Karsten Schwanke warnt: „Nicht Afrikaner – wir werden fliehen müssen“

Karsten Schwanke warnt: "Nicht Afrikaner – wir werden fliehen müssen"
Screenshot: ARD-Mediathek (zugeschnitten)

45 Grad im Schatten, keine Landwirtschaft mehr, kein deutscher Wald: ARD-Wetterexperte Karsten Schwanke zeichnet in einem Videopodcast ein düsteres Bild von Deutschlands Zukunft. Von „Klimaflüchtlingen“ habe man hierzulande ein falsches Bild.

Der ARD-Meteorologe Karsten Schwanke hat eindringlich vor den Folgen des Klimawandels in Deutschland gewarnt. In einem Interview des SWR-Videopodcasts „Zur Sache! intensiv“ sagte der 56-Jährige, Deutschland werde „Ende des Jahrhunderts keinen deutschen Wald mehr haben“. Die Folge erschien am 6. August.

Besonders drastisch äußerte sich Schwanke zur künftigen Migrationsbewegung. „Wenn ich von Klimaflüchtlingen höre, dann haben alle Menschen Bilder im Kopf von Afrikanern, die zu uns kommen. Nein, wir werden fliehen müssen“, sagte der Meteorologe. Denn bei den prognostizierten klimatischen Veränderungen werde in Deutschland keine Landwirtschaft mehr möglich sein.

Tatsächlich waren laut dem Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) zwischen 2008 und 2024 bereits rund 84.000 Menschen gezwungen, innerhalb von Deutschland ihren Wohnort zu wechseln – durch Ereignisse wie etwa Waldbrände, Überschwemmungen und Stürme.

Wie viele es in Zukunft werden könnten, und wie viele das Land künftig verlassen müssen, lässt sich schwer vorhersagen. Laut Max-Planck-Gesellschaft wird die Zahl von Klimaflüchtlingen global jedoch mit Sicherheit zunehmen. Deutschland lag 2022 auf Platz 17 der Länder, die am stärksten vom Klimawandel betroffen waren (Neuste Daten des Climate Risk Index 2025).

Eine Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Umweltbundesamts kam 2021 zu dem Schluss, dass ganz Deutschland bis Ende des Jahrhunderts ein Hotspot für Risiken des Klimawandels werden könne, wenn die globale Erwärmung nicht gebremst würde.

Karsten Schwanke sagt „45 Grad im Schatten vor 2050“ voraus

Auch in der näheren Zukunft kommen Schwanke zufolge drastische Änderungen auf uns zu. Der Experte prognostizierte gegenüber SWR Temperaturen von bis zu 45 Grad im Schatten noch vor dem Jahr 2050. „Darauf ist niemand eingerichtet.“

Solche Temperaturen sind in Deutschland keineswegs normal. Über 40 Grad seien hierzulande erstmals 1983 gemessen worden, 2019 knapp 42 Grad. Der Diplommeteorologe sagte auch Jahre mit längeren Dürreperioden voraus als im Rekordsommer 2018, mit noch mehr Tagen über 30 Grad.

Bei solch hohen Temperaturen werde es unmöglich, im Freien zu arbeiten. „Da gehen wir nicht mehr raus. Da gibt’s keine Baustelle, wo noch Leute draußen arbeiten“, sagte Schwanke. Zudem würden Dürreperioden „deutlich länger“ als der bereits extreme Sommer 2018 mit sechs Monaten Hochdruckwetter im Norden Deutschlands.

Ähnliches sagen auch Experten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) voraus. Gegenüber der Tagesschau erklärte ein Pressesprecher, man erwarte bis 2049, dass die Temperaturen in Deutschland im Schnitt um 1,9 bis 2,3 Grad steigen werden – mit einem starken Anstieg der heißen Tage über 30 Grad. Das heißt zum Beispiel: doppelt so viele heiße Tage in Berlin wie zwischen 1971 und 2000. Tage mit Temperaturen um die 40 Grad würden bis dahin regelmäßig auftreten. Auch Tropennächte über 20 Grad sollen demnach zunehmen.

Kritik an mangelnder Vorbereitung: „So etwas macht mich wütend“

Besonders kritisierte Schwanke die unzureichende Vorbereitung auf Extremwetterereignisse. Am Beispiel der Flutkatastrophe im Ahrtal machte er deutlich, wie schlecht Deutschland gerüstet sei. Die Pegelmessung in Altenahr sei am 14. Juli 2021 um 20:15 Uhr ausgefallen, weil die Brücke mit dem Messgerät weggerissen wurde. „Ich hatte also ab 20:15 Uhr und auch alle Einsatzkräfte weiter flussabwärts – THW, Feuerwehr, Polizei – keine Ahnung mehr von dem, was da kommt“, berichtete Schwanke.

Die wieder aufgebaute Pegelmessung sei erneut am Brückengeländer angebracht worden. „Beim nächsten Mal werden wir wieder ohne Daten dastehen“, kritisierte der Meteorologe. „Sowas macht mich wütend, dass wir unsere Infrastruktur in diesem reichen Land nicht auf das vorbereiten, was da auf uns zukommt.“

Schwanke warnt vor häufigeren Extremereignissen

Schwanke widersprach der gängigen Einschätzung, das Ahrtal-Ereignis sei ein 400- bis 1000-jährliches Ereignis. Aufgrund des Klimawandels könne ein noch stärkeres Ereignis bereits in 28 Jahren auftreten, erklärte er unter Berufung auf Berechnungen eines Statistikprofessors der Universität Stuttgart.

Der Meteorologe warnte auch vor noch extremeren Regenereignissen. Zwei Wochen vor der Ahrtal-Flut habe es in Brandenburg „zweieinhalb Mal so viel Regen“ gegeben wie im Ahrtal. „Wenn dieses Tief dahin gezogen wäre, hätten wir noch ganz andere Bilder gesehen.“

Priorisierung des Klimaschutzes rutsche nach hinten

Die Priorität des Klimaschutzes in der Politik rutsche „gerade von Tag zu Tag weiter nach hinten“, beklagte Schwanke. Das sei „in der Tat dramatisch“. Er kritisierte, dass Deutschland seine Unternehmen nicht ausreichend auf dem Weg zur CO2-Neutralität unterstütze, während China bereits alle Unternehmen zur Berichterstattung über Klimarisiken und über Pläne zur CO2-Reduzierung verpflichte.

Schwanke, der seit rund 30 Jahren als Meteorologe im Fernsehen arbeitet, bezeichnete sich selbst als „Journalist“ und „Experte“, nicht als Aktivist. Seine öffentliche Haltung zum Klimawandel habe sich seit 2016 verstärkt – ausgelöst durch Extremwetterereignisse wie die Überschwemmung in Braunsbach 2016, den Dürresommer 2018 und die Hitzewellen der Folgejahre. Im Gespräch mit dem SWR geht er außerdem auf viele andere Themen wie Klimaproteste, persönliche Motivation und Optimismus ein.

Die komplette Folge des Videopodcasts gibt es in der ARD-Mediathek oder auf YouTube:

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