Utopia Image

Geheimnisvolles Phänomen: Warum leuchtet vor Erdbeben der Himmel?

Geheimnisvolles Phänomen: Warum leuchtet vor Erdbeben der Himmel?
Foto: Foto: Screenshot X @Eyaaaad / Unsplash - Daniel Olah

Vor dem Erdbeben in Marokko beobachteten viele ein Leuchten am Himmel. Der Wissenschaft ist das Phänomen lange bekannt – Konsens zu seinem Ursprung gibt es aber nicht.

In der Nacht zu Samstag erschütterte ein Erdbeben der Stärke 6,8 Marokko. Und auch hier zeigte sich vor Beginn des Erdbebens ein bekanntes, aber dennoch bislang unzureichend erforschtes Naturphänomen: ein Leuchten am Himmel. 

Erdbeben können mit speziellen Lichtphänomenen einhergehen – und sich dadurch theoretisch sogar ankündigen. Wie der Spiegel nun berichtet, wurde das Phänomen auch vor dem starken Beben in Marokko diese Woche beobachtet. Auf Videos ist das kurze Aufleuchten an verschiedenen Orten gleichzeitig zu sehen.

In manchen Fällen ähneln die Lichter Blitzen oder einem leuchtenden Band in der Atmosphäre, ähnlich Polarlichtern. Im Fall des Bebens von Marokko waren es leuchtenden Kugeln, die in der Luft schwebten. Sie können auch wie kleine Flammen aussehen, die entlang oder in der Nähe des Bodens flackern oder kriechen, oder wie größere Flammen und Blitze, die aus dem Boden auftauchen.

Erdbebenleuchten stellt Forschung seit Langem vor Rätsel

Bereits seit der Antike wurden Erdbebenleuchten in Form von Augenzeugenberichten beschrieben. In den meisten Fällen tauchten die Lichter vor oder während der Erdstöße auf, nur sehr selten danach. Das Phänomen stellt Wissenschaftler:innen seit Langem vor Rätsel – einen Konsens über den Ursprung der Lichter gibt es aber immer noch nicht.

Die veröffentlichten Videos aus Marokko hätten eine große Ähnlichkeit mit dem Leuchten vor dem Erdbeben in Peru aus dem Jahr 2007. Das erklärte Geophysiker John Derr, ehemaliger Mitarbeiter für das US Geological Survey, gegenüber dem US-Sender CNN.

Eine Studie aus dem Jahr 2014, die in der Fachzeitschrift „Seismological Research Letters“ veröffentlicht wurde und an der auch Geophysiker Derr mitschrieb, fand laut Spiegel heraus: Lichtphänomene können mitunter Wochen vor Erdstößen und sogar Hunderte Kilometer vom Epizentrum eines Bebens entfernt auftreten. 

Kaum Konsens in der Wissenschaft

Für eine mögliche Voraussetzung für Erdbebenleuchten halten die Studienautor:innen tiefe, steilstehende Verwerfungen der Erdoberfläche. Hier baue sich unter großer mechanischer Spannung elektrische Ladung auf und steige entlang dieser Steilhänge an die Oberfläche, wo sie Luftmoleküle auflädt. 

An Subduktionszonen, wo Kontinentalplatten untereinander abtauchen, passiere dies dagegen nicht – offenbar weil die Verwerfungen nicht steil genug seien. Das würde auch erklären, warum das Lichtphänomen nicht überall und bei jedem Erdbeben auftrete.

Für ihre Untersuchungen sammelten Derr und seine Kolleg:innen Informationen über 65 amerikanische und europäische Erdbeben. Sie alle standen mit vertrauenswürdigen Berichten über Erdbebenlichter seit dem Jahr 1600 in Verbindung. 

Trotzdem konnte die Studie nicht aufdecken, warum Lichter bei den meisten Erdbeben ausblieben, heißt es von Kritiker:innen. Zudem seien 65 Erdbeben nicht genug für eine Beweisführung – zumal viele von ihnen vor dem 20. Jahrhundert aufgetreten seien.

Viele Theorien zum Ursprung von Erdbebenleuchten

Eine weitere Theorie hat Friedemann Freund, ehemaliger Mitarbeiter von Derr und außerordentlicher Professor an der San Jose University in Kalifornien: Durch tektonische Verformung komme es demnach zu Defekten oder Verunreinigungen von Quarzkristallen in Gesteinen. Dadurch könnte elektrische Ladung entstehen.

Wiederum andere Forschende erklären das Lichtphänomen laut Spiegel anhand von Steinen aus Erdbebenzonen. So auch Eric Ferré von der Southern Illinois University in den USA. Er untermauerte seine Theorie im Jahr 2015 anhand von sogenannten Pseudotachyliten. Glasartige Materialien, die vermehrt in Erdbeben-Umgebungen gefunden wurden.

Nach Ferrés Theorie drücken bei einem Erdbeben Millionen Tonnen schwere Felspakete gegeneinander und in der Kollisionszone heizt sich das Gestein auf bis zu 1700 Grad auf, sodass es schmilzt. Nach wenigen Sekunden kühlt die flüssige Masse ab und verklebt zu einer dünnen dunklen Glasschicht.

Die Forschenden hoffen nun, sich irgendwann auf einen Erklärungsansatz zur Entstehung der Lichtphänomene einigen zu können – um so vielleicht sogar Vorhersagen zu aufkommende Erdbeben treffen zu können.

Verwendete Quelle: Spiegel, Seismological Research Letters

Hier weiterlesen auf Utopia.de:

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

War dieser Artikel interessant?

Vielen Dank für deine Stimme!