So teuer ist die Klimakrise in deinem Bundesland – und wieso wir alle dafür zahlen müssen

So teuer ist die Klimakrise für dein Bundesland – und wieso wir alle dafür zahlen müssen
Foto: Boris Roessler/dpa

Wie viel kostet die Klimakrise aktuell schon? Und wo sind die Schäden besonders hoch? Versicherungsdaten, die CORRECTIV.lokal untersucht hat, geben einen ersten Eindruck. Für die Kosten müssen letztlich wir alle aufkommen.

Die Klimakrise sorgt dafür, dass Extremwetterereignisse wie Hitze, Sturm, Starkregen und Überschwemmungen wahrscheinlicher werden – auch in Deutschland. Diese können für Menschen lebensbedrohlich sein und Existenzen gefährden, deshalb werden die Folgen viel diskutiert. Weniger im Fokus sind die finanziellen Belastungen, die die Klimakrise schon jetzt für Kommunen, Versicherungsunternehmen und Einzelpersonen auslöst.

Das Recherchenetzwerk CORRECTIV.Lokal hat untersucht, wie hoch das Schadensaufkommen in den verschiedenen Bundesländern ist. Dafür nutzte es Daten des Gesamtverbands der Versicherer (GDV). Diese zeigen, welche Bundesländer zwischen 2002 und 2022 durchschnittlich die größten Schäden an versicherten Wohngebäuden zu verzeichnen hatte.

Konkret geht es um Schäden durch Sturm- und Hagelereignisse, welche eine Wohngebäudeversicherung abdeckt, sowie andere Naturgefahren wie Überschwemmungen oder Starkregen. Gegen letztere sichert meist nur eine Elementarschadenversicherung ab. Diese muss man als Erweiterung einer Wohngebäudeversicherung oder Hausratversicherung abschließen, oder in Kombination damit. Gerade Starkregen und Überflutungen werden dabei durch die fortschreitende Klimakrise immer wahrscheinlicher und häufiger.

Klimakrise: Dieses Bundesland hatte die höchsten Versicherungsschäden

Das Ergebnis der Recherche: Zwischen 2002 und 2022 gab es in Rheinland-Pfalz/ Saarland (- die Bundesländer sind im Datensatz des GDV zusammengefasst- ) die höchsten durchschnittlichen Schäden: Je versichertem Wohngebäude belief sich die Schadenssumme pro Jahr im Mittel auf 10.683 Euro. Am geringsten war der Wert in Thüringen mit 4.846 Euro Durchschnittsschaden pro Jahr und versichertem Wohngebäude.

Hier die Auflistung:

Bundesland Durchschnittsschaden pro Wohngebäude und Jahr (2002-2022, Euro)
Rheinland-Pfalz / Saarland 10.683 Euro
Bayern 7.631 Euro
Sachsen 7.154 Euro
Sachsen-Anhalt 6.797 Euro
Hessen 6.637 Euro
Nordrhein-Westfalen 6.345 Euro
Baden-Württemberg 6.303 Euro
Schleswig-Holstein / Hamburg 5.679 Euro
Berlin / Brandenburg 5.420 Euro
Niedersachsen / Bremen 5.153 Euro
Mecklenburg-Vorpommern 5.018 Euro
Thüringen 4.846 Euro

Allerdings handelt es sich um Durchschnittswerte aus einer Zeitspanne von 20 Jahren. Die Daten von CORRECTIV.Lokal zeigen weiter, dass die durchschnittlichen Schadenssummen je nach Bundesland und Jahr stark schwanken. Auch macht die Art des Schadens einen großen Unterschied:

Der Wert für Schäden durch Sturm und Hagel etwa war in Baden-Württemberg im Jahr 2013 am höchsten. Er betrug damals im Schnitt 5.899 Euro je versichertem Gebäude. In diesem Jahr richtete unter anderem ein gewaltiger Hagelsturm große Schäden in der Region Neckar-Alb an. Schadensschätzungen reichten von 2 bis 4 Milliarden Euro. Hagelschäden werden in einer Wohngebäudeversicherung versichert.

Die Elementarschadenversicherung hatte im Jahr 2021 in Rheinland-Pfalz/ Saarland mit Abstand die höchste durchschnittliche Schadenssumme – sie kommt auf durchschnittlich 102.478 Euro pro versichertem Wohngebäude. Damals kam es zu extremen Regenfällen und einer Jahrhundertflut im Ahrtal. Im Landkreis Ahrweiler wurden hunderte Gebäude zerstört und beschädigt, viele Menschen verloren ihr Leben.

„Erhebliche Schäden aus extremen Ereignissen“ zu erwarten

Reimund Schwarze, Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, gibt außerdem zu bedenken, dass die Daten nur versicherte Schäden abbilden. Doch die Versicherungsdichte in Deutschland sei sehr unterschiedlich. In Baden-Württemberg liege sie bei 95 Prozent, in Hamburg, Bremen und Niedersachsen nur bei 25 Prozent. „Hier sehen wir nur einen klitzekleinen Ausschnitt“, so der Wissenschaftler. Die tatsächlichen Schäden an Wohngebäuden können also viel höher liegen. „Der Ausschnitt bestätigt den Gesamteindruck, dass schon bis Mitte des Jahrhunderts erhebliche versicherte und unversicherte Schäden aus extremen Ereignissen auf uns zukommen“, betont Schwarze.

Wie viel uns die Klimakrise kosten kann, dazu gibt es verschiedenste Studien. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) kamen 2023 zu dem Schluss, dass wir in Deutschland bis 2050 mit gesamtgesellschaftlichen Schäden von mindestens 900 Milliarden Euro zu rechnen haben, sollten die Temperaturen stark steigen.

Bundesregierung: Elementarschadenabsicherung soll Pflicht werden

Die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse steigt mit der zunehmenden Erderwärmung. Die Effekte davon zeigen sich auch in den Daten der GDV deutlich. Summiert man etwa die Durchschnittsschäden pro Wohngebäude der verschiedenen Bundesländer, zeigt sich im zeitlichen Verlauf ein klarer Trend: Die Kosten nehmen zu. Deshalb wird es immer wichtiger, Gebäude gegen diese Schäden zu versichern.

Summe der Durchschnittsschäden an versicherten Wohngebäuden in allen Bundesländern je Jahr und Wohngebäude (in Euro) und Trendlinie
Für die Grafik wurden die Durchschnittswerte der Bundesländer addiert. Sie zeigt einen klaren Trend. (Foto: Utopia)

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag unter anderem festgeschrieben, dass Wohngebäudeversicherungen in Zukunft nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten werden sollen – auch sämtliche bestehenden Verträge sollen um einen solchen Schutz erweitert werden. Zudem sei eine „staatliche Rückversicherung für Elementarschäden“ geplant. Bei besonders großen Naturkatastrophen soll der Staat also einen Teil der Kosten übernehmen. Bisher haben nur etwa 54 Prozent aller Wohngebäude in Deutschland eine Versicherung gegen Elementarschäden, schreibt der GDV.

Warum auch Mieter:innen mehr zahlen müssen

Durch diese Maßnahmen wären Immobilienbesitzer:innen im Ernstfall besser abgesichert. Doch reicht das, um den Besitz im Falle von Extremwetterereignissen abzusichern?

Wenn durch die Klimakrise die Schadenssummen steigen, dann ist das nicht allein ein Problem für Versicherer, sondern kann auch auf Privatpersonen zurückfallen. Denn je öfter die Versicherung Schäden zahlen muss, desto teurer wird die Prämie. Diese Zusatzkosten betreffen nicht nur Eigenheimbesitzer:innen – Vermieter:innen können sie auf Mieter:innen umwälzen.

GDV-Pressesprecherin Katrin Jarosch erklärte gegenüber CORRECTIV.Lokal, dass es nach Schätzungen ihres Verbands innerhalb von 10 Jahren sogar zu einer „Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen“ könnte. Im schlimmsten Fall könnten Gebäudeversicherungen so teuer werden, „dass sich das Kunden und Kundinnen nicht mehr leisten können.“

Utopia meint: Versicherungen ersetzen keinen Klimaschutz

Die Elementarschadenversicherung zur Pflicht zu machen ist sinnvoll, konzentriert sich aber nur auf die Symptome des Problems, nicht seine Ursachen. Außerdem wird es auf lange Sicht nicht ausreichen, denn je schlimmer die Auswirkungen des Klimawandels, desto weniger erschwinglich wird dieser Schutz werden. Um Menschen aller Einkommensschichten abzusichern, braucht es also eine gerechtere Lösung.

Dies sollte die Regierung angehen. Vor allem sollte sie sich auf wirksame Klimaschutzmaßnahmen konzentrieren, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise – soweit noch möglich – zu begrenzen. Denn Studien (zum Beispiel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) belegen klar, dass Klimaschutzmaßnahmen sich finanziell lohnen – im Vergleich zu den zu erwartenden wirtschaftlichen Schäden, die ohne solche Schutzmaßnahmen drohen.

Währenddessen subventioniert die Bundesregierung den klimaschädlichen Energieträger Gas, will sogar die Gasförderung ausbauen, plant das Heizungsgesetz abzuschaffen und spielt Wirtschaft und Klima immer wieder gegeneinander aus. Insgesamt wirkt diese Politik zynisch – nach dem Prinzip: Zerstört ihr mal ruhig weiter das Klima, um die Kosten kümmert ihr euch dann ja eh selber.

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