Die Deutsche Bahn streicht ab Dezember Fernverkehrshalte in mehreren deutschen Städten. Diese sprechen von einer „Mobilitätswende rückwärts“ und befürchten „ernsthafte Nachteile“. Welche Städte zu den Betroffenen zählen.
Die Deutsche Bahn streicht mit ihrem neuen Fahrplan ab Dezember Fernverkehrshalte in mehreren Städten, wie die Welt und Business Insider berichten. Betroffen sind unter anderem der Kurort Bad Bevensen in der Lüneburger Heide, wo alle Fernverkehrshalte entfallen, sowie Verbindungen zwischen Leipzig und Nürnberg, die über Jena verlaufen. Statt fünf gibt es künftig nur noch zwei Fahrten pro Richtung. Auch die Direktverbindung von Leipzig/Lutherstadt Wittenberg nach Binz wird gestrichen.
Verschlechterte Anbindung trifft vor allem kleinere Städte
Während Großstädte wie Erfurt laut Bahn künftig häufiger im Halbstundentakt angebunden werden sollen, verlieren kleinere Kommunen ihre Fernverkehrsanbindung. Im baden-württembergischen Göppingen mit rund 60.000 Einwohner:innen soll ab Juli laut Welt kein Fernverkehrszug mehr halten, weil die neuen ICE L-Züge nicht zu den vorhandenen Bahnsteigen passen. Die Modelle haben einen besonders niedrigen, barrierefreien Einstieg. Dasselbe soll für das nahegelegene Plochingen gelten, mit circa 14.000 Einwohner:innen. Besonders drastisch trifft es Lübeck: Die Hansestadt mit über 200.000 Einwohner:innen soll bis zur geplanten Fertigstellung der Fehmarnbelt-Querung komplett vom Fernverkehr abgeschnitten werden – möglicherweise bis 2032.
Bahn begründet Kürzungen mit Wirtschaftlichkeit und Pünktlichkeit
DB-Fernverkehrsvorstand Michael Peterson betont in einer Pressemitteilung, man baue den Fahrplan „mit Blick auf Nachfrage und Kapazität auf dem Schienennetz“ aus. Einige sehr schwach nachgefragte Züge könne die DB laut Mitteilung angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit hohen Kostensteigerungen daher nicht mehr anbieten. „Dies betrifft extrem schwach ausgelastete Verbindungen, bei denen teilweise nur zehn Prozent der Sitzplätze belegt sind, etwa zwischen Leipzig und Nürnberg über Jena“, heißt es.
Im ersten Halbjahr 2025 vermeldete die Bahn 760 Millionen Euro Verlust – allerdings deutlich weniger als im Vorjahreszeitraum. Zudem soll ein einheitlicherer Fahrplan die Pünktlichkeit verbessern, mit Zügen einer ICE-Baureihe auf einer Strecke und weniger störanfällige Zugkopplungen. Dadurch entfallen jedoch weitere Direktverbindungen, etwa von Leipzig/ Lutherstadt Wittenberg nach Binz auf Rügen. Im September erreichten nur 55,3 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich (also mit weniger als 6 Minuten Verspätung) den Bahnhof.
Auch steigende Trassenpreise könnten Strecken unrentabel machen. Sie werden vom Bahn-Tochterunternehmen InfraGO festgesetzt.
Verkehrsministerium äußert sich zu neuem Fahrplan
Außerhalb von Großstädten dominiert oft das Auto – auch, weil Anbindungen an öffentliche Verkehrsmittel teils sehr schlecht sind. Mit dem neuen Fahrplan der Bahn werden kleineren Städten weitere Fernverkehrsverbindungen gestrichen. Dabei wäre dort ein Ausbau wichtig, um eine Alternative zum Auto zu schaffen und so Mobilität in Deutschland klimafreundlicher zu gestalten.
Das bestätigt auch das Bundesverkehrsministerium: Eine flächendeckende Anbindung sei „Grundlage dafür, dass mehr Personen die Bahn nutzen“, zitiert die Welt das Amt. Dass der DB-Konzern Verbindungen hinterfrage, die im Schnitt teils nur zu zehn Prozent ausgelastet sind, sei aber nachvollziehbar. Der Bund ist Eigentümer der Deutschen Bahn.
Die Welt zitiert auch den Fahrgastverband Pro Bahn. Dieser warnt, die Streichungen dürften „kein Dauerzustand“ sein.
Betroffene Kommunen protestieren gegen Bahn-Entscheidungen
Bad Bevensen erfuhr laut Welt von der Streichung aus einer Pressemitteilung der Bahn, Gespräche habe es vorher nicht gegeben. Die Stadt befürchtet „ernsthafte Nachteile“ für den Tourismus. Göppingens Oberbürgermeister Alex Maier spricht von einer „Mobilitätswende rückwärts“. Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau erklärt: „Als Stadt bleibt uns nur der Protest.“
Deutsche Bahn: Weitere Änderungen im neuen Fahrplan
Neben Streckenstreichungen sieht der neue Fahrplan auch einige Verbesserungen vor. Zum Beispiel entstehen laut Pressemitteilung 14 neue ICE-Sprinter-Fahrten – zum Beispiel zwischen Berlin und Stuttgart über Nürnberg. Die Strecke soll der Zug in nur 4:45 Stunden zurücklegen. Außerdem werden 40 neuen bzw. verlängerte Verbindungen ins europäische Ausland geschaffen.
Verwendete Quellen: Welt, Deutsche Bahn (Pressemitteilung zu neuem Fahrplan), Deutsche Bahn (Verlust im ersten Halbjahr 2025), Deutsche Bahn (Pünktlichkeit Fernverkehr)
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