Ist konsequenter Klimaschutz in einer Demokratie möglich? Transformationsforscherin Maja Göpel sagt ja, doch dafür müsste Deutschland sein Demokratieverständnis ändern.
Maja Göpel ist eine der bekanntesten Expertinnen, wenn es um die nachhaltige Transformation der Wirtschaft geht. Im Interview mit Watson thematisiert die Ökonomin das Verhältnis zwischen Demokratie und Klimaschutz.
„Einfach mal durchregieren und sagen, wie was läuft“, das würden sich viele wünschen, die die Dringlichkeit der Klimakrise verstanden hätten, sagt Göpel. So würden China und andere nicht-westliche Länder abwertend reden über die „durch Lobbyismus und Konzerne ausgehöhlten Konsumgesellschaften, die eine Energie- oder Mobilitätswende nie hinbekommen werden“, erklärt die Expertin.
Doch führt der einzige Weg aus der Klimakrise tatsächlich in ein autoritäres System? Göpel lehnt diese Gedanken entschieden ab. Stattdessen sollten wir unser Demokratieverständnis hinterfragen. Sie fordert eine Demokratie, mit der wir „freiheitlich und koordiniert – und nicht mikrokontrolliert – unsere gesellschaftlichen Ziele wie den Klimaschutz erreichen können“, so Göpel gegenüber Watson.
Maja Göpel fordert Bürgerräte
Göpel meint, die demokratischen Prozesse in Deutschland müssten „wirkungsvoller organisiert und vor allem transparenter“ werden. Eine Möglichkeit dafür seien Bürgerräte für wichtige gesellschaftliche Themen. Dabei werden möglichst repräsentativ Menschen aus allen möglichen Gesellschaftsschichten ausgewählt, um gemeinsam über politische Maßnahmen zu diskutieren und anschließend Handlungsempfehlungen an die Regierung abzugeben.
Bürgerräte „erhöhen nachweislich die Bereitwilligkeit für strukturelle Veränderungen“, erklärt Göpel. Sie verweist dabei auf Beispiele aus Irland und Frankreich. In Irland hat ein Bürgerrat etwa das Abtreibungsverbot gekippt. In Frankreich führte diese Form der demokratischen Abstimmung zu umfangreichen Vorschlägen für besseren Klimaschutz, die jedoch von der Regierung um Präsident Emmanuel Macron größtenteils abgelehnt wurden.
Göpel: Menschen sind „vernunftbegabte Wesen“
Die Transformationsforscherin glaubt daran, dass sich mehr Menschen für Klimaschutzmaßnahmen aussprechen würden, wenn es Bürgerräte dafür gibt. Sie würden dabei merken, was möglich ist und was nicht, was entsprechende Maßnahmen kosten und was sie gewinnen können, wenn sie die Regeln ändern. Die Nachhaltigkeitsexpertin findet dies beruhigend. In Bürgerräten würde sich zeigen, „dass wir vernunftbegabte Wesen sind, die bereit sind zu lernen, loszulassen und neu zu teilen, wenn es in der Summe zu einem guten Ergebnis kommt“, so Göpel.
Bürgerräte kommen in Deutschland bereits zum Einsatz
Bereits 2021 gab es einen Bürgerrat zum Thema Klimaschutz in Deutschland. Es wurden 80 Empfehlungen an die Bundesregierung erarbeitet, darunter etwa der Vorschlag, den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorzuverlegen.
Den Klimaaktivist:innen der Letzten Generation zufolge wurden den Ergebnissen allerdings zu wenig Beachtung geschenkt. Sie fordern einen neuen Anlauf. Allerdings soll die Regierung vorher öffentlich zusagen, die dabei erarbeiteten Maßnahmen und Gesetzesvorgaben tatsächlich in das Parlament einzubringen und sich dort für deren Umsetzung einzusetzen.
Da die Klebe-Aktionen der Letzten Generation mit dieser Forderung keinen Erfolg hatten, hat die Organisation vor Kurzem angekündigt, in Zukunft andere Formen des Protests zu wählen. Utopia berichtete.
Auch bei anderen Themen ist die aktuelle Bundesregierung Bürgerräten nicht abgeneigt. Erst im vergangenen September kamen 160 Bürger:innen zusammen, um Vorschläge zum Thema Ernährungspolitik zu erarbeiten. Die Ergebnisse wurden Mitte Januar im Bundestag vorgestellt. Ende Januar startete außerdem der Bürgerrat zum Thema „Gemeinsame Verkehrswende in Stadt und Land“.
Verwendete Quellen: Watson, Bürgerrat Klima, Letzte Generation
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