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Kontroverse um CO2-Rechner: Umweltbundesamt in Kritik

Heizen mit Holz: Warum das keine gute Idee ist
Foto: Pexels / Craig Adderley

Der CO2-Rechner des Umweltbundesamts weist seit kurzem die Emissionen durch Holzheizungen aus. Dafür erntet die Behörde Kritik: Ihr werden „Ideologie“ und „Interessenskonflikte“ vorgeworfen. Ist das Heizen mit Holz nun klimaneutral – oder nicht?

Mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamts (UBA) kann man unkompliziert den eigenen CO2-Fußabdruck berechnen – auch auf Utopia.de haben wir das Online-Tool empfohlen. Dafür muss man lediglich einige persönliche Angaben eintippen, etwa die Wohnungsgröße und Heizmethode, Infos zur Ernährung, Auto und Reisen.

Doch aktuell stehen das Tool und die Behörde dahinter in der Kritik, wie unter anderem Klimareporter berichtet. Dabei werden zum einen die Annahmen zu Emissionen von Holz-Heizungen bemängelt, zum anderen vermutet man Interessenskonflikte.

UBA passt CO2-Rechner an – und erntet Kritik

Das UBA hatte im März die Berechnungsweise des CO2-Rechners angepasst: Seitdem erscheinen höhere CO2-Werte, wenn man dort angibt, mit Holz zu heizen. Bei Verbrennung einer Tonne Holzpellets verbucht der Rechner nun circa 1,77 Tonnen CO2-Ausstoß.

Für die neue Berechnungsweise erntete das UBA Kritik: Roland Irslinger, ein pensionierter Professor für Waldökologie, argumentierte beispielsweise in einem offenen Brief an das Amt unter anderem, dass Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft CO2-neutral sei. Denn bei Verbrennung werde nur das CO2 freigesetzt, das der Wald zuvor gebunden hat. Außerdem seien bewirtschaftete Wälder wichtig für den Klimaschutz, da sie nur durch Nutzung dauerhaft als CO2-Senke dienen könnten. Zu diesem Ergebnis kommen auch diverse Studien, die Irslinger auch unserer Redaktion zukommen ließ.

Das UBA hält – ebenfalls in einem offenen Brief – dagegen, dass die Verbrennung von Holz durchaus CO2-Emissionen verursache, die nicht ignoriert werden dürften, auch wenn sie später durch Waldwachstum kompensiert würden. Außerdem würde nicht jedes Holz, das man verbrennt, sonst verrotten. Das Amt verweist auf alternative Verwendungsmöglichkeiten für Holz, die die CO2-Speicherung verlängern und den Klimaschutz effektiver gestalten. Beispielsweise könne man aus dem Holz langlebige Produkte wie Möbel herstellen oder es im Bauwesen verwenden.

„Interessenskonflikte“ auf beiden Seiten?

Inzwischen hat sich die Debatte ausgeweitet. In YouTube-Videos etwa wirft ein Forstwissenschaftler im Ruhestand, Andreas Schulte, dem UBA vor, mit seinem Rechner Holzenergie zu „diskriminieren“. Dies geschehe mit Absicht und „ideologiebasiert“. Wie Klimareporter recherchierte, ist der Professor für Forstwirtschaft dabei selbst als geschäftsführender Gesellschafter eines Beratungsunternehmens für Wald-Investitionen tätig, der der Silvavest GmbH.

Abgeordnete von AfD, CDU und CSU haben seine Bedenken aufgenommen – und vermuten ihrerseits, das UBA könne voreingenommen sein: Die Union erkundigt sich in einer Anfrage an die Bundesregierung unter anderem zu möglichen „Interessenskonflikten“: Laut Anfrage sei der UBA-Mitarbeiter Dr. Michel Bilharz, der für den CO2-Rechner verantwortlich ist, als auch für den Verein „3 fürs Klima“ tätig.

Dieser Verein betreibt eine Kooperation mit dem Umweltbundesamt und bietet eine größere Version des CO2-Rechners an. Er sammelt zudem Spenden für Klimaschutzprojekte. Die Union wollte in ihrer Anfrage wissen, ob die Bundesregierung hier einen Interessenskonflikt sieht – da der Verein mit möglichst hohen Angaben zum CO2-Fußabdruck das Spendenaufkommen in die Höhe treiben könnte.

CO2-Rechner: Umweltbundesamt streitet Vorwürfe ab

Klimareporter zitiert Antworten des UBA und von Bilharz auf die Vorwürfe. Demnach betreue der UBA-Mitarbeiter zwar den CO2-Rechner, „ohne allerdings Entscheidungsbefugnis zu besitzen.“ Der Verein erhalte für die Kooperation kein Geld und auch Bilharz‘ Stelle sei ehrenamtlich.

Die Spenden durch den Rechner haben 2023 ein Prozent des Spendenaufkommen ausgemacht. Das UBA sieht deshalb keinen „Interessenskonflikt“ und bezeichnet die Kooperation mit „3 fürs Klima“ als „sinnvoll“. Eine Verlinkung zur Seite des Vereins hat das Amt inzwischen gelöscht.

Ist Heizen mit Holz klimaneutral?

Die entscheidendere Frage als jene nach Interessenskonflikten ist: Ist Heizen mit Holz tatsächlich klimaneutral oder nicht? Fakt ist: Verbrennt man Holz, wird CO2 freigesetzt. Davor hat das Material aber auch genau so viel CO2 gebunden. Aus diesem Grund gilt Holz nach der Erneuerbaren-Richtline der EU als klimaneutrale, erneuerbare Energie.

Allerdings: Auch durch das Fällen, den Transport und die Bearbeitung des Materials fallen Emissionen an. Für eine ausgewogene Bilanz müsste man genug Holz zeitnah nachwachsen lassen, um dieselbe Menge an Emissionen wieder zu binden, argumentierte das UBA 2023 gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Dies mag in nachhaltig bewirtschafteten Wäldern der Fall sein. Doch das Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) Heidelberg schreibt in einem Papier, an dem sich das UBA bei seiner Anpassung des CO2-Rechners orientiert, die Vorstellung vom Emissionskreislauf sei „zu kurz gefasst beziehungsweise idealisiert, vor allem in globaler Perspektive halten sich das Wachstum von Bäumen und die Nutzung von Holz nicht zwangsläufig die Waage.“

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) räumt zwar die Rolle der nachhaltigen Waldnutzung ein, betont aber, dass die Verbrennung von Holz CO2-Emissionen verursacht und die Kohlenstoffbindung im Wald besser für den Ausgleich anderer Emissionen genutzt werden sollte. Das Ministerium sieht Heizen mit Holz nicht als klimaneutral und „nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen“ als klimaverträglich an – das UBA hat sich bei der Neubewertung auch auf diese Aussage gestützt.

500 Wissenschaftler:innen haben sich ebenfalls gegen eine zunehmende Holzverbrennung zur Energiegewinnung ausgesprochen. Schon 2021 schrieben sie einen offenen Brief an Regierungen und die Europäische Kommission, wie die dpa berichtete. Darin warnen sie unter anderem, dass durch das Verfeuern von Holz für jede Kilowattstunde produzierter Wärme oder Strom wahrscheinlich zwei- bis dreimal so viel Kohlenstoff in die Luft gelange wie durch Kohle oder Gas.

„Es geht hier um eine angemessenere Bilanzierung der Holzverbrennung, nicht um ein Verbot“, betont Bilharz gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Weil die Zahl der Biomasse-Heizungen stark angestiegen sei, gehe es darum, „den weiteren Ausbau zu stoppen und stattdessen nachhaltigere Verwendungswege für Holz und Holzreste aufzubauen.“

Eine genauere Betrachtung von Heizen mit Holz findest du hier:

Verwendete Quellen: Klimareporter, Stuttgarter Zeitung, BMUV, dpa, YouTube/ CumTempore – Prof. Dr. Andreas Schulte, Anfrage der CDU/CSU „Hintergründe zum CO2-Rechner des Umweltbundesamts“, ifeu, Offener Brief Roland Irslinger, Offener Brief UBA

Hinweis: Dieser Artikel wurde am 11.10.2024 redaktionell überarbeitet.

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