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Cannabis und seine Psychosen-Gefahr: „Man ist nicht mehr derselbe“

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Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Elsa Olofsson

In Deutschland steht die Legalisierung von Cannabis in den Startlöchern. Andere Länder haben längst Gesetze gelockert – so auch Portugal. Ein portugiesischer Psychiater untersucht die Folgen von Cannabiskonsum und warnt vor Gefahren für die Psyche.

Die Legalisierung von Cannabis wird in Deutschland seit Monaten diskutiert. Im Oktober stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits ein Eckpunktepapier zur kontrollierten Abgabe von Cannabis vor. Andere Länder in Europa sind da schon weiter: In Portugal darf man die Droge seit 22 Jahren besitzen, nur der Anbau und Verkauf sind noch strafbar. Welche Folgen der Cannabis-Konsum in Portugal hat, untersucht Psychiater Manuel Gonçalves-Pinho an der Universität Porto. Gegenüber Zeit Online erläutert der Experte die Ergebnisse seiner neusten Studie und bewertet die Pläne für Deutschland.

Psychiater warnt vor Cannabis-Folgen: „Ein psychotisches Ereignis kann wie ein Schlaganfall sein“

Cannabis ist ein beliebtes Rauschmittel. Doch Studien aus Portugal legen nahe, dass der Konsum Konsequenzen haben kann. „Es kommen immer mehr Menschen mit Psychosen und Schizophrenie in die Notaufnahmen, die über regelmäßigen Cannabis-Konsum berichten“, erklärt Psychiater Gonçalves-Pinho. Er und sein Team haben Krankenhausdaten von 2000 bis 2015 analysiert. Diese zeigen, dass die Zahl der Notaufnahmen wegen Psychosen und Schizophrenie im Zusammenhang mit Cannabis in diesem Zeitraum zugenommen hat – um das 29-Fache. Im Jahr 2000 gab es 20 solcher Fälle, im Jahr 2015 588.

Ob diese Zunahme allein an Cannabis liegt, ist nicht eindeutig geklärt, aber vieles deutet darauf hin: Der Experte betont, dass generell immer mehr Psychoseerkrankte einen Zusammenhang mit Cannabis-Konsum aufweisen – der Anteil stieg im selben Zeitraum von 0,9 auf 10 Prozent.

Gonçalves-Pinho zufolge nehmen Betroffene oft an, wenn man kein Cannabis mehr nimmt, geht auch die Psychose vorbei – doch das ist nicht immer so. „Ein psychotisches Ereignis kann wie ein Schlaganfall sein“, erklärt Gonçalves-Pinho. „Nervenzellen sterben ab, und Netzwerke im Gehirn verändern sich, man ist danach nicht mehr derselbe. Das ist kein Preis, den man für eine Entkriminalisierung zahlen sollte.“

Für junge Menschen habe die Droge trotzdem einen großen Anreiz, weil sie für den Moment entspanne, besonders in Gesellschaft. Cannabis lässt einen weder besser schlafen, noch lindert es eine Depression, stellt der Experte fest. Wer depressiv ist, werde durch Cannabis auf Dauer noch depressiver.

Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Psychiater sieht verschiedene Eckpunkte kritisch

In Deutschland ist die Legalisierung von Cannabis schon lange im Gespräch, die Regierung tut bereits erste Schritte. Psychiater Gonçalves-Pinho sieht den Vorschlag Lauterbachs kritisch, bis zu 30 Gramm Cannabis für den Eigengebrauch zu legalisieren und den Anbau von drei Hanfpflanzen zu erlauben. „Es kommt darauf an, über welche Art Cannabis wir reden“, stellt er klar. Auf der Straße gäbe es Cannabis mit einem THC-Gehalt von 20 Prozent zu kaufen. „Das ist extrem viel, das Risiko für psychische Schäden ist sehr viel höher, als wenn der THC-Gehalt nur bei wenigen Prozent liegt.“ Er verweist auf Teststationen für den THC-Gehalt, die in Portugal zum Beispiel auf Musikfestivals zum Einsatz kommen.

Auch die angedachte Altersgrenze kritisiert Gonçalves-Pinho: In Deutschland soll man Cannabisprodukte ab 18 in der Apotheke kaufen dürfen, das sieht das Eckpunktepapier vor. Doch die Gehirnentwicklung ist in der Regel erst mit 25 oder 26 Jahren abgeschlossen, so der Experte. Das ist relevant, weil Cannabiskonsum die Entwicklung des Gehirns beeinflussen kann – darauf weist auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hin. Eine entsprechende Einschränkung wäre aus juristischen Gründen jedoch schwierig, räumt der Experte ein.

Cannabis-Legalisierung vermutlich nicht vor 2024

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte vor einigen Monaten eine Cannabis-Legalisierung für kommendes Jahr in Aussicht gestellt. Allerdings hatte der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert noch im Juli gesagt, es sei eher unwahrscheinlich, dass das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung vor 2024 in Kraft trete. Die Ampel-Koalition werde Ende dieses Jahres oder Anfang kommenden Jahres einen Entwurf dafür vorlegen. Das bereits vorgelegte Eckpunktepapier für eine Legalisierung von Cannabis will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erst einmal von der EU-Kommission prüfen lassen. Wie die Tagesschau berichtet, könnte das Vorhaben gegen EU-Recht verstoßen –  Deutschland habe sich im Schengener Abkommen dazu verpflichtet, den unerlaubten Handel und Verkauf von Cannabis zu unterbinden.

Der Bundesgesundheitsminister hatte Ende Juni gesagt, dass etwa vier Millionen Erwachsene Cannabis nutzten. Es gebe einen großen Schwarzmarkt und organisierte Kriminalität in diesen Bereichen. Zudem seien Verunreinigungen zu beobachten, die teils auch beigefügt würden, um Menschen von Cannabis in andere Drogen zu überführen. „Der Cannabiskonsum in Maßen, gut abgesichert, in Qualität und ohne Beschaffungskriminalität ist etwas, was man akzeptieren muss und was zu einer modernen Gesellschaft dazugehört.“

Solltest du Hilfe benötigen, steht dir unter anderem die „Sucht & Drogen Hotline“ der Bundesregierung zur Verfügung. Alle Informationen findest du hier.

(mit Material der dpa)

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