Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die CO2-Speicherung unter der Erde aus Klimaschutzgründen erlauben. Doch mehrere Umweltverbände warnen vor den möglichen Schäden durch die Technologie.
Ein Bündnis von elf Umweltverbänden und Bürgerinitiativen hat in einer Pressemitteilung die Pläne der Bundesregierung zur Zulassung von Carbon-Capture-and-Storage-Verfahren (CCS) als „Gegenteil von Klimaschutz“ kritisiert. Mit dabei: Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).
CCS bezeichnet die Abspaltung von CO2 bei seiner Entstehung und dessen anschließende Speicherung unter der Erde. Damit lässt sich verhindern, dass das in vielen Industrieprozessen anfallende Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt und den Klimawandel weiter beschleunigt. Bisher ist die Technologie in Deutschland nur zu Forschungszwecken erlaubt. Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) möchte sie auch für die Industrie freigeben.
Zwar steht der genaue Gesetzentwurf noch aus. Es ist also noch gar nicht sicher, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das Verfahren erlaubt werden soll. Doch unter Umweltschützer:innen ist CCS grundsätzlich umstritten.
Darum kritisierten Umweltverbände Habecks Pläne
CCS sei ein „gefährlicher Irrweg im Kampf gegen die Klimakrise“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung des Bündnisses. Darin heißt es, dass das Verfahren „eine lebensverlängernde Maßnahme für klimaschädliche Produktion“ darstelle. Ganze Industriezweige könnten sich dann weiterhin an Öl und Gas binden und somit den Ausstieg aus den fossilen Energien verhindern. Stattdessen würden kommende Generationen mit der „Ewigkeitslast von CO2-Deponien“ belastet werden.
Gemeint ist damit, dass auch unter der Erde gespeichertes CO2 Umweltprobleme verursachen kann. „CCS gefährdet unser Trinkwasser, hat einen gewaltigen Flächenverbrauch, zerstört natürliche Landschaften“ warnen die Umweltverbände. „Jede CO₂-Verpressung an Land oder unter dem Meeresboden kann Erdbeben auslösen und giftige Ablagerungen in den Böden hervorrufen.“ Eine 2012 im Fachmagazin PNAS veröffentlichte Studie der Stanford University kam tatsächlich zu dem Schluss, dass die unterirdische Speicherung großer Mengen CO2 kleinere Erdbeben verursachen kann, die das gespeicherte CO2 sogar wieder freisetzen können.
Das Bündnis betont: Anstatt CO2 unterirdisch zu lagern, brauche es biologischen Klimaschutz, zum Beispiel die Renaturierung von Mooren und den Wiederaufbau von Wäldern, sowie Emissionsvermeidung.
Nicht alle Umweltverbände sind gegen CCS
Trotz aller Risiken der CO2-Speicherung gibt es auch Umweltverbände, die CSS unter bestimmten Voraussetzungen offen gegenüber stehen.
Im Januar haben der WWF Deutschland und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ein gemeinsames Thesenpapier verfasst. Darin heißt es, CCS sei „nur einer von vielen und zugleich ein relevanter Baustein, um Teile des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu transformieren, die Klimaziele zu erreichen und langfristig hochwertige Beschäftigung zu sichern und auszubauen“.
Allerdings solle es nur dort eingesetzt werden, „wo CO2-Emissionen nach aktuellem technischem Stand nicht vermieden werden können“.
Umweltbundesamt möchte CCS testen
Auch das Umweltbundesamt (UBA) ist nicht grundsätzlich gegen CCS. Zwar sei die Technologie „nach derzeitigem Kenntnisstand nicht erforderlich“, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Schließlich könnten laut der vom UBA durchgeführten RESCUE-Studie auch natürliche Senken wie Wälder und nachhaltige Holzwirtschaft die bis dahin unvermeidbaren Restemissionen von 40 bis 60 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr kompensieren.
Dennoch empfiehlt das UBA die CCS-Technologie zumindest in der Müllverbrennung zu testen, da für diesen Industriezweig noch keine emissionsfreie Alternative in Sicht sei und es noch nicht absehbar sei, ob CCS in Zukunft doch notwendig werde. So könnten bereits jetzt Erfahrungen mit der Technik gesammelt werden, um Umweltrisiken besser beurteilen zu können.
UBA-Präsident Dirk Messner gibt auf der Behördenwebsite jedoch zu verstehen: „Der Ausbau und der Schutz von Mooren, Wäldern und anderen natürlichen Senken sollte unsere erste Priorität sein. CCS und andere technische Senken könnten die natürlichen Senken dann ergänzen.“
Utopia meint: CCS nur eingeschränkt nutzen
Was das Bündnis der Umweltverbände fordert ist die Ideallösung: Emissionsvermeidung und Renaturierung CO2-speichernder Ökosysteme statt CCS. Doch die Klima-Uhr tickt. Eine massive Senkung der Emissionen in der nötigen Geschwindigkeit, um die Klimaziele zu erreichen, ist zwar theoretisch möglich, scheint politisch jedoch kaum durchsetzbar – man denke zum Beispiel an den Aufschrei gegen das Gebäudeenergiegesetz.
Vielleicht ist CCS also der Kompromiss, mit dem wir leben müssen. Wenn die Technologie zugelassen wird, sollte sie jedoch nur eine Übergangslösung darstellen und ausschließlich für die Industriezweige erlaubt sein, für die es noch keine praktikable Lösung gibt, auf anderem Wege CO2-neutral zu werden.
Verwendete Quellen: Pressemitteilung des Umweltbündnisses, Thesenpapier von WWF, NABU, BDI und DGB, Umweltbundesamt, Umweltbundesamt (2), RESCUE-Studie des Umweltbundesamts, PNAS
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