Google-Konkurrent startet „grünste KI der Welt“ – das steckt dahinter

Suchmaske mit dem Titel „Frag die grünste KI der Welt“ und dem Hinweis „Läuft mit erneuerbarer Energie. Steht für Datenschutz.“ Darunter ein Eingabefeld mit dem Platzhalter „Stelle eine Frage ...“ und einem Mikrofon-Symbol. Darunter vier Vorschläge: „Was macht die Ecosia KI zur grünsten KI der Welt?“, „Gib mir 5 positive Klima-News aus dem letzten Monat.“, „Erstelle eine Einladung für eine Einweihungsparty.“, „Schreibe ein Motivationsschreiben, das meine Fähigkeiten hervorhebt.“
Bild: ecosia.org (Screenshot)

Die Suchmaschine Ecosia führt KI-Overviews und Chat-Suche ein. Sie verspricht dabei hohen Datenschutz und eine besonders klimafreundliche Infrastruktur. Der Anspruch, die „grünste KI der Welt“ zu haben, ist lobenswert, bleibt aber vorerst unbewiesen.

Ecosia, bekannt für seine nachhaltige Suchmaschine, deren Gewinne für Aufforstungsprojekte genutzt werden, hat Anfang Dezember neue KI-Funktionen eingeführt. Das Berliner Unternehmen stärkt damit seinen Anspruch, eine nachhaltige Alternative für Google und Co. zu sein. Auf der eigenen Website bezeichnet Ecosia die neuen Features gar als „grünste KI der Welt“. Doch was steckt dahinter?

Was Ecosia neu anbietet

Ecosia hat zwei neue KI-Funktionen ausgerollt: KI-Überblicke („Overviews“) und eine KI-Suche mit Chat-Funktion („AI Search“). Overviews liefern kurze Zusammenfassungen direkt über den Suchergebnissen, AI Search beantwortet Anfragen im Chat-Stil, so wie es man es etwa von ChatGPT kennt.​

Beide KI-Features sind optional. Beim Chat handelt es sich um eine separate Funktion. Die Overviews sind zwar in der klassischen Ecosia-Suchmaschine integriert, lassen sich aber in den Sucheinstellungen jederzeit deaktivieren, sodass eine traditionelle Web-Suche weiterhin möglich bleibt.​

Was hinter der „grünsten KI“ steckt

KI-Suchen gelten als umweltschädliche Stromfresser, benötigen sie doch ein Vielfaches der Energie klassischer Suchmaschinen. Ecosia gibt jedoch an, rund 18 Millionen Euro in eigene Solar- und Windprojekte investiert zu haben und über diese Anlagen mehr erneuerbare Energie zu erzeugen, als Suche und KI verbrauchen. Die KI setze außerdem auf kleinere, energieeffizientere Sprachmodelle und verzichte bewusst auf besonders stromhungrige Funktionen wie Video-Generierung oder umfassende Bildfunktionen.

Zur Auswahl der KI-Modelle nutzt Ecosia nach eigenen Angaben Tools wie den „AI Energy Score“ von Hugging Face und „EcoLogits“. Diese Werkzeuge schätzen Energieverbrauch und Umweltwirkungen verschiedener Modelle. ​

Der Claim „grünste KI der Welt“ lässt sich damit zwar nicht beweisen. Es zeigt allerdings, dass Ecosia bei der Auswahl seiner KI-Modelle Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt und den Stromverbrauch seiner neuen Funktionen mit Investitionen in erneuerbaren Energien nicht nur kompensieren, sondern sogar überkompensieren möchte.

Generell gilt jedoch, dass bei erneuerbaren Energien die Gefahr von Doppelanrechnungen besteht, wenn mehrere Investor:innen denselben Anlagen-Output für ihre Klimabilanz verbuchen. Utopia.de hat bei Ecosia nachgefragt, ob und wie das Unternehmen eine solche Doppelzählung ausschließt und ob es sich dabei an etablierten Standards wie dem GHG Protocol oder Science Based Targets orientiert, bekam bis Ablauf der Frist aber keine Antwort.

Warum setzt Ecosia überhaupt auf KI?

In Social-Media-Kommentaren reagieren einige Nutzer:innen mit Unverständnis und Verunsicherung auf die neue KI-Ausrichtung von Ecosia. Ein:e Nutzer:in schreibt unter einem Instagram-Post von Ecosia: „Was ist mit den großen Mengen an sauberem Wasser, das gebraucht wird, um all die KI-Datenzentren zu kühlen?“. Ein:e andere:r kommentiert: „Ein totaler Widerspruch! Ich liebe Ecosia, aber jetzt bin ich verunsichert … Das kann unmöglich nachhaltig sein.“

Ecosia antwortet in Bezug auf den Wasserverbrauch: „Bei der Auswahl des richtigen Modells für Ecosia, haben wir uns für ein kleineres entschieden, dass tendenziell weniger Wasser zur Kühlung benötigt.“

Die eigenen KI-Funktionen sollen also möglichst effizient und mit erneuerbarer Energie betrieben werden sollen. Die grundsätzliche Frage, ob der Einsatz von KI angesichts ihres Ressourcenverbrauchs überhaupt nötig ist, bleibt dabei weitgehend offen. Die Vermutung liegt nahe, dass Suchanbieter ohne KI-Funktionen im Wettbewerb mit großen Plattformen Marktanteile verlieren könnten und sich Ecosia deshalb zu dem Schritt gezwungen sieht. Die Frage, ob das der tatsächliche Grund für den umstrittenen Einsatz von KI bei der Suchmaschine ist oder auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben, hat das Unternehmen gegenüber Utopia.de bisher nicht beantwortet.

Wie sieht es mit Datenschutz aus?

Beim Thema Datenschutz positioniert sich Ecosia als sicherere Alternative zu großen US-Anbietern: „Im Gegensatz zu Big Tech betreiben wir keine E-Mail-, Karten- oder Bezahlplattformen, weshalb wir uns dein Leben selbst dann nicht zusammenreimen könnten, wenn wir es wollten“, schreibt das Unternehmen auf seiner Website. Der Suchmaschinenanbieter betont außerdem, als europäisches Unternehmen den strengen Datenschutzgesetzen wie die DSGVO gebunden zu sein. Das gilt allerdings auch für US-Firmen, die Dienste in der EU anbieten.

Gleichzeitig stützt sich Ecosia weiterhin auf die technische Infrastruktur von US-Unternehmen: Die Websuche greift teilweise auf Microsofts Bing zurück, die KI-Funktionen verwenden das Modell GPT-4.1 mini von OpenAI, dem Anbieter von ChatGPT. Die Eingaben der Nutzer:innen werden an OpenAI gesendet und dort bis zu 30 Tage gespeichert, wo sie laut Ecosia allerdings nicht zum Trainieren der KI verwendet werden dürfen.

Ecosia selbst gibt laut eigenen Angaben keine persönlichen Daten wie etwa IP-Adressen an das US-Unternehmen weiter. Da aber alles, was Nutzer:innen in den Chat schreiben, zwangsläufig bei OpenAI landet, rät das Unternehmen trotzdem dazu, keine persönlichen oder sensiblen Informationen dort einzugeben.

Ecosia arbeitet bereits daran, die Abhängigkeit von US-Konzernen zu verringern. Gemeinsam mit der französischen Suchmaschine Qwant gründete das deutsche Unternehmen 2024 die European Search Perspective (EUSP). Daraus entstand der Suchindex Staan (Search Trusted API Access Network), „der eine souveräne, datenschutzorientierte Suchinfrastruktur aus Europa ermöglichen soll.“ Dieser europäische Suchindex kommt seit Anfang 2025 bei Ecosia zum Einsatz und liegt den KI-Overviews sowie einigen herkömmlichen Suchergebnissen – aber eben noch nicht allen – zugrunde.

Utopia.de meint: Eine interessante Alternative

Für Nutzer:innen, die KI-Suchen verwenden möchten und zugleich Wert auf Nachhaltigkeit legen, bietet Ecosia eine interessante Alternative zu Google und anderen Anbietern. Der Claim „grünste KI der Welt“ ist zwar eine Eigenbeschreibung von Ecosia und nicht von unabhängigen Analysen bestätigt. Doch die Berliner Suchmaschine setzt einen Großteil ihrer Gewinne für den Klimaschutz ein, verwendet ressourceneffiziente KI-Modelle und investiert in saubere Energien, um ihren Stromverbrauch überzukompensieren.

Auch wenn es der Suchmaschine Stand jetzt noch nicht möglich ist, sich vollständig von den Tech-Giganten aus Amerika zu lösen, so setzt sich Ecosia als europäischer Anbieter mit seiner Suchindex-Initiative glaubhaft für mehr Datenschutz und Unabhängigkeit von US-Konzernen ein.

Verwendete Quelle: Ecosia

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