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Sprache: Peta will kein Hühnchen mehr rupfen – und macht Gegenvorschlag

Statt „Hühnchen rupfen“: Peta schlägt Alternativen für Redewendungen vor
Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

„Ein Hühnchen rupfen“ oder „die Katze aus dem Sack lassen“: Sind diese Ausdrücke noch zeitgemäß? Tierschützer:innen schlagen Alternativen vor und erklären Zusammenhänge mit Speziesismus.

Althergebrachte Redewendungen, über die man kaum nachdenkt, können diskriminierend sein. Gehört dazu auch „Hühnchen rupfen“ oder „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“? Die Tierschutzorganisation Peta findet: ja. Das sei diskriminierend gegenüber den Tieren. Sie schlägt Alternativen vor: Statt Hühnchen rupfen Weinblätter rollen, statt Fliegen schlagen besser Erbsen auf eine Gabel laden. Peta steht für „People for the Ethical Treatment of Animals“ (Menschen für die ethische Behandlung von Tieren).

Petas Alternativen für Redewendungen: „Die vegane Calzone aufschneiden“

Der Vorstoß sei als Denkanstoß gegen die Tierausbeutung gedacht, sagt Biologin Yvonne Würz, bei Peta Fachreferentin Zoo und Zirkus, der Deutschen Presse-Agentur. Die Organisation hat vor zwei Jahren Alternativen für zehn Redewendungen entwickelt. Neben den Weinblättern und Erbsen kommt darin auch Calzone vor: statt „die Katze aus dem Sack lassen“ als Ausdruck für eine Überraschung schlägt sie „die vegane Calzone aufschneiden“ vor.

Es geht um Speziesismus, die Diskriminierung gegen Lebewesen aufgrund ihrer Spezie (Art). Oder, wie der vegan lebende Schauspieler Steffen Groth („Die Bergretter“, „Soko Leipzig“) für Peta in Audiospots sagt: „Speziesismus bedeutet, dass Menschen anderen Tieren alles nehmen, was ihr Leben ausmacht. Wir lassen sie leiden und ermorden sie millionenfach auf grausame Weise, weil unsere Lust auf Fleisch, Leder oder Wolle scheinbar wichtiger ist als ihr Leben.“

Aus der Sprachwissenschaft ist bekannt, dass Denkmuster geändert werden können, wenn die Sprache verändert wird. „Speziesismus ist in so gut wie jeder Hinsicht mit Rassismus und Sexismus vergleichbar, nur sind die Opfer der Diskriminierung halt Tiere statt Menschen“, sagt der Ökolinguist Reinhard Heuberger von der Universität Innsbruck der dpa. „Wenn die Möglichkeit besteht, das Mensch-Tier-Verhältnis über einen geänderten Sprachgebrauch zu verbessern, überwiegen aus meiner Sicht die Vorteile, solche Redewendungen zu ersetzen.“ Erst seit einigen Jahrzehnten finde langsam ein Kulturwandel statt.

Auch Vergleiche wie „dumme Gans“ diskriminieren Tiere

„Jahrhundertelang wurden Tiere ausschließlich unter dem Gesichtspunkt betrachtet, welchen Nutzen sie für die Menschen erbringen konnten“, schreibt Winfried Ulrich im Ethik-Buch „Menschen und andere Tiere“ der Philosophin Mara-Daria Cojocaru. Anthropozentrischer Sprachgebrauch heißt das: „Der Mensch gilt als das ‚Maß aller Dinge‘ und Tieren kommt nur insoweit Bedeutung zu, wie sie direkt oder indirekt menschlichen Interessen dienen“, so Heuberger. Ulrich bringt Beispiele, wie Tiervergleiche seit jeher für negative Charakterisierung der Menschen genutzt werden: etwa „dumme Gans“, „Rabeneltern“, „hundeelend“, „affig“, „krebsen“.

Schon die Bezeichnungen Nutztiere oder Schädlinge seien diskriminierend, sagt Peta-Fachfrau Würz. „Wir lernen dieses Denken von Kindesbeinen an und empfinden Speziesismus daher oft unbewusst als selbstverständlich. Diese Haltung ist aus unserer Sicht jedoch falsch, denn sie wurzelt in der Ausbeutung anderer Lebewesen“, sagt sie. Der Ausdruck „Tierbesitzerin“ reduziere das Tier auf einen Gegenstand, „so als wäre das Individuum ein lebloser Gegenstand, wie etwa ein Tisch oder ein Stuhl“. Tierhalterin sei besser, sagt sie.

Könnten Sprachvorschläge abschreckend wirken?

Heuberger sagt, Ökolinguist:innen seien sich der Gefahr bewusst, als Political-Correctness-Aktivist:innen abgestempelt zu werden. Mit politisch korrekter Sprache ist gemeint, keine Ausdrücke zu verwenden, die jemand anders als beleidigend oder herabwürdigend empfinden könnte. Es gibt auch eine Gegenbewegung, die solche Änderungen als Zensur oder Sprechverbote anprangert.

Weinblätter rollen statt Hühnchen rupfen – besteht da die Gefahr, dass Menschen, denen Tierwohl sehr wohl wichtig ist, aussteigen, weil es ihnen zu weit geht? „Absolut“, sagt Heuberger. „Wenn man den Menschen aber erklärt, dass es primär um Bewusstseinsschaffung geht, sind sie meistens bereit, sich damit auseinanderzusetzen.“ Es gehe bei der Sprachkritik ja nicht um Verbote. „Das geht für viele zu weit und ist aus meiner Erfahrung nicht zielführend.“

Bei englischen Redewendungen hat Peta teils pfiffige Lösungen gefunden, die näher am Original sind. „Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ heißt auf Englisch: „Kill two birds with one stone“. Die vorgeschlagene Alternative: „Feed two birds with one scone“ – auf Deutsch: statt „Zwei Vögel mit einem Stein töten“ neu „Zwei Vögel mit einem Gebäck füttern“.

Eine Linguistin hat 2023 untersucht, wie zielführend das ist, und kommt zu dem Schluss, dass die ähnlich klingenden Ausdrücke mehr Chancen haben, angenommen zu werden. Sie warnt in der Zeitschrift Acta Linguistica Lithuanica davor, dass Vorstöße, Redewendungen zu verändern, für die Tierrechtsbewegung auch nach hinten los gehen könnten, wenn solche Ansinnen als zu radikal oder weltfremd empfunden werden.

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