Mit welcher Sprache präsentieren sich die Parteien im Landtagswahlkampf? Forscher:innen der Marburger Universität haben Slogans, Spots und Social-Media-Auftritte analysiert. Danach werben die Parteien teils mit neuen Strategien.
Mal bodenständig, mal schrill, mal „weichgespült“: Die Sprachwissenschaftlerin Constanze Spieß von der Marburger Philips-Universität hat die Aussagen der Parteien im hessischen Landtagswahlkampf unter die Lupe genommen. Manche sind altbekannt – aber es gibt auch neue Aspekte, durch die sich die Kampagnen von früheren Wahlkämpfen unterscheiden, wie sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte. Hier einige ihrer Befunde.
Expertin: CDU setzt auf Kritik an Bundesregierung
Bei der CDU sieht sie viel Kritik an der Bundesregierung, etwa wenn für Klimaschutz „ohne Verbote“ plädiert werde – „das richtet sich eigentlich an die Bundespolitik“, sagte die Wissenschaftlerin. Teils wähle die CDU auch eine „sehr plastische Sprache“, was die Zuwanderung angehe – etwa mit dem Slogan „Zuwanderung steuern – mit Herz und Härte“.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) inszeniere sich zugleich als klassischer fürsorgender Landesvater. Von der Bedeutung her vage sei der Slogan „Hessen weiter führen“ – er könne so verstanden werden, dass Rhein die hessische Landesregierung weiterhin führen wolle oder dass sich Hessen weiterentwickeln müsse.
Grüne betreiben „bodenständigen Wahlkampf“
Die Grünen betreiben nach Einschätzung von Spieß „einen relativ bodenständigen Wahlkampf“, wie sich auf den Plakaten zeige. Stilistisch näherten diese sich dabei an SPD und CDU an, es seien Persönlichkeiten zu sehen, die mit anderen Menschen in Alltagssituationen interagieren, und es würden Themen aufgegriffen, die auch immer auf andere Gruppen von Adressat:innen zugeschnitten seien, etwa durch den Slogan „Öko. Wie in Ökonomie„.
Linke legen Fokus auf Klima
Die Kampagne der Linken sei vor allem durch Kapitalismus-Kritik und somit Kontinuität geprägt. Relativ neu sei aber, dass auch die Linken versuchten, „in allen Themenbereichen das Thema Klima unterzubringen“. So werde der Ausdruck „klimagerecht“ sehr häufig verwendet.
Wie die anderen Parteien auch vermeide die Linke aber weitgehend, von „Klimakrise“ oder „Klimakatastrophe“ zu sprechen. „Das hat damit zu tun, dass Ausdrücke wie Krise, Katastrophe sehr schnell ein negatives Bild erzeugen oder mit negativen Aspekten in Verbindung gebracht werden, und im Wahlkampf möchte man ja auf die positiven Seiten der eigenen Politik verweisen.“
AfD ändert Sprach-Stil
Auffällig war für die Sprachwissenschaftlerin auch ein veränderter Stil der AfD-Wahlplakate: Diese wirkten „zunächst recht weichgespült„, etwa wenn darauf zu lesen sei: „Wir setzen Grenzen“ – nebst einem Zaun, den man an Baustellen finden könne. „Hier spielt die AfD sehr stark mit Vagheit, weil das natürlich einen Raum für Assoziationen aufmacht und noch andere Bedeutungen zulässt“, sagte Spieß. „Wir kennen ja die Politik der AfD, und damit ist natürlich Zuwanderung gemeint und nicht irgendwie eine Baustelle an einer Straße.“
Auch im Wahlprogramm der AfD falle auf, dass nicht mehr so häufig von „deutscher Bevölkerung“, sondern von „einheimischer Bevölkerung“ gesprochen werde. Statt von „Ausländern“ sei von den „auswärtigen Kräften“ die Rede. „Das ist eine Strategie, die auch typisch für Populismus ist, dass man sich jederzeit aus Angriffen zurückziehen kann“, sagte Spieß.
FDP mit „schrillem Auftreten“
Ein „relativ schrilles Auftreten“ habe die FDP auf ihren Plakaten – bis hin zu Wortspielen wie „Feuer und Flamme für Hessen“, das an eine Dokutainment-Serie über den Berufsalltag der Feuerwehr des WDR erinnere, oder Slogans wie „Make Inflation small again„, der auf den früheren US-Präsidenten Donald Trump anspiele. „Ich denke, dass sie die Strategie fahren, provokativ zu sein mit ihren Slogans, um überhaupt im Gespräch zu sein, weil sie fürchten, nicht in den Landtag zu kommen“, sagte Spieß.
Expertin: Wahlkampfsprache „unaufgeregt“
Insgesamt sei es ein sprachlich „unaufgeregter Wahlkampf“, sagte Spieß. „Das liegt vor allem daran, dass wir zwei Parteien haben, die an der Regierungsmacht bleiben wollen, das sind die Grünen und die CDU.“ Auch einen generellen, allerdings schon seit längerem beobachtbaren Trend zur Personalisierung hat sie ausgemacht – viele Politiker:innen präsentierten sich mit ihren persönlichen Werdegängen im Netz. Durch diese persönlichen Erzählungen werde viel Pathos erzeugt.
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