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„Fehler der Vergangenheit wiederholt“: Kritik an neuen Ostsee-Fangquoten

„Fehler der Vergangenheit wiederholt": Kritik an neuen Ostsee-Fangquoten
Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Ben Wicks

Die EU hat neue Fangmengen für die Ostsee festgelegt – und dafür viel Kritik geerntet. Umweltschützer:innen warnen vor Fehlern, die auch in der Vergangenheit schon gemacht wurden. Auch Fischer:innen sind nicht zufrieden.

Am Dienstagvormittag hatten sich die EU-Staaten in Luxemburg auf erlaubte Fangmengen für das kommende Jahr geeinigt. Demnach dürfen deutsche Ostseefischer:innen auch 2024 weiter Dorsch und Hering aus der Ostsee ziehen, allerdings nicht gezielt. Bei Dorsch sinkt auch die Menge des erlaubten Beifangs. Auch für andere Fischarten wurden Regelungen festgelegt. Sowohl Umweltschützer:innen als auch Fischer:innen kritisieren die Entscheidung.  

Greenpeace und DUH: Fangmengen für Ostsee zu hoch

Umweltverbände kritisierten die nun vereinbarten Fangmengen als zu hoch. „Anstatt die kritischen Populationen zu schützen, werden die Fehler der Vergangenheit wiederholt“, sagte der Vorsitzende der Umweltschutzorganisation BUND, Olaf Bandt, am Dienstag. Aktuell seien fünf von zehn Fischpopulationen in der Ostsee zusammengebrochen. Kritik gibt es etwa daran, dass zentraler und bottnischer Hering weiter gezielt gefangen werden dürfen. Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) steht diese Erlaubnis „entgegen jeder Vernunft“.

Dass die für deutsche Fischer:innen wichtigen Herings- und Dorschbestände mit wenigen Ausnahmen nicht gezielt gefischt werden dürfen, bezeichnete die DUH als sinnvoll. Ihrer Einschätzung nach dürfen aber zu viele Schollen und Sprotten gefangen werden. Die Organisation fürchtet zu hohen Beifang von Heringen und Dorschen. DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner sagte: „Der Zustand von Hering und Dorsch, den einstigen „Brotfischen“ der deutschen Ostseefischerei, ist anhaltend katastrophal.“

Greenpeace kritisierte Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) dafür, sich für eine Ausnahme für deutsche Fischer:innen stark gemacht zu haben. In der westlichen Ostsee dürfen kleine Boote, die etwa mit Stellnetzen oder Reusen fischen, weiterhin gezielt Heringe fangen. Die EU-Kommission hatte eigentlich vorgeschlagen, diese Ausnahmen auslaufen zu lassen.

„Wird für die deutschen Küstenfischer schwer werden“

Die am Dienstag von den EU-Agrarminister:innen in Luxemburg beschlossenen Mengen „lassen keine auskömmliche Fischerei mehr zu“, heißt es in einer Reaktion des Deutschen Fischereiverbandes in Hamburg. „Wie zu erwarten war, wird es für die deutschen Küstenfischer an der Ostsee auch im nächsten Jahr sehr schwer werden.“

Besonders kritisch geht der Fischereiverband mit dem von den Minister:innen beschlossenen Verbot der Freizeitfischerei auf Dorsch ins Gericht. Dies verursache „erheblichen sozioökonomischen Schaden, ohne einen entsprechenden Nutzen für den Bestand zu bringen“.

Der Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock, Christopher Zimmermann, bewertete die Beschlüsse als guten Kompromiss. „Die Minister haben berücksichtigt, dass die Fischbestände der Ostsee geschützt werden müssen, aber dass die Fischerei für Hering der westlichen Ostsee und Dorsch keine Rolle mehr spielt“, sagte Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt also keinen Grund, durch sehr knappe Beifangmengen auch die letzten Reste der Fischerei stillzulegen und damit das Ende dieses Wirtschaftszweiges zu besiegeln.“

Fischerei in der Ostsee: EU-Beschlüsse im Überblick

Die EU-Staaten beschlossen am Dienstag in Luxemburg nach langen Verhandlungen, dass in der westlichen Ostsee Hering weitgehend nicht gezielt gefischt werden darf, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium mitteilte. Der einstige Brotfisch der Ostseefischer:innen darf seit 2022 in der westlichen Ostsee nicht mehr gezielt gefischt werden. Allerdings wird es laut Ministerium weiterhin Ausnahmen für kleine Boote geben, die etwa mit Stellnetzen oder Reusen fischen.

Dorsch darf nicht gezielt gefangen werden, sondern nur als Beifang in den Netzen landen. Dabei sinkt die für 2024 für die westliche Ostsee erlaubte Fangmenge für deutsche Fischer:innen um 30 Prozent auf 73 Tonnen, in der östlichen Ostsee bleibt sie unverändert bei 54 Tonnen. Freizeitfischer:innen dürfen den Fisch den Angaben zufolge künftig in der westlichen Ostsee nicht mehr fangen.

Hintergrund der Beschränkungen ist der schlechte Zustand vieler Fischbestände. Überfischung, Klimawandel und andere Faktoren haben den Tieren zugesetzt und setzen sie teils auch weiter unter Druck. „Die Dorsch- und Heringsbestände sowohl der östlichen als auch der westlichen Ostsee befinden sich in einem katastrophalen Zustand“, so Christian Möllmann von der Uni Hamburg.

Für Schollen, denen es besser geht als Heringen und Dorschen, bleibt die Fangmenge bei 900 Tonnen für Deutschland. Umweltschützer:innen hatten auf eine geringere Menge gehofft, da beim Schollenfang auch Dorsch als Beifang in den Netzen landet.

Die Kommission hatte im Sommer Vorschläge für die künftigen Fangmengen unter Beachtung der Einschätzung des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) vorgestellt. Dieser untersucht anhand wissenschaftlicher Kriterien etwa, wie viel Fisch gefangen werden kann, ohne dass ein Bestand komplett zusammenbricht. In dem Rat haben sich 20 Länder zusammengeschlossen – auch Deutschland.

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