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Lieferengpässe bei Durchfallmedikament – was hat es mit Elotrans auf sich?

Elotrans Kater Stada Wundermittel Medizin
Screenshot: TikTok/ medymiim_ (Ausschnitt)

Das Durchfallmittel Elotrans wird auf Tiktok gehyped – weil es angeblich vor Kater schützen soll. Eine Spiegel-Recherche hat sich das Mittel genauer angesehen, samt zweideutiger Werbekampagne des Herstellers.

Eigentlich ist Elotrans für Durchfallpatient:innen gedacht, um die Dauer der Erkrankung zu verkürzen und Wasser- und Elektrolytverluste auszugleichen. So bewirbt der Hersteller Stada das Trinkpulver. Die Nachfrage nach dem Durchfallmittel für Kinder und Erwachsene ist riesig. Für die hohe Nachfrage sorgen aber nicht nur Durchfallpatient:innen. Auch unter jungen Menschen ist Elotrans beliebt – und zwar als Anti-Kater-Wundermittel.

Bayerische Apotheken kämpfen weiterhin mit Lieferschwierigkeiten beim Durchfallmittel Elotrans. „Es ist komplett ausverkauft, man hat keine Chance es zu bekommen“, sagte Christian Pacher von der Südapotheke in Ingolstadt. Er bestelle bei drei Großhändlern, aber nirgends sei das Medikament derzeit verfügbar. Mehrere Apotheker in Bayern bestätigen die Beobachtungen, auch online ist das Medikament meist ausverkauft. Der bayerische Apothekerverband spricht von einer erhöhten Nachfrage seit etwa eineinhalb bis zwei Monaten. Es könne nach wie vor zu Lieferengpässen kommen, sagte Verbandssprecher Thomas Metz.

Auf dem eigenen Instagram-Account des Medikaments versprach der Hersteller, dass man an einer Ausweitung der Produktionskapazitäten arbeite. Man erwarte eine Besserung im Herbst, hieß es. „Der Markt und die Menge war halt nicht vorherzusehen“, sagte Apotheker Christian Pacher. Ganz allgemein kritisierte der Pharmazeut eine zu hohe Abhängigkeit von asiatischen Wirkstoffherstellern. Entsprechend könnten Arzneimittel-Lieferketten nicht schnell genug angepasst werden.

Elotrans auf TikTok und Amazon: Gefeiert als Anti-Kater-Mittel

Ob „10 von 10“ oder „der beste Lifehack“ – auf Tiktok berichten unter dem Hashtag #elotrans zahlreiche Nutzer:innen begeistert von dem Mittel Elotrans. Von der Anwendung als Durchfallmittel ist allerdings kaum die Rede.

https://www.tiktok.com/@medymiim_/video/7070585417644444934

Auch auf Amazon stehen zahlreiche begeisterte Produktbewertungen, die wenig mit dem eigentlichen Nutzen des Medikaments zu tun haben. So preist ein User in fragwürdiger Weise an: „Selbst nach 7 Maß Bier und gefühlt 25 Schnäpsen und dem Verlust sämtlicher motorischer Fähigkeiten hilft es perfekt. Einfach vor dem Schlafen einnehmen und ich empfehle dazu noch 0,5 bis 1 Liter Wasser nachtrinken und dann gemütlich ins Bett.“ Er persönlich habe sich am nächsten Morgen theoretisch fit genug gefühlt, um Sport zu machen.

Apothekerin: „Es gibt keine Happy Pills, die verhindern, dass man am nächsten Morgen einen Kater hat“

Mit Elotrans abstürzen können – ohne die gravierenden Auswirkungen am nächsten Morgen zu spüren? So leicht ist es natürlich nicht, auch weil Mediziner:innen und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) ausdrücklich vor exzessivem Alkoholkonsum und dessen Folgen warnen.

Die Apothekerin und stellvertretende Pressesprecherin der Bundesapothekerkammer, Dr. Ursula Sellerberg, erklärte mit Blick auf das angebliche Wunderpulver Elotrans gegenüber Spiegel: „Es gibt keine Happy Pills, die verhindern, dass man am nächsten Morgen einen Kater hat, wenn man zu viel Alkohol getrunken hat“.

Allerdings ließen sich Symptome abmildern, denn der Körper verliere bei erhöhtem Alkoholkonsum neben Wasser durch eine physiologische Reaktion auch Elektrolyte wie Natrium und Kalium. Füllt man Elektrolyte frühzeitig wieder auf, kann der Kater am folgenden Morgen milder ausfallen, so Sellerberg.

Zudem ist es meist nicht ratsam, eine Medizin für einen nicht-vorgesehenen Zweck zu verwenden. Der Beipackzettel von Elotrans warnt vor Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und listet als Nebenwirkungen Übelkeit und Erbrechen auf.

Elotrans gegen Kater: Wie steht der Hersteller Stada dazu?

Der Spiegel hat für die eigene Elotrans-Recherche unter anderem den Instagram-Auftritt des Herstellers Stada begutachtet. Dort gibt es verschiedenste Posts zu sehen, zum Beispiel eine erschrocken wirkende junge Frau, neben ihr der Schriftzug: „Wenn du erfährst, dass Elotrans eigentlich für Durchfall ist“. Oder: Ein Meme, das den Schauspieler Steve Carell mit Augenringen und müden Gesichtsausdruck zeigt, samt Aussage: „My mood when my Elotrans is empty“ – zu Deutsch: „Meine Stimmung, wenn mein Elotrans leer ist“.

Obwohl Stada sich nicht explizit zur Anti-Kater-Wirkung seines Pulvers bekennt, spielt der Instagram-Auftritt dennoch darauf an. Auf Nachfrage des Spiegels will das Unternehmen jedoch keine Angaben zum Socialmedia-Hype oder zur Nachfrage unter jungen Erwachsenen machen. Stattdessen argumentiert der Hersteller, dass die aktuell erhöhte Nachfrage an der derzeitigen Urlaubszeit und Bevorratung für die Reiseapotheke liege.

Auf Instagram wolle man auf keinen Fall die Risiken des Alkoholgenusses kleinreden oder relativieren, heißt es seitens des Herstellers. Allerdings sollen die lebhaften Inhalte in Bezug auf Durchfall „einen offenen Umgang mit diesem unangenehmen Thema“ schaffen. Elotrans als Katermittel zu bewerben ist laut Spiegel ohnehin fragwürdig. Das Magazin verweist auf das Heilmittelwerbegesetz, welches Werbung für Anwendungsgebiete verhindern soll, für die ein Medikament nicht zugelassen ist.

Utopia meint:

Ob mit Katerkopfschmerzen oder ohne: Alkohol schadet dem Körper. Eine Studie kam vor kurzem sogar zu dem Schluss, dass Menschen unter 40 Jahren am besten ganz auf Alkohol verzichten sollten – aus gesundheitlichen Gründen.

Daher kann es nicht die Lösung sein, Kopfschmerzen und Übelkeit mit einem Anti-Kater-Mittel zu unterdrücken. Zumal dieses Mittel dann nicht mehr den Menschen zur Verfügung steht, die damit ernste Durchfallbeschwerden bekämpfen müssen. Besser ist es, verantwortungsvoll mit Alkohol umzugehen.

Mehr Infomationen und Hilfe zum Umgang mit Alkohol findest du auf dem Portal „Alkohol? Kenn dein Limit!“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA).

Mit Material der dpa

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