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Nur eine Handvoll erlaubt: Wie Sachsens Polizei gegen Bärlauch-Klau vorgeht

Bärlauch Polizei
Foto: Sebastian Willnow/dpa // Tobias Junghannß/dpa-Zentralbild/dpa

Ein „Handstrauß“ Bärlauch pro Person ist erlaubt – dennoch verlassen regelmäßig kiloschwere Säcke davon die Leipziger Waldgebiete. Dagegen geht die Polizei-Fahrradstaffel vor.

Die Polizei-Fahrradstaffel macht sich auf in den Leipziger Auwald. Die Polizist:innen tragen Sonnenbrillen und neongelb leuchtende Jacken und Helme. Ihre Trinkflaschen am Fahrradrahmen sind aufgefüllt, um Hals und Ohr sind sie mit Funkgeräten verkabelt. An diesem Tag ist die Fahrradstaffel unterwegs, um einem in Leipzig inzwischen häufiger vorkommenden Phänomen nachzugehen: Bärlauch-Diebinnen und -Dieben. 

Hunderte Kilogramm Bärlauch unerlaubt gepflückt

Zwischen 800 und 1000 Kilogramm Bärlauch wurden laut Polizei im vorigen Jahr aus den Leipziger Wäldern geklaut. Für das Sammeln der Pflanze herrschen in Sachsen jedoch strenge Regeln. Erlaubt ist ein sogenannter Handstrauß pro Person. „Offiziell ist eine kleine Tüte schon zu viel“, sagt eine Polizistin der Staffel, die ihren Namen nicht öffentlich machen möchte. Festgehalten ist diese Regel im sächsischen Waldgesetz. Bewegt man sich in Naturschutzgebieten, ist sogar ein gepflücktes Blatt bereits eines zu viel. Dort gilt das Bundesnaturschutzgesetz. 

Die Fahrradstaffel fährt im Slalom an Pfützen vorbei, auch einigen Pferdemisthaufen muss ausgewichen werden. „Vom Wegesrand sieht man die Personen nicht. Sie sind tief im Wald unterwegs, was untypisch ist für Touristen“, sagt die Polizistin. Weitere Indizien für Bärlauch-Sammler:innen, die sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen: schmutzige Klamotten, schlammiges Schuhwerk, volle Beutel. 

Die Tricks beim Bärlauch-Diebstahl

Um nicht aufzufallen, haben sich die Diebinnen und Diebe allerdings etwas überlegt: „Sie bunkern ihre Sachen im Wald, um sich dort umzuziehen.“ Sogar Knieschoner tragen sie – „sie arbeiten ja den ganzen Tag hier auf dem Boden“, sagt die Polizistin. Nach getaner Arbeit würden sie ihre sauberen Klamotten wieder anlegen und als einfache Spaziergänger:innen den Wald verlassen. 

Vom Fahrrad abgestiegen, gehen die Polizist:innen Trampelpfaden und Tupperdosen nach. Im blickdichten Wald ist es schwierig, die Kriminellen zu erkennen. In diesem Jahr habe die Fahrradstaffel bislang in vier Fällen mutmaßliche Täter:innen erwischt. 

„Vom Wegesrand sieht man das Chaos nicht, das sie hier zurücklassen“, sagt die Polizistin. „Sie verpflegen und entladen sich hier im Wald.“ Somit liefert sie zudem eine Erklärung, weswegen neben leeren Müsliriegel-Verpackungen auch Feuchttücher in den Sträuchern hängen. 

Polizeisprecher Chris Graupner beschreibt die Arbeitsweise der Kriminellen: „Die Leute werden gesammelt und gezielt an bestimmte Plätze gefahren, sodass sie dort ihre Arbeit verrichten.“ Die großen Mengen Bärlauch würden später mit Anhängern und Transportern abgeholt. 

Von Ordnungswidrigkeit bis Umweltstraftat

All das sei jedoch kein Diebstahl – jedenfalls nicht im strafrechtlichen Sinne. Da es sich um Wildpflanzen handele, also um kein direktes Eigentum, lägen hier Ordnungswidrigkeiten vor, erklärt Graupner. „Das kann Geldbußen von bis zu 2500 Euro oder in besonders schweren Fällen sogar bis zu 10 000 Euro nach sich ziehen.“

Erwischt ein Sammler dann noch eine geschützte Pflanze wie den Märzenbecher, befände man sich schnell im Bereich einer Umweltstraftat – ein Fall für den Staatsanwalt.

Giftpflanzen sehen Bärlauch ähnlich

Die mutmaßlichen Täter:innen seien oft russisch oder tschetschenisch, teilte die Polizei mit. „Wir wissen auch, dass die Mengen von über 100 Kilogramm verwendet werden, um sie anschließend zu versenden und Geschäft damit zu betreiben“, sagt Graupner. Der gastronomische Bereich liege nahe. 

Leidtragende des Ganzen könnten hierbei vor allem die Sammler:innen selbst oder die Konsument:innen am Ende der Kette sein. Marko Reimann, seit einem Jahr Ranger im Connewitzer Forst, erinnert sich: „Letztes Jahr haben wir einen Beutel mit Geflecktem Aronstab sichergestellt“. Der Bärlauch-Pflanze im jungen Stadium zum Verwechseln ähnlich, handele es sich beim Gefleckten Aronstab um eine Giftpflanze. Auch das giftige Maiglöckchen sei schon darunter gewesen. Die Gefahren laut Kliniken: Rötung, Erbrechen, Krampfanfälle, selten auch Herzrhythmusstörungen. 

Bärlauch-Kriminelle schaden dem Wald

Das eigentliche Problem der Bärlauch-Raubzüge sei aber die Störung des Waldes. „Für die Tiere und vor allem für den Nachwuchs ist das der Beginn einer sensiblen Zeit: der Brut- und Setzzeit.“ Durch die Arbeit der illegalen Sammler:innen würden sensible Bereiche zertrampelt und vermüllt, schützenswerte Pflanzen wie der Märzenbecher zerstört. Die massiven Eingriffe in den Boden seien zudem schädlich für den Wald. 

„Aber für den Bärlauch sehen wir das als ganz unproblematisch“, sagt Reimann. Der Vorrat in den Leipziger Wäldern scheint tatsächlich nur schwerlich erschöpfbar. Auch im Auwald an den bis vor wenigen Tagen noch kahlen Stellen, zwischen leeren Croissant-Tüten und Fertigkaffees der Sorte Karamell, wachsen die jungen Bärlauch-Pflanzen schon wieder.  

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