Die Flutkatastrophe in Spanien hat vor allem die Region Valencia hart getroffen. Über 200 Menschen verloren ihr Leben durch das Extremwetter, viele weitere werden vermisst. War die Klimakrise der Auslöser?
Das Sturmtief Dana hat bereits über 200 Menschen das Leben gekostet, berichtet der spanische Sender RTVE. Bilder von überfluteten Straßen und durch die Wassermassen aufgestapelten Autos in der Region Valencia gingen um die Welt. Eine Katastrophe, bei der sich unmittelbar die Frage stellt: Hat der Klimawandel die extremen Regenfälle ausgelöst oder hätte es auch im vorindustriellen Klima ein solches Extremwetterereignis geben können? Wissenschaftler:innen der World Weather Attribution (WWA) sind dieser Frage auf den Grund gegangen.
Analyse der Valencia-Flut: Klimawandel als verstärkender Faktor
In dem vorläufigen Bericht der WWA, der unter anderem der Presseagentur Associated Press (AP) vorliegt, heißt es, der menschengemachte Klimawandel hätte die Katastrophe in Spanien verstärkt und wahrscheinlicher gemacht.
„Wir hatten noch keine Zeit, eine vollständige Attributionsstudie durchzuführen“, erklärte die Statistikerin Clair Barnes vom WWA. Eine Attributionsstudie ist eine Studie, die Aufschluss darüber geben soll, inwiefern ein Ereignis mit der Erderhitzung zusammenhängt. „Doch basierend auf den Aufzeichnungen des Niederschlags schätzen wir, dass ähnliche Ereignisse 12 Prozent intensiver und vermutlich doppelt so wahrscheinlich sind als im vorindustriellen Klima, als es rund 1,3 Grad kälter war“, fügt Barnes hinzu. Die 12 Prozent beziehen sich dabei laut AP auf die Niederschlagsmenge.
Wie verlässlich sind WWA-Analysen?
Die WWA ist eine Initiative von Wissenschaftler:innen, deren Ziel es ist, bei Extremwetterereignissen innerhalb kürzester Zeit Attributionsstudien zu erstellen. Normalerweise müssen solche Analysen erst einen monate- bis jahrelangen Prozess der Qualitätskontrolle durchlaufen, um von der wissenschaftlichen Gemeinschaft anerkannt zu werden. Doch wie die Klimatologin Friederike Otto vom Imperial College London gegenüber dem SRF erklärt, würde niemand mehr auf die Antwort hören, wenn man sie innerhalb der „normalen wissenschaftlichen Zeitskalen“ präsentieren würde.
Dieses schnelle Vorgehen sei teils von Kolleg:innen kritisiert wurden, erklärt Otto. Inzwischen habe man jedoch ein Rezept entwickelt, das Peer-Reviewed ist, also von unabhängigen Wissenschaftler:innen geprüft wurde. Das heißt: Die aktuelle Analyse der Valencia-Katastrophe hat noch nicht den ausführlichen Qualitätssicherungsprozess einer Peer-Review durchlaufen. Die grundsätzliche Methodik, auf dem der Bericht basiert, jedoch schon.
Otto zufolge seien zwar bei kleinräumigen Wetterereignissen wie Gewitterstürmen keine verlässlichen Aussagen mit den Methoden der WWA zu treffen, wohl aber bei Hitzewellen und Starkregen – und zu letzterem zählt die Valencia-Katastrophe. Die Klimaexpertin bekräftigte dies auch gegenüber der BBC: „Es gibt keinen Zweifel, diese explosiven Regenfälle wurden durch den Klimawandel intensiviert.“
Otto erklärt: „Mit jedem Bruchteil eines Grades Erwärmung kann die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen, was zu stärkeren Regenfällen führt.“ Doch nicht nur die warme Atmosphäre verschlimmert Regenfälle, sondern auch die warme Oberflächen-Temperatur des Mittelmeeres. Diese erreichte im August 2024 neue Allzeit-Rekordwerte. Je wärmer das Wasser, desto mehr verdunstet, desto mehr Feuchtigkeit landet in der Luft und kommt dann als Niederschlag zurück auf die Erde.
Prominente Meteorologen stimmen zu
Auch der ARD-Meteorologe Karsten Schwanke ist sich sicher, dass die Klimakrise seinen Beitrag zur Valencia-Katastrophe geleistet hat. In einem LinkedIn-Post erklärt er: „Klimawandel? Ganz klar: wären das Mittelmeer und die Luftmassen, die das Tief ansaugt, nicht so warm, gäbe es deutlich weniger Regen.“
Sein ARD-Kollege Sven Plöger stimmt dem zu. In den Tagesthemen verkündete der Meteorologe jüngst: „Wir sehen da die Wetterlagen, die möglich sind in einer fast 1,5 Grad wärmeren Welt. Völlig unabhängig davon, welche Meinung wir dazu haben, das ist einfach Physik.“
Auch wenn es in der Vergangenheit immer schon extreme Stürme, Regenfälle und Überflutungen gegeben hat: Der Klimawandel macht Extremwetterereignisse wahrscheinlicher und erhöht deren Intensität, darin sind sich fast alle Fachleute einig. Clair Barnes vom WWA warnt gegenüber AP: „Ich habe Leute gehört, die sagten, das sei das neue Normal. Wenn man bedenkt, dass wir aktuell ungefähr auf 2,6 Grad Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zusteuern, sind wir gerade mal auf halbem Weg zum neuen Normal.“
Umdenken auch in Deutschland gefordert
Die heftigen Unwetter in Spanien fordern nach Ansicht der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) ein Umdenken beim Bevölkerungsschutz auch in Deutschland. Mit dem Klimawandel kommen immer neue Krisenszenarien auf die Bevölkerung zu, warnt der Schutzverband. Dabei sei es auch wichtig, auf einen flächendeckenden Stromausfall oder eine Störung in den Kommunikationsnetzen vorbereitet zu sein.
Die Geschehnisse in Spanien sollten dabei eine Lehre sein. „In Paiporta haben wir normalerweise kein Hochwasser und die Leute haben keine Angst“, erklärte Bürgermeisterin Maribel Albalat gegenüber der BBC. Weil die Einwohner:innen der valencianischen Gemeinde die Gefahr unterschätzten und versuchten, ihre Autos in Sicherheit zu bringen, seien die eigenen Garagen zur Todesfalle geworden.
Empfehlungen der Behörden für die Vorbereitung auf Katastrophen-Ereignisse und der damit verbundene Selbstschutz sollten ernst genommen werden. Ein Notvorrat an Nahrung, Wasser, Medikamenten oder auch Kerzen und Zündhölzern sei ratsam, betonte die vfdb. Auch die EU-Kommission habe sich angesichts der Katastrophe in Spanien für mehr Selbstverantwortung der Bürger ausgesprochen und Vorratshaltung in den Haushalten empfohlen.
Mit Material der dpa
Weitere Quellen: RTVE, ABC, AP, SRF, BBC, Karsten Schwanke (LinkedIn), BBC(2)
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