„Verschollen“ – Was du über schmutzige Geschäfte mit dem Klimaschutz wissen musst

Foto ARD

Klimaschutz, der vertreibt und zerstört? Die ARD-Doku „Verschollen“ zeigt, wie angeblich grüne Projekte zu Landraub, Monokulturen und Menschenrechtsverletzungen führen. Utopia.de ordnet die Recherchen ein, erklärt die großen Schwächen des CO2-Zertifikatehandels und zeigt, wann Aufforstung wirklich zum Klimaschutz beiträgt.

Klimaschutz als Deckmantel für Landraub und Korruption? Die ARD-Dokumentation „Verschollen“ von Daniel Harrich deckt auf, wie großangelegte Aufforstungsprojekte im brasilianischen Cerrado zu sozialen, ökologischen und ethischen Konflikten führen. Begleitet wird die Doku von einem Thriller mit Axel Milberg und Max Hubacher, der die fiktive, aber realitätsnahe Geschichte eines Vaters erzählt, der seinen verschwundenen Sohn im Urwald sucht und dabei auf ein System aus Greenwashing und Menschenrechtsverletzungen stößt.

Diese Probleme deckt „Verschollen“ auf

Monokulturen statt Vielfalt: Riesige Eukalyptus-Plantagen verdrängen die natürliche Savannenvegetation. Dadurch gehen Artenvielfalt, Wasserreserven und fruchtbare Böden verloren. Die ursprünglich artenreiche Cerrado-Landschaft wird durch monotone Baumreihen ersetzt, die dem Ökosystem mehr schaden als nutzen.

Problematischer „grüner Stahl“: Holzkohle aus brasilianischen Plantagen wird als klimafreundlich vermarktet, verschleiert aber ökologische und soziale Probleme. Die Stahlindustrie nutzt diese angeblich saubere Alternative, um ihr Image zu polieren, während die Konflikte vor Ort eskalieren.

Fragwürdige Aufforstungsprojekte: Darum sind die Erkenntnisse brisant

Die Doku begleitet eine wissenschaftliche Forschungsexpedition unter der Leitung von Prof. Dietrich Darr, die erstmals systematisch misst, wie viel CO2 tatsächlich gespeichert oder freigesetzt wird – vor und nach den Baumpflanzungen. Diese neuen Daten könnten bisherige Annahmen über die Klimawirkung vieler Aufforstungsprojekte grundlegend infrage stellen.

Gleichzeitig dokumentiert der Film detailliert die anhaltenden Zwangsenteignungen und Vertreibungen indigener und lokaler Gemeinden: Menschenrechtsverletzungen im Namen des Umweltschutzes.

Die Recherche führt in den brasilianischen Cerrado, die weltweit zweitgrößte Trockensavanne und eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde. Viele Aufforstungsprogramme, die offiziell als vorbildlich gelten, verursachen in der Praxis massive soziale und ökologische Schäden.

Besonders brisant: Die aufgedeckten Missstände betreffen auch neue Milliardenprogramme wie das Tropical Forest Forever Facility (TFFF), das pünktlich zur COP30 in Belém (Brasilien) vorgestellt wird – ausgerechnet in der Amazonas-Region, wo die Probleme auftreten.

CO2-Zertifikatehandel: Sinnvolles Instrument mit Umsetzungsproblemen

Die Doku zeigt eindrucksvoll, wie der Handel mit CO2-Zertifikaten missbraucht werden kann, etwa, wenn Unternehmen sich mit zweifelhaften Projekten „freikaufen“. Um zu verstehen, warum dieses System trotzdem wichtig bleibt und wo genau es versagt, lohnt sich ein genauer Blick auf seine Funktionsweise.

Der CO2-Zertifikatehandel ist grundsätzlich ein wichtiges Klimaschutzinstrument: Er setzt finanzielle Anreize, Emissionen dort zu senken, wo es am günstigsten und effizientesten ist und kann gleichzeitig Klimaschutzprojekte in anderen Regionen finanzieren. Das Problem liegt nicht im Prinzip, sondern in der mangelhaften Umsetzung und Kontrolle.

Was funktioniert:

Zertifikate können nachweislich reduzierte Emissionen belohnen und Kapital für messbare Klimaschutzprojekte mobilisieren, etwa im Bereich Erneuerbarer Energien, Energieeffizienz oder Methanreduktion.

Was schiefläuft:

  • Bei Aufforstungsprojekten fehlen oft wissenschaftliche Grundlagen, unabhängige Kontrollen und soziale Standards.
  • Viele Zertifikate werden verkauft, bevor überhaupt klar ist, ob soviel CO2 gebunden wird wie versprochen.
  • Unternehmen kaufen sich damit „frei“, ohne echte Emissionsreduktionen zu erreichen.

Was sich ändern muss:

  • Strengere Standards und regelmäßige wissenschaftliche Überprüfungen
  • Verbindliche Sozialkriterien und mehr Transparenz
  • Zertifikate sollten echte Klimaschutzprojekte ergänzen, nicht ersetzen

Nicht alle Aufforstung ist schlecht

„Verschollen“ deckt die Probleme großangelegter, profitorientierter Aufforstungsprojekte auf. Das bedeutet aber nicht, dass Aufforstung grundsätzlich schlecht ist. Es gibt Beispiele, bei denen Aufforstung tatsächlich zum Klimaschutz, Wasserschutz und zur Artenvielfalt beiträgt – vorausgesetzt, sie wird richtig umgesetzt.

Naturnahe und vielfältige Projekte können zur Kohlenstoffbindung beitragen, wenn sie regionale Wälder wiederherstellen und lokal angepasste Baumarten nutzen. Kleine, gemeinschaftsbasierte Initiativen mit Beteiligung der lokalen Bevölkerung zeigen, dass Aufforstung sozial gerecht und ökologisch wirksam funktionieren kann.

Die Kritik des Films sollte daher nicht gegen Aufforstung selbst gelesen werden, sondern gegen profitorientierte Projekte, die kurzfristige Gewinne über nachhaltige Wirkung stellen.

Fazit: Was „Verschollen“ über echten Klimaschutz zeigt

Klimaschutz und Profit gehen zusammen, aber nicht überall funktioniert das. Die ARD-Doku „Verschollen“ zeigt eindrucksvoll, wie Emissionshandel zur Farce wird: Konzerne kassieren, Wälder brennen, Menschen werden vertrieben.

Aufforstung kann echter Klimaschutz sein, aber nur, wenn sie sozial gerecht, ökologisch sinnvoll und transparent erfolgt. Nachhaltige Aufforstung braucht gemischte Baumarten, den Einbezug lokaler Gemeinden und strenge wissenschaftliche Kontrollen.

Marktinstrumente und CO2-Zertifikate sind grundsätzlich sinnvoll, aber sie müssen so gesteuert sein, dass sie unsere Lebensgrundlagen ernsthaft schützen und nicht weiter zerstören. Das bedeutet: strenge Standards, unabhängige Kontrollen und den Schutz lokaler Gemeinden vor Landraub. Ja, wir brauchen Marktinstrumente als Anreize und mehr Aufforstung – aber welche, die Menschen und Natur dienen, nicht nur Konzernbilanzen.

Die ARD zeigt den Themenschwerpunkt „Verschollen“ am Mittwoch, 12. November 2025:
Um 20:15 Uhr läuft der Politthriller „Verschollen – Tatort Amazonas“ mit Axel Milberg und Max Hubacher, im Anschluss um 21:45 Uhr folgt die Dokumentation „Verschollen – Die Doku: Schmutzige Geschäfte mit dem Klimaschutz“ von Daniel Harrich.

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