Draufzahlen für Billigmode: Anti-Fast-Fashion-Gesetz auch in Deutschland?

Draufzahlen für Billigmode: Anti-Fast-Fashion-Gesetz auch in Deutschland?
© Verena Brüning / Greenpeace

Deutschland könnte Billigmode einschränken, mit einem Anti-Fast-Fashion-Gesetz – ein neues Gutachten zeigt den Weg auf. Was das konkret bedeuten würde.

Ein neues Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace bestätigt, dass ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz nach französischem Vorbild auch in Deutschland rechtlich möglich wäre. Das geht aus einer Pressemitteilung der Umweltschutzorganisation hervor.

Was hat das Rechtsgutachten untersucht?

Das Rechtsgutachten wurde von der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Günther im Auftrag von Greenpeace erstellt und hat drei Elemente eines möglichen Anti-Fast-Fashion-Gesetzes in Deutschland rechtlich geprüft. Untersucht wurden

  • die Einführung einer Fast-Fashion-Abgabe
  • ein Werbeverbot für Fast Fashion insbesondere in sozialen Medien
  • die gezielte finanzielle Unterstützung nachhaltiger Geschäftsmodelle aus textilbezogenen Abgaben

Die Prüfung erfolgte anlässlich der Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie und der anstehenden Umsetzung auf nationaler Ebene. Die Richtlinie adressiert das Problem der Wegwerfmode und führt im Textilbereich eine „verpflichtende erweiterte Herstellerverantwortung“ (EPR) ein: Hersteller sollen die Kosten für Sammlung, Sortierung und Recycling ihrer Produkte tragen.

Ergebnis: Anti-Fast-Fashion-Gesetz in Deutschland ist möglich

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz auch in Deutschland rechtlich möglich ist.

Eine finanzielle Belastung von Fast Fashion-Unternehmen durch Abgaben sei demnach möglich, wobei zusätzlich zur erweiterten Herstellerverantwortung eine Verbrauchssteuer eingeführt werden sollte, um eine stärkere Steuerungswirkung zu erzielen. Denn die EPR begrenzt die auf die Fast-Fashion-Hersteller abwälzbaren Kosten und Entgelte, auch für die Entsorgung. Die genaue Höhe ist unklar, doch die EU-Kommission sprach im Entwurf von 12 Cent pro Kleidungsstück. Das neue Gutachten geht nicht davon aus, dass das reichen würde, um „eine hinrichende Leitungswirkung zu entfalten“. Aus rechtlicher Sicht sei außerdem sei eine klare Definition von Fast Fashion notwendig.

Ein Werbeverbot für Fast Fashion wäre laut Gutachten sowohl unionsrechtlich als auch verfassungsrechtlich zulässig, da die Eingriffe in Berufs- und Meinungsfreiheit durch Gemeinwohlinteressen wie Umwelt- und Menschenrechtsschutz sowie Jugendschutz gerechtfertigt seien.

Die Verwendung von Einnahmen aus der EPR für die Förderung zirkulärer Geschäftsmodelle sei demnach ebenfalls zulässig und entspreche der Abfallhierarchie.

Was beinhaltet das französische Anti-Fast-Fashion-Gesetz?

Das französische Anti-Fast-Fashion-Gesetz passierte im Juni den Senat. Es sieht unter anderem Strafzölle von 5 Euro pro Kleidungsstück vor (ab 2030 10 Euro), jedoch maximal 50 Prozent des Preises. Die Werbung für besonders umweltschädliche oder kurzlebige Kleidung wird verboten, auch auf Social Media. Es drohen Strafen bis zu 100.000 Euro.

Allerdings gelten die Regelungen nur für Ultra-Fast-Fashion-Anbieter wie Shein und Temu, nicht für die gesamte Branche, wie ursprünglich geplant. Im Gutachten heißt es, die Abschwächung sei durch Lobbydruck entstanden. Die Autor:innen schreiben trotzdem von einem „Meilenstein“.

Noch ist das französische Gesetz nicht final verabschiedet – es liegt derzeit in einem Vermittlungsausschuss, um letzte Details zu klären. Eine Förderung der Kreislaufwirtschaft wird aber bereits praktiziert: In Frankreich fließt ein „erheblicher Teil der EPR-Entgelte […] in Fonds zur Förderung von Reparatur bzw. Wiederverwendung“, heißt es im Greenpeace-Gutachten.

Unabhängig von dem geplanten Gesetz geht das Land streng mit Ultra-Fast-Fashion-Herstellern um. Shein kassierte im Juli beispielsweise eine Strafe in Höhe von 40 Millionen Euro durch die Pariser Wettbewerbs- und Anti-Betrugs-Behörde wegen Irreführung zu angeblich gesenkten Preise.

Demonstration für Anti-Fast-Fashion-Gesetz in Deutschland

Nach Angaben von Greenpeace hat sich die weltweite Bekleidungsproduktion seit 2000 mehr als verdreifacht. Jährlich würden bis zu 180 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt, von denen bis zu 40 Prozent unverkauft blieben und vernichtet würden. Über 60 Prozent der in Deutschland gesammelten Altkleider landeten demnach im Ausland, häufig auf Deponien oder in Flüssen.

Auf diese Missstände wiesen die Aktivist:innen am Dienstag mit einer Protestaktion hin. Vor dem Brandenburger Tor demonstrierten sie mit einer fünf Meter hohen Kunstinstallation aus Klamottenmüll für ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz in Deutschland. Die Installation der Künstlerin Emanuele Jane Morelli besteht aus Textilien, die die Umweltorganisation aus den Müllbergen des Kantamanto-Markts in Accra (Ghana) gesammelt hat – insgesamt 4,6 Tonnen Textilien mit rund 19.000 Kleidungsstücken. Analysen ergaben, dass über 96 Prozent der Textilien synthetische Fasern enthalten, die in Ghana zur Plastikverschmutzung beitragen.

Utopia meint: Wieso wir ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz brauchen – und was du schon jetzt tun kannst

Günstige Kleidung verlockt zu Überkonsum – doch das hat Konsequenzen, auch direkt vor unserer Haustüre. Zunehmend verschwinden Altkleidercontainer oder sie versinken im Müll, der Markt für Altkleider ist zusammengebrochen. Das hängt damit zusammen, dass die Qualität der Kleidung durch (Ultra-)Fast-Fashion sinkt. Und damit, dass wir mehr Kleidung wegwerfen als je zuvor – im Jahr könnte man damit circa 200 Fußballstadien füllen. Diese Kleiderberge können meist nicht recycelt werden und verschmutzen oft die Umwelt oder gefährden die Gesundheit von Menschen.

Angesichts dieser Mengen reicht es nicht, auf Eigenverantwortung oder den guten Willen von Herstellern zu setzen. Selbst die neue EPR deckt laut Greenpeace-Gutachten nicht annähernd die gesamten externen Kosten, die durch Fast Fashion verursacht werden – wie übermäßigen Ressourcenverbrauch, Wasserverschmutzung oder miserable Arbeitsbedingungen in den Produktionsorten. Ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz nach französischem Vorbild wäre ein wertvoller Schritt in die richtige Richtung.

Ob und dieses irgendwann kommt, ist allerdings offen. Wer jetzt schon aktiv werden möchte, kann folgendes tun:

  1. Informiere dich dazu, wie du Kleidung richtig entsorgst: Kaputte, stark verschlissene Kleidung gehört nicht in den Altkleidercontainer, sondern in den Restmüll. Hier findest du weitere Infos zur Neuregelung und dazu, wie du Kleidung sinnvoll spendest.
  2. Kaufe keine Billigkleidung, sondern setze auf langlebige Mode. Prüfe vor dem Kauf die Nähte, checke das Kleidungsstück auf lose Fäden und halte Ausschau nach Hinweisen wie „Separat waschen“ oder „Mit ähnlichen Stoffen waschen“. Diese beiden Bezeichnungen deuten darauf hin, dass die Farbe „ausbluten“ kann. Mehr Tipps liefert der folgende Ratgeber: Woran du Kleidung erkennst, die lange hält
  3. Kaufe nur das, was du wirklich brauchst. Anstatt neuen Trends und Schnäppchen hinterherzujagen, macht es Sinn, sich genau zu überlegen, welche Kleidungsstücke man wirklich braucht, und diese erst dann zu ersetzen, wenn sie kaputtgehen und sich nicht mehr reparieren lassen. Das gilt übrigens auch für gebrauchte Kleidung: Selbst bei gebrauchten Klamotten ist Überkonsum schädlich für den Planeten – und für die textile Kreislaufwirtschaft.

Verwendete Quellen: Pressemitteilung, Rechtsgutachten

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.
War dieser Artikel interessant?