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Pestizid-Zulassung: Haben Konzerne Studien bewusst zurückgehalten?

Pestizide
Foto: CC0 Public Domain / unsplash - Jan Kopřiva

Zwei Wissenschaftler:innen der Universität Stockholm haben herausgefunden: Immer wieder haben Konzerne Studien bei der Zulassung von Pestiziden zurückgehalten. Das dürfte den Forschenden zufolge nicht möglich sein.

Bei der Zulassung von Pestiziden haben Konzerne den europäischen Behörden einer Studie zufolge Untersuchungsergebnisse vorenthalten. Das berichten zwei Forschende der Universität Stockholm im Fachblatt Environmental Health. Dabei geht es um Studien zur sogenannten Entwicklungsneurotoxität (englisch: Developmental Neurotoxicity, DNT) also dazu, ob Wirkstoffe das sich entwickelnde Nervensystem schädigen können.

Konzerne haben Untersuchungen zu Wirkstoffen zurückgehalten

Axel Mie und Christina Rudén war demnach zunächst aufgefallen, dass eine Studie von 2001 zu neurotoxischen Effekten des Wirkstoffs Glyphosat-Trimesium nie bei den EU-Zulassungsbehörden eingereicht worden war. Daraufhin glichen sie generell für Pestizid-Wirkstoffe ab, welche DNT-Studien Hersteller bei der US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) eingereicht hatten und welche bei europäischen Zulassungsbehörden.

Resultat: 9 von 35 bei der EPA eingereichten Studien wurden in der EU nicht vorgelegt – das entspricht 26 Prozent. Bei 7 davon, so heißt es in der Studie der beiden Forschenden aus Stockholm weiter, hätten die Ergebnisse Einfluss auf den Zulassungsprozess haben können.

Agrarkonzern Syngenta hielt Untersuchungen zu Abamectin zurück

2009 wurde in der EU laut Spiegel das Pestizid Vertimec Pro des Agrarkonzern Syngenta mit dem Wirkstoff Abamectin zugelassen. Das Unternehmen hatte zuvor zwei Untersuchungen an Tieren nicht eingereicht. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass Abamectin bei weiblichem Rattennachwuchs eine sexuelle Entwicklung verzögern kann. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erfuhr erst Jahre später von den Untersuchungen. In einem neuen Risikobericht der Behörde von 2021 hießt es daher: Man könne ein „akutes Risiko“ für Menschen nicht ausschließen, die mit Abamectin behandeltes Obst- und Gemüse konsumieren. Seitdem hat die EFSA den Einsatz von Abamectin bei der Schädlingsbehandlung von Äpfeln, Birnen und Erdbeeren eingeschränkt.

Ein wiederkehrendes Problem

Warum die Untersuchungen nicht eingereicht wurden, sei letztlich unklar. „Wir wissen nicht, was sich die Hersteller in diesen Fällen gedacht haben, aber wir wissen, dass ein Pestizid, das bekanntermaßen Hirnschäden verursachen kann, möglicherweise nicht auf dem EU-Markt erlaubt wird“, wird Mie in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.

Generell scheine es sich nicht um Ausnahmen zu handeln, sondern um ein wiederkehrendes Phänomen – obwohl die Unternehmen verpflichtet seien, wichtige Daten vorzulegen. „Angenommen, eine Nicht-Offenlegung geht auf die Absicht zurück, das Einreichen von Daten zu vermeiden, die eine Zulassung unwahrscheinlicher machen würden, dann ist vorstellbar, dass eine Studie, die auf eine bedeutende Gefahr hinweist, einem erhöhten Risiko der Nicht-Offenlegung unterliegen würde“, schreibt das Duo.

Dieses Risiko müsse zum Schutz der europäischen Verbraucher:innen minimiert werden, heißt es weiter. Dazu gelte es zu gewährleisten, dass sämtliche Studien in Laboren mit hohen Standards vorgenommen werden. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, sollten diese von den Behörden beauftragt werden, nicht von den Unternehmen. Und letztlich sollten die EU-Behörden prüfen, ob ihnen tatsächlich alle verfügbaren Studien vorliegen.

So rechtfertigen sich die Konzerne

„Wir haben zu jeder Zeit die nötigen Studien eingereicht, die nach den damaligen Regularien gefordert waren“, schreibt der in der schwedischen Studie namentlich genannte Konzern Bayer auf Anfrage. „Da sich die Regulierungsprozesse über die Jahre entwickeln, können heute bei ähnlichen Wiederzulassungen Studien gefordert werden, die beispielsweise vor 15 Jahren noch nicht gefordert waren. Bei allen drei Wirkstoffen gilt: Die von Ihnen angesprochenen Studien hätten die Risikobewertung der Behörden nicht verändert.

Auch das genannte Chemieunternehmen Syngenta aus Basel weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. DNT-Studien seien nur für Anträge in den USA erstellt worden. In der EU würden andere Studien verlangt. „Es gibt keine unvorgelegten DNT-Studien von Syngenta in der EU oder der Schweiz“, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens. „Auf spätere Anfragen der EU wurden alle Studien von Syngenta vorgelegt.“

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