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„Verrat an älteren Frauen“: Schweizer Parlament will Klimaschutz-Urteil ignorieren

„Verrat an älteren Frauen“: Schweizer Parlament will Klimaschutz-Urteil ignorieren
Foto: CC0 Public Domain - Pexels/ allPhoto Bangkok

Das Schweizer Parlament hat angekündigt, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht umzusetzen. Dieser hatte die Klimaschutzmaßnahmen des Staates als unzureichend verurteilt, die Menschenrechte von Seniorinnen zu wahren. Die Co-Präsidentin des Vereins Klimaseniorinnen sieht in dem Entschluss Verrat an älteren Frauen.

Im April gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einer Klage des Schweizer Vereins Klimaseniorinnen statt. Dieser hatte argumentiert, dass die schwache Klimapolitik der Schweiz Menschenrechte älterer Frauen verletze – unter anderem ihr Recht auf Leben und auf Gesundheit. Denn der menschgemachte Klimawandel führt zu immer häufigeren und intensiveren Hitzeextremen und diese gefährden besonders die Gesundheit und das Leben älterer Frauen. 

Das Urteil gilt als bedeutsam, weil es Grundlagen für weitere Klimaklagen eröffnet. Außerdem setzte es die Schweizer Regierung unter Druck, ihre Klimapolitik nachzubessern.

Doch genau das könnte nicht passieren. Das Schweizer Parlament hat angekündigt, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht umzusetzen. Das berichtet unter anderem die Frankfurter Rundschau (FR). Anfang Juni hatte die kleine Kammer des Parlaments (Ständerat) eine entsprechende Erklärung abgegeben. Nun zog die große Kammer (Nationalrat) nach.

Die Co-Präsidentin des Vereins Klimaseniorinnen, Rosmarie Wydler-Wälti, bezeichnete die Entscheidung gegenüber FR als „Verrat an uns älteren Frauen und an all jenen, die heute und in Zukunft unter den realen Folgen der Klimaerwärmung leiden“ und eines Rechtsstaates unwürdig.

Schweiz wirft Europäischem Gerichtshof „Aktivismus“ vor

Links-grüne Vertreter:innen beider Kammern wären gegen die Entscheidung gewesen, berichtet FR. Das Parlament argumentierte, dass die Schweiz die Anfordungen aus Straßburg bereits erfülle, weshalb keine weiteren Maßnahmen nötig wären. Außerdem hätten die Richter:innen Grenzen überschritten, der Ständerat warf ihnen „richterlichen Aktivismus“ vor. Der Bundesrat solle dem Europarat eine entsprechende Position mitteilen.

Corina Heri, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Zürich, erklärte gegenüber dem Guardian: Das System würde zusammenbrechen, wenn viele Staaten anfangen würden, selbst zu entscheiden, welchen Urteilen sie folgen. „Das ist aus rechtsstaatlicher Sicht schrecklich„, so die Expertin.

Die Schweiz ist nicht Teil der EU, hat aber die europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Diese verpflichtet sie dazu, Urteile des Europäischen Gerichtshof umzusetzen.

Neue Klimaschutzmaßnahmen bereits umgesetzt

Tatsächlich haben die Schweizer Bürger:innen seit April neue Gesetze umgesetzt – auch solche, die auf Klimaschutz einzahlen. Zu ihnen zählt etwa ein Stromgesetz, welches erneuerbare Energien fördern soll. Dies wurde im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch nicht berücksichtigt.

Johannes Reich, Rechtsexperte von der Universität Zürich, erklärt gegenüber FR, die Schweiz sei auf dem Weg, die Anforderungen aus dem Urteil zu erfüllen. Diese Argumente müsse man jedoch gegenüber dem Ministerkomitee des Europarats anbringen, welches prüft, dass Urteile des Europäischen Gerichtshofs umgesetzt werden. Reich betont auch, dass das Parlament nicht für die Außenpolitik der Schweiz zuständig ist – dies sei Aufgabe des Bundesrates, der die Regierung der Schweiz bildet. Dieser hat angekündigt, sich nach der Sommerpause mit dem Urteil auseinanderzusetzen.

Verwendete Quellen: FR, Guardian

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