den Fahrgastverband Pro Bahn um eine Einschätzung gebeten. Ehrenvorsitzender Karl-Peter Naumann erklärt, dass keine größeren Probleme bekannt seien – doch für Fahrgäste blieben viele Unbequemlichkeiten und Unannehmlichkeiten. In einer Reportage berichtet die Tagesschau von ausgefallenen Bussen und Problemen mit Fahrtinformationen. Überwiegend komme man aber pünktlich ans Ziel.

Experte: „Viel mehr lässt sich kaum machen“

Naumann lobt die Bemühungen der Bahn. „Viel mehr lässt sich kaum machen“, erklärt der Experte, „Das Konzept so ist völlig neu“. Er weist aber auch darauf hin, dass die Riedbahn über eine Besonderheit verfügt: Fernzüge können über die parallel verlaufenden Strecken Mainz-Worms-Mannheim/Ludwigshafen und Frankfurt-Darmstadt-Heidelberg umgeleitet werden. Das erleichtert es, Zugfahrten zu ersetzen. Bei den anderen Sanierungsmaßnahmen, die die Bahn plant, „gibt es solche Parallelstrecken nicht oder nur in deutlich geringerem Maß“, so Naumann.

Der Schienenersatzverkehr in Deutschland hat keinen guten Ruf und wird oft kurzfristig eingesetzt. Der Pro-Bahn-Experte sieht neben mangelnden Ausweichstrecken weitere Herausforderungen:  Es bräuchte ausreichend Fahrer:innen für Busse und Abstimmung mit den Straßenbaubehörden, um Bauarbeiten auf SEV-Strecken zu vermeiden. Außerdem spricht er sich für einen „guten Mix“ aus Schnellbussen und solchen Bussen aus, die alle Stationen bedienen – sowie ausreichende Fahrgastinfos.

Naumann ist aber zuversichtlich, dass das neue Schienenersatzverkehrs-Modell als Vorbild für andere SEVs dienen und auch in Zukunft angewendet wird.

Bahn: Probleme mit Pünktlichkeit und Finanzen

Mit der Sanierung der Riedbahn und weiterer 40 Korridore in den kommenden Jahren will die Bahn die überalterte Infrastruktur nach und nach wieder fit machen. Der Konzern steckt in schwierigem Fahrwasser. Aktuelle Geschäftszahlen stellt Bahnchef Richard Lutz heute vor. Vor allem mit der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des eigenen Unternehmens kann er alles andere als zufrieden sein. 

Lediglich knapp 63 Prozent der Fernzüge waren in den ersten sechs Monaten dieses Jahres ohne größere Verzögerung unterwegs. Das Jahresziel für 2024 hat die Bahn bereits kassiert. Auch finanziell ist die Lage schwierig. Zum einen belief sich der Schuldenberg bis Ende vergangenen Jahres auf rund 34 Milliarden Euro. Aufgrund der ungesicherten Finanzierung seitens des Bundes ist die Bahn 2023 bei Infrastrukturprojekten zudem in Vorleistung gegangen. Operativ machte sie vor Zinsen und Steuern (EBIT) deshalb einen Verlust in Höhe von fast einer Milliarde Euro.

Weitere Quellen: Deutschlandfunk, Anfrage bei Pro Bahn, Tagesschau

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