Über 200.000 Aufnahmen, 1,5 Milliarden erfasste Himmelsobjekte: In einem Mammutprojekt haben Astronom:innen den Zentralbereich der Milchstraße kartiert. Die Auswertung der Daten dürfte Jahrzehnte dauern.
Es war ein gewaltiges Forschungsprojekt: Über einen Zeitraum von 13 Jahren hat ein internationales Team von Astronomen mit dem Spezialteleskop VISTA der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile die Zentralregion unserer Milchstraße im infraroten Bereich fotografiert. Über 500 Terabyte an Daten haben die Wissenschaftler dabei gesammelt und 1,5 Milliarden Objekte erfasst – ein gewaltiger Schatz, dessen Auswertung vermutlich Jahrzehnte dauern wird, schreiben die Forscher im Fachblatt „Astronomy & Astrophysics“.
Die umfangreichste Erfassung der Zentralregion der Milchstraße
„Es handelt sich um die bislang umfangreichste, vollständigste Erfassung der Zentralregion der Milchstraße“, schreiben die Astronom:innen um Roberto Saito von der Universität Santa Catarina in Brasilien. Die Karte enthält zehnmal mehr Objekte als die vorherige, die das Team vor zwölf Jahren veröffentlicht hat. VISTA, das Visible and Infrared Telescope for Astronomy, ist auf Beobachtungen im Infrarot-Bereich spezialisiert. Diese Strahlung durchdringt das Gas und den Staub, der überall in der Milchstraße vorhanden ist, und ermöglicht so einen klaren Blick in das Zentrum der Milchstraße hinein.
Auf den über 200.000 Himmelsaufnahmen entdeckten die Astronom:innen neugeborene Sterne, die noch in dichte Staubwolken gehüllt sind, ebenso wie bislang unbekannte Kugelsternhaufen, Ansammlungen von vielen Hunderttausend bis zu Millionen von Sternen. Zu den vielen neuen Entdeckungen zählen außerdem Braune Zwerge – eine Art verhinderter, kühler Sterne, in denen es keine dauerhafte Kernfusion gibt –, sowie kalte Riesenplaneten, die nicht einen Stern umkreisen, sondern einsam ihre Bahn durchs All ziehen.
Dreidimensionale Karte der zentralen Milchstraße
Insgesamt hat das Team VISTA in 420 Nächten von 2010 bis 2023 genutzt. Dabei haben die Forscher:innen jeden Bereich der untersuchten Himmelsregion – deren Fläche so groß ist wie 8.600 Vollmonde – mehrfach fotografiert, um auch Veränderungen erfassen zu können. Auf diese Weise identifizierten sie zahlreiche Sterne, die ihre Helligkeit regelmäßig verändern. Einige davon, die sogenannten Cepheiden, dienen den Himmelsforschern auch als Entfernungsmesser. Mithilfe dieser Sterne konnte das Team sogar eine dreidimensionale Karte der zentralen Milchstraße erzeugen.
Zudem erfassten die Astronomen:innen durch den Vergleich mehrerer Aufnahmen auch die Bewegung von Sternen. Dabei stießen sie auf zahlreiche sogenannte Hyperschnellläufer: Sterne, die mit bis zu tausend Kilometern pro Sekunde durchs All sausen. Diese Sterne sind vermutlich unlängst nahe an dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße vorbeigeflogen und haben dadurch ihre hohe Geschwindigkeit erhalten.
Zwar werden Forscher:innen nun auf lange Zeit mit der Auswertung der Daten beschäftigt sein. Doch deshalb ruhen sie sich nicht auf ihren Lorbeeren aus. Die ESO plant bereits die Aufrüstung von VISTA mit einem neuen Zusatzgerät – und auch das Very Large Telescope der ESO bekommt ein neues, hochempfindliches Instrument. Mit beiden Teleskopen können die Forscher:innen dann die Strahlung vieler Millionen Objekte noch genauer untersuchen.
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