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Radioaktiv belastete Schweine: Studie bringt unterschätzte Quelle ins Spiel

Radioaktiv belastete Schweine: Studie bringt unterschätze Quelle ins Spiel
Foto: Lino Mirgeler/dpa

Vor allem bayerische Wildschweine sind noch immer mit Cäsium 137 belastet. Nun zeigt eine Studie: Grund hierfür sind Atomwaffentests – nicht nur das Reaktorunglück von Tschernobyl.

Auch Jahrzehnte nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl überschreiten die Werte radioaktiven Cäsiums 137 in bayerischen Wildschweinen nach wie vor den für das radioaktive Isotop ermittelten Grenzwert.

Einer kürzlich durchgeführten Studie zufolge gehe die teils hohe radioaktive Belastung vor allem bayerischer Wildschweine nicht nur auf die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl aus dem Jahr 1986 zurück – sondern zu zwei Dritteln auf Atomwaffenversuche, die in den Fünfzigerjahren oberirdisch durchgeführt wurden.

Der sogenannte Fallout jener Atomtests habe sich weltweit verteilt und sich so auch vermehrt in Bayern niedergeschlagen. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) mit Bezug auf die kürzlich im Fachmagazin „Environmental Science & Technology“ veröffentlichten Studie. Geleitet wurde sie von einem Forscher:innen-Team um den Radioökologen Georg Steinhauser von der Technischen Universität Wien.   

EU-Grenzwert von Cäsium 137 deutlich überschritten

Die Forschenden untersuchten im Rahmen ihrer Studie rund 50 Wildschweine, die zwischen 2019 und 2021 in Bayern erlegt worden waren. Hierbei stellten die Wissenschaftler:innen eine Cäsium-137-Belastung der Tiere von 370 bis zu 15.000 Becquerel pro Kilogramm fest. Den EU-Grenzwert für den Verzehr von 600 Becquerel überschreiten die im Rahmen der Studie ermittelten Werte damit um das bis zu 25-Fache.

Bisher wurde angenommen, dass der Reaktorunfall von Tschernobyl die Hauptquelle für das anhaltende Vorkommen des radioaktiven Isotops Cäsium 137 in Wildtieren sei, erläuterte der Radioökologe Steinhauser laut dpa.

Infolge einer detaillierten Analyse der Isotope stellten sie nun aber fest, dass das bei Atomwaffenversuchen ausgetretene Cäsium 137 erheblich zur Belastung der Wildschweine beiträgt. Die veröffentlichte Studie sei die erste, die das aus überirdischen Atomwaffentests entstandene und abgelagerte Cäsium quantifiziere, erklärte Steinhauser.

Studie legt Ursachen für Cäsium-Belastung offen

Obwohl Atomwaffentests als Quelle für die Ablagerung radioaktiven Cäsiums keine neue Erkenntnis sind, ging die Forschung bislang davon aus, dass nur etwa 10 Prozent der radioaktiven Substanz auf überirdische Atomtests zurückzuführen sei – und 90 Prozent auf das Reaktorunglück von Tschernobyl, verdeutlichte Steinhauser.

Die neuen Studienergebnisse korrigieren diese Einschätzung nun: Im Rahmen ihrer Analysen ermittelten die Forschenden um Steinhauser, dass die Cäsium-Belastung bayerischer Wildschweine bis zu 68 Prozent auf Atomwaffenrückstände zurückgehe – ein überraschend hoher Anteil. 

Um die Herkunft der radioaktiven Belastung festzustellen, bestimmte die Wissenschaftler:innen das Verhältnis von Cäsium 135 zu Cäsium 137. „Selbst wenn es Tschernobyl nicht gegeben hätte, würden einige Proben den Grenzwert überschreiten“, gab Steinhauser laut dpa an.

Der Experte erklärt, dass hierfür vor allem der Hirschtrüffel, eine unterirdisch wachsende Pilzart, verantwortlich sein dürfte. Da das Cäsium nur langsam durch den Boden wandere, komme es auch erst spät bei dem Pilz an. „So erklärt sich, dass das alte Cäsium überproportional im Wildschwein ist – das Tschernobyl-Cäsium ist beim Hirschtrüffel noch gar nicht in vollem Ausmaß angekommen“, stellte Steinhauser fest.

Cäsium-137 schädigt das Erbgut

Cäsium-137 ist ein radioaktives Isotop, das nicht in der Natur vorkommt. Es kann sich nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) im Knochengewebe einlagern und dort das Erbgut schädigen.

Langfristig kann das zu Knochenkrebs und Leukämie führen. Jäger:innen und auch Pilzsammler:innen sollten sich über ihre zusätzliche Strahlendosis durch den Verzehr von Wildpilzen und Wildbret informieren, schreibt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auf seiner Internetseite.

Verwendete Quelle: dpa, Environmental Science & Technology

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