Eckart von Hirschhausen beleuchtet in der WDR-Dokumentation „Hirschhausen und die Macht des Alkohols“ die weitreichenden Folgen von Alkoholkonsum. Es geht nicht nur um die Sucht, sondern auch um gesellschaftliche und gesundheitliche Aspekte. Ein Thema, das uns alle betrifft.
In Deutschland gehört Alkohol oft zum Alltag – und entsprechend viel trinken wir hierzulande. 12,2 Liter Reinalkohol trinkt eine Person über 15 Jahren im Schnitt im Jahr, das geht aus Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor. Das wären zum Beispiel 488 große Bier. Damit liegt Deutschland weit über EU-Durchschnitt, der bei 9,2 Liter reinem Alkohol pro Kopf pro Jahr liegt.
Was unser Konsum für Konsequenzen haben kann, beleuchtet eine neue Dokumentation mit Mediziner, Comedian und Aktivist Eckart von Hirschhausen. Die Sendung startet mit einem Besuch auf dem Münchner Oktoberfest – aber nicht etwa im Bierzelt, sondern im Bereich für medizinische Notfallversorgung. Ein Allgemeinmediziner, der dort arbeitet, zeigt dem Moderator die Behandlungsbereiche, auch den für Härtefälle. „Da können wir nähen, kleben, tackern, Gelenke wieder reinmachen, bis hin zum CT“, so der Mediziner. Dinge, an die wohl die wenigsten Oktoberfestbesucher:innen denken.
Hirschhausen über Alkoholkonsum: „Jeder Schluck ist potenziell krebserregend“
Ein paar Bier ab und zu gelten in Deutschland nicht wirklich als Problem. „Ich hab das auch geglaubt“, gibt Hirschhausen zu. „Die Wahrheit ist: Nichts zu trinken ist das aller Gesündeste. Punkt.“
Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat ihren Standpunkt zu Alkohol vor kurzem überarbeitet – und rät inzwischen generell von Alkoholkonsum ab, egal in welcher Menge. Denn wie die Sendung erklärt, kann Alkohol die alkoholische Fettleber auslösen, dem Herz schaden und sogar dement machen.
„Jeder Schluck ist potenziell krebserregend“, warnt Hirschhausen die Zuschauer:innen. Wie hoch das Risiko für die verschiedenen Krankheiten ist, hängt damit zusammen, wie viel man trinkt. Doch die Wirkung ist nicht zu unterschätzen. „Alkohol ist, was das Krebsrisiko angeht, in einer Kategorie mit Asbest und Rauchen. Konkret: Eine Flasche Wein hat für eine Frau in Hinblick auf ihr Brustkrebsrisiko die Wirkung von 10 Zigaretten. Warum steht das nirgends?“, will der Moderator wissen.
„Nirgendwo in Europa ist es so einfach und billig, an Alkohol zu kommen“
Die Doku zeigt auch, wie Hirschhausen nachts durch eine Stadt läuft und dabei immer wieder auf Läden stößt, die Alkohol verkaufen. „Nirgendwo in Europa ist es so einfach und billig, an Alkohol zu kommen und sich zu betrinken“, kommentiert der Moderator. Mit Konsequenzen: Er trifft auf einen Mann, der sieben Jahre lang auf der Straße gelebt hat, und von seinem Alkoholproblem berichtet.
Die Sendung betont, dass das Bild des alkoholabhängigen Obdachlosen ein Klischee sei, ein höherer sozialer Status gehe oft mit mehr Alkoholkonsum einher. Die Journalistin Natalie Stüben etwa hat 8 Jahre schwer getrunken und trotzdem weiter ihre Karriere verfolgt. Heute klärt sie unter anderem auf Social Media zu Alkohol auf und war auch schon im Utopia-Podcast zu hören.
In der Sendung kritisiert sie die Unterscheidung zwischen „Genusstrinker“ und „charakterschwachen Versagern, die das nicht hinkriegen mit dem Genusstrinken.“ Diese Unterscheidung sei Quatsch, weil Alkohol als Droge auf Hirn und Zellen immer gleich wirkt. „Und da ist es völlig egal, was für ein Charakter du hast, ob du diszipliniert bist oder nicht. Da ist es auch völlig egal, ob deine Weinflasche 2 oder 200 Euro kostet.“
Es ist also nicht nur eine Frage des Charakters, sondern der Wechselwirkung verschiedener Faktoren, die zu Alkoholsucht beitragen. Die Sendung nennt etwa genetische Veranlagung, wie Familie und Freunde mit Alkohol umgehen, negative Erfahrungen in der Kindheit, Stress oder psychische Belastung.
Alkoholkonsum: Hirschhausen-Doku beleuchtet Gefahren für die Familie
Zudem kann Alkohol die Hemmschwelle senken, mit schwerwiegenden Folgen. Hirschhausen spricht unter anderem mit Opfern von Gewaltmissbrauch durch Elternteile. „Er ist zum Choleriker mutiert“, erinnert sich eine Betroffene. „Wenn ich bloß anders geschaut habe, wie er es jetzt gewollt hätte, der hat da schon volle Teller nach mir in der Küche geschmissen.“ Mindestens acht Millionen Erwachsene konsumieren gefährliche Mengen an Alkohol, knapp zwei Millionen sind sogar Alkohol abhängig, warnt Hirschhausen in der Doku.
Auch auf andere Weise können Kinder darunter leiden, etwa durch das fetale Alkoholsyndrom (FASD), das sich unter anderem durch Lernschwächen und Verhaltensauffälligkeit äußern kann. Alkohol während der Schwangerschaft kann also schwere Schäden beim Kind verursachen. An FASD leiden laut Doku bis zu 4.000 Neugeborene pro Jahr, 10.000 haben leichtere, aber ebenfalls lebenslange Schäden, vermutlich gibt es eine hohe Dunkelziffer.
Moderne Therapie, Alkohollobby-Einfluss und vieles mehr
Hirschhausen trifft sich noch mit weiteren Experten, unter anderem Prof. Falk Kiefer, Ärztlicher Direktor in der Klinik Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, der mit dem Mythos um Entzugserscheinungen aufräumt. Diese würden bei 80 bis 90 Prozent der Alkoholabhängigen in Deutschland gar nicht auftreten, weil diese nicht kontinuierlich trinken – deshalb sind sie ein schlechter Indikator für das eigene Trinkverhalten.
Der Comedian nimmt auch an einem Expositionstraining mit, das Betroffenen hilft, im Alltag dem Alkohol zu widerstehen. Prof. Rainer Spanagel, Suchtforscher und Pharmakologe, erklärt ihm moderne Therapieansätze: „Dieses Abstinenzkonzept ist eigentlich Mission Impossible für viele Leute“. Stattdessen versuche man etwa, schwere Trinktage zu reduzieren. Die Doku stellt auch andere Ansätze vor, etwa Handyapps, die Nutzer:innen an Vorsätze erinnern. Außerdem trifft sich Hirschhausen mit einem Unfallopfer, und setzt sich mit der Macht der Alkohollobby in Deutschland auseinander.
Die komplette Sendung gibt es hier in der ARD-Mediathek zu sehen, zudem läuft die Doku am 27.01.2025 um 20:15 Uhr im Ersten.
Hinweis: Die BZgA bietet ein Info-Telefon zur Suchtvorbeugung an. Es ist Mo – Do von 10 bis 22 Uhr und Fr – So von 10 bis 18 Uhr zu erreichen unter: 0221 892031. Weitere Informationen gibt es hier.
Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.
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