Sie stecken etwa in Anoraks, Pfannen oder Kosmetik – aber auch im Trinkwasser: die Ewigkeitschemikalien PFAS. Eine Studie des BUND hat sie in deutschem Wasser nachgewiesen. Grenzwerte werden wohl nicht überschritten – doch Experten sind besorgt.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnen vor sogenannten Ewigkeitschemikalien im deutschen Trinkwasser. Allerdings lägen die Werte für diese als PFAS bekannten Substanzen durchgehend unter den geltenden Grenzwerten, teilten die Verbände am Dienstag unter Bezugnahme auf einen Trinkwassertest des BUND mit. Die tägliche Aufnahme dieser sehr stabilen Chemikalien über das Trinkwasser sei vergleichsweise gering.
Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) sind extrem langlebig, bauen sich in der Umwelt nicht ab und können sich im menschlichen Körper anreichern. Wegen dieser Eigenschaften werden sie auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt. Einige sind bereits weitgehend verboten – doch zahlreiche sind noch im Einsatz.
PFAS werden für diverse Produkte genutzt, etwa in Funktionskleidung, Pfannen mit Antihaft-Eigenschaften, Pappverpackungen, Backpapier und Zahnseide. Auch in diversen Industrieprozessen sind sie etabliert. Ihr jahrzehntelanger Einsatz hat jedoch Spuren hinterlassen: Eine medienübergreifende Recherche identifizierte 2023 17.000 Standorte mit PFAS-Verschmutzung in Europa, auch in verschiedenen Regionen Deutschlands. Selbst wer keine Produkte mit den Ewigkeitschemikalien verwendet, kann etwa über die Nahrungskette oder das Trinkwasser mit ihnen in Berührung kommen.
Trinkwasserstudie des BUND: So wurde getestet
In der Pressemitteilung erklärt der BUND, wie die Studie durchgeführt wurde. Im November und Dezember 2023 wurden fünf Mineral- und zehn Leitungswasserproben im Labor auf jeweils drei Chemikalien untersucht: Trifluoressigsäure (TFA), Melamin, Benzotriazole (Leitungswasser) und 1,4-Dioxan (Mineralwasser). TFA gehört zur Gruppe der PFAS. Alle vier Chemikalien sind schlecht abbaubar und laut BUND besonders trinkwassergefährdend.
Die Leitungswasserproben wurden in den Wohnorten deutscher EU-Politiker:innen genommen, teilweise von ihnen selbst. Konkret stammen sie aus Berlin, Frankfurt am Main, Stuttgart, Osnabrück, Kiel, Burgdorf, Celle, Neustadt an der Weinstraße, Meschede und dem EU-Parlament in Brüssel. Der BUND verweist als Erklärung darauf, dass Schadstoffe auf europäischer Ebene durch die EU-Institutionen reguliert und beschränkt werden.
Beim Mineralwasser handelt es sich um die Sorten Spreequell (aus Brandenburg), Gerolsteiner Naturell (aus Rheinland-Pfalz), Hassia Still (aus Hessen), Naturell Mierbachquelle (aus Hessen) und Saskia Medium Wörth am Rhein Lidl (aus Rheinland-Pfalz).
Der NGO zufolge wurde kaltes Wasser erst abgefüllt nachdem der Wasserhahn fünf Minuten lief. So soll verhindert werden, dass häusliche Rohrverunreinigungen die Messwerte beeinflussen. Die Leitungswasserproben wurden in Glasflaschen, das Mineralwasser in original PET-Flaschen an ein akkreditiertes Trinkwasserlabor gesendet und analysiert.
PFAS in 8 von 10 Leitungswasserproben: Grenzwert eingehalten
Das Ergebnis des Tests fiel eindeutig aus: In neun von zehn Leitungswasserproben und in drei von fünf Mineralwässern seien Schadstoffe nachgewiesen worden. Die Schwelle der geltenden Grenzwerte wurde dabei aber nicht überschritten. Am häufigsten wurde die PFAS-Chemikalie Trifluoressigsäure gefunden. Sie wurde in drei Mineralwassersorten und acht Leitungswasserproben bestimmt.
Doch auch Melamin, das etwa in Kinder- und Campinggeschirr zu finden und vermutlich krebserregend ist, wurde mehrfach nachgewiesen. Die dritte Stoffgruppe, Benzotriazole, potenzielle hormonelle Schadstoffe, fanden sich in zwei Wasserproben.
Im Leitungswasser des Europaparlaments in Brüssel wurde die höchste PFAS-Konzentration mit 1100 ng/L Trifluoressigsäure gemessen. In Berlin wurden in der Testreihe die meisten Chemikalien gefunden: Trifluoressigsäure, Melamin und mehrere Benzotriazol-Verbindungen. Gesundheitliche Leitwerte wurden in keiner Probe überschritten.
„Keine akute Gesundheitsgefahr“
Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt erklärte in der Pressemitteilung: „Seit über 70 Jahren imprägnieren wir unsere Umwelt mit PFAS. Dies hat auch zur Belastung unseres Trinkwassers geführt. Die gute Nachricht ist: Eine akute Gesundheitsgefahr geht von Leitungs – und Mineralwasser nicht aus.“ Dennoch verdeutliche der BUND-Test das Ausmaß der Verschmutzungskrise. Bandt schätzte die PFAS-Belastung grundsätzlich als schädlich für Mensch und Umwelt ein.
BDEW-Hauptgeschäftsführer Martin Weyand sagte, zunehmende Schadstoffeinträge belasteten die Rohwasserressourcen. Das mache die Trinkwasseraufbereitung immer teurer. „Notwendig ist daher eine wirksame Strategie, um weitere zukünftige Einträge von PFAS zu vermeiden“, erkärte Weyand. Er forderte die Vermeidung von Schadstoffeinträgen direkt an der Quelle. Wichtig sei eine verursachergerechte Kostenverteilung. „Hersteller müssen zahlen.“ Weyand forderte einen Fonds, in den Industrie und Handel einzahlen sollten, um volkswirtschaftliche Kosten der PFAS-Verschmutzung zu übernehmen.
Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge wurden bei hohen Konzentrationen bestimmter PFAS höhere Cholesterinspiegel oder niedrigere Geburtengewichte beobachtet, bei Kindern eine geringere Konzentration an Antikörpern nach üblichen Impfungen.
In Tierversuchen wirkten bestimmte PFAS leberschädigend, entwicklungstoxisch und beeinträchtigten den Fettstoffwechsel, die Schilddrüsenhormonspiegel und das Immunsystem. Einige PFAS stehen außerdem im Verdacht, bei Versuchstieren Krebs zu erzeugen. Zum Krebsrisiko vieler PFAS beim Menschen liegen kaum Daten vor.
Verwendete Quellen: Pressemitteilung BUND, Studie, BfR
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