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Ist Shein plötzlich nachhaltig? Neues Materialverbot im Check

Ist Shein plötzlich nachhaltig? Neues Materialverbot im Check
Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ appshunter.io, Sandy Millar

Shein ist bekannt für billige Mode, weniger für Tierschutz. Doch aktuell lobt die Tierrechtsorganisation PETA den Billigshop für eine „zukunftsweisenden Entscheidung“. Was es damit auf sich hat – und wieso Utopia weiterhin vom Einkauf bei Shein abrät.

Inhaltswarnung: In dem Artikel werden tierquälerische Praktiken in der Modeindustrie beschrieben.

Der Ultra-Fast-Fashion-Händler Shein hat seine Richtlinien aktualisiert. Demnach ist der Verkauf von Produkten mit Pelz, Federn und Exotenleder ab sofort auch für Drittanbieter auf der Plattform verboten. Bisher galt das nur für Produkte, die Shein direkt selbst anbietet. Dies soll auf Druck von PETA USA geschehen sein, wie der deutsche Ableger der Tierrechtsorganisation auf seiner Webseite berichtet.

PETA schreibt: „Diese Entscheidung folgte auf intensive Gespräche mit PETA USA, in denen Shein detailliert über das immense Leid informiert wurde, das Füchse, Kaninchen, Strauße und andere Wildtiere in der Modebranche erleiden.“ Das Verbot gelte sowohl für den Onlineshop als auch für den Shein-Marktplatz, über den auch Drittanbieter ihrer Waren verkaufen können.

Shein verzichtet auf Pelz und Co.: Aber wie viele Produkte betrifft das?

Das klingt nach einer positiven Nachricht für den Tierschutz – und generell ist es natürlich ein wichtiges Signal, wenn große Händler auf exotische Tiermaterialien verzichten. Wieso, erklärt PETA recht explizit in seiner Pressemitteilung:

„Internationale PETA-Partnerorganisationen decken immer wieder das immense Tierleid in der Bekleidungsindustrie auf. Videoaufnahmen zeigen Füchse in engen Käfigen, Strauße, denen die Federn einzeln aus der Haut gerissen werden, und Krokodile, denen Mitarbeitende zur Herstellung von Krokodilleder den Nacken aufschneiden und anschließend einen Metallstab durch die Öffnung stecken, um das Rückenmark der Tiere zu zerstören.“

PETA Deutschland

Diese tierquälerischen Praktiken werden weiter stattfinden, solange es einen Markt für die Produkte gibt. Doch wie groß ist eigentlich der Teil des Sortiments, der von dem neuen Verbot tatsächlich betroffen ist? Utopia hat bei PETA Deutschland nachgefragt. Der Organisation zufolge verkaufte Shein zuvor 10 Pelzmäntel aus Kaninchen-, Fuchs-, Nerz- und Waschbärfell, zwei Taschen aus Krokodilleder und Hunderte von Artikeln aus Straußenfedern auf seiner Marktplatzplattform für Drittanbieter.

Grüneres Image: PETA lobt Shein

Das ist nicht nichts. PETA argumentiert zudem, dass Shein ein führendes Unternehmen im E-Commerce ist, der Schritt könnte also größere Auswirkungen haben. Doch muss man auch bedenken, dass der Konzern schon 2022 täglich bis zu 9.000 neue Artikel pro Tag auf seiner Webseite veröffentlichte, die Zahl dürfte seitdem gestiegen sein. Das Sortiment ist also riesig und das Verbannen von diesen spezifischen Produktkategorien dürfte Shein vergleichsweise leicht gefallen sein. Wenn eine Organisation wie PETA den Schritt aber als „zukunftsweisenden Entscheidung“ lobt, dürfte vor allem das grüne Image des Ultra-Fast-Fashion-Händlers davon maßgeblich profitieren.

Generell scheint dieses Image nicht schlecht zu sein, wie eine Consumer-Trend-Analyse 2024 herausfand. Demnach gaben US-amerikanische Shein-Kund:innen überproportional oft an, dass sie sich mit Umweltschutz identifizieren (52 Prozent), gerne mehr für nachhaltige Produkte ausgeben (67 Prozent) und immer oder meistens die Auswirkungen auf die Umwelt beim Einkaufen berücksichtigen (44 Prozent). Shein selbst behauptet unter anderem, daran zu arbeiten, den ökologischen Fußabdruck von Produkten und Anlagen zu verringern und bis 2025 keine Emissionen mehr zu verursachen (Netto-Null).

So wenig Nachhaltigkeit steckt wirklich hinter Ultra-Fast-Fashion

Diese Aussagen stehen jedoch im krassen Gegensatz zu dem tatsächlichen Geschäftsmodell des Herstellers. Shein verkauft ultra-günstige Mode, die in Rekordgeschwindigkeit produziert und vermarktet wird – vor allem in den sozialen Medien. Diese Ultra-Fast-Fashion geht aber oft schnell kaputt und steckt teils voller Giftstoffe, das haben Test von unter anderem Öko-Test gezeigt.

Der Vorteil, wenn Kleidung nicht lange hält: Die Kund:innen bestellen schnell neue. So treibt der Konzern mit seinen Produkten den Konsum an – und das ist alles andere als ökologisch. Denn die Textilindustrie ist für bis zu zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als die Emissionen des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs zusammen. Die Tatsache, dass die Ware zumeist per Luftfracht aus dem fernen China transportiert wird, kommt noch erschwerend hinzu.

Auch die billigen Preise kommen nicht von ungefähr: Unter welchen Bedingungen Shein-Kleidung hergestellt wird, hat eine BBC-Reportage Anfang des Jahres berichtet. Arbeitnehmer:innen arbeiten demnach bis zu 75 Stunden pro Woche, oft unter Verletzung chinesischer Arbeitsgesetze. Die Mehrheit der Befragten erzählte, sie hätten nur einen freien Tag im Monat. Bezahlt wird nach Stück, nicht nach Stunde.

Solche Bedingungen sind in der Modebranche allerdings leider keine Seltenheit. Lieferkettenexperte Berndt Hinzmann von INKOTA berichtete gegenüber Utopia: „Auch europäische Marken lassen in Asien unter teils fragwürdigen Bedingungen produzieren. Die Fabriken, die im chinesischen Shenzen für Shein produzieren, sind zum Teil dieselben, die auch für H&M produziert haben.“

Utopia rät vom Kauf bei Shein ab

Auch zum Tierwohl bekennt sich Shein übrigens explizit. Materialien wie Leder und Wolle sind aber trotzdem erlaubt, etablierte Standards wie das GOTS-Zertifikat, Leather Working Group oder der Responsible Wool Standard werden nur empfohlen, sie sind nicht vorausgesetzt. PETA Deutschland hofft, dass Shein sein „Mitgefühl auch auf alle anderen Tiere ausdehnen [wird], die immer noch für Kaschmir, Wolle und Häute wie Leder gequält und getötet werden.“ Der Anteil tierischer Materialien wie Leder oder Wolle sei gemessen am Gesamtsortiment gering. Doch das könnte auch daran liegen, dass sich Kunstfasern und synthetische Materialien schön billig produzieren lassen.

PETA Deutschland rät auf Nachfrage nicht explizit vom Kauf bei Shein ab, sondern begrüßt die „positiven Veränderungen“ im Sortiment. Utopia dagegen empfiehlt, lieber keine Mode von Shein zu konsumieren. Wer günstig Mode kaufen will, kann das auch ökologisch tun und zu Secondhandprodukten greifen.

Weitere günstige Alternativen zu Shein liefert der folgende Artikel:

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