Deutsche Bahn und GDL bereiten sich auf neue Tarifverhandlungen ab November vor. Die GDL erwägt unbefristete Streiks – auch ein Streik zu Weihnachten sei denkbar.
Zugreisende müssen sich ab November möglicherweise wieder auf weitreichende Beschränkungen im Bahnverkehr einstellen – auch ein Streik an Weihnachten ist aktuell denkbar, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Für die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) gilt gegenüber der Deutschen Bahn noch bis zum 31. Oktober die Friedenspflicht. Denn bis dahin laufen die aktuellen Tarifverträge – solange darf es keine Warnstreiks geben. Im November werden Bahn und GDL dann zur nächsten Runde der Tarifverhandlungen übergehen.
Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky schließt auch die Weihnachtsfeiertage für einen Arbeitskampf nicht aus. Die Bahn habe der GDL mit den Verhandlungsterminen auch einen „Weihnachtsfrieden“ vorgeschlagen. „Das haben wir abgelehnt, weil wir die Entwicklung nicht kennen und weil wir nicht wissen, wie viel Verhandlungen wir bis dahin machen“, zitiert ihn die dpa.
GDL: Abstimmung über unbefristete Streiks
Mit Warnstreiks will sich Weselsky im Rahmen der anstehenden Tarifverhandlungen aber nicht lange aufhalten – und die GDL-Mitglieder zeitnah über unbefristete Streiks abstimmen lassen: „Warum soll ich in irgendeiner Form nur ein kleines Tamtam veranstalten, wenn ich weiß, dass es auf die andere Seite keine Wirkung entfaltet?“, sagt Weselsky weiter.
Von daher werde es seitens der GDL entweder überhaupt keinen Warnstreik geben – oder, wenn überhaupt, nur einen oder zwei. Um eine Wirkung zu entfalten, brauche es länger anhaltende Arbeitskampfmaßnahmen, für die sich die GDL aktuell noch rechtlich absichere.
Der Wille der GDL-Mitglieder muss den Tarifverhandlungen laut Weselsky in Form einer Urabstimmung „ein Stück weit“ vorangestellt werden. Gegenwärtig erörtere die GDL, ob eine Urabstimmung schon vor dem ersten Verhandlungstermin am 9. November möglich ist.
Folgendes fordert die GDL
Für Bahnreisende geht die Ungewissheit damit weiter. Bereits zweimal in diesem Jahr brachte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) den bundesweiten Bahnverkehr mit Warnstreiks zum Erliegen.
Der monatelange Tarifstreit zwischen EVG und der Bahn war erst mit einem Angebot zur Schlichtung seitens der DB Ende August beigelegt worden. Unterm Strich führte dies unter anderem zu 410 Euro mehr pro Monat für die Bahn-Beschäftigten sowie zu einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2850 Euro netto.
Nun ist die kleinere Konkurrenzgewerkschaft GDL an der Reihe. Unter anderem fordert sie mindestens 555 Euro mehr im Monat und ebenfalls eine Prämie zum Inflationsausgleich. Knackpunkt der Verhandlungen dürfte laut dpa-Angaben aber vor allem die Forderung nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit sein – von 38 auf 35 Stunden wöchentlich für Schichtarbeiter:innen ohne anteilige Lohnabsenkungen.
GDL-Vorstand Weselsky beklagte der dpa zufolge den Mangel an Lokführer.innen und Zugbegleiter:innen, Fahrdienstleiter:innen und Werkstattmitarbeiter:innen. Schuld daran sei nicht der demografische Wandel.
„Sondern es ist die Unattraktivität der Berufe, der Tätigkeiten, die im Eisenbahnsystem nun mal 24 Stunden, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr laufen“, betont Weselsky. Deshalb sei die Reduzierung der Arbeitszeit „ein Schritt, die Attraktivität der Berufe zu erhöhen und aufzuzeigen, dass auch in der Gesellschaft Anerkennung da ist“.
Tarifeinheitsgesetz dürfte für Diskussionen sorgen
In der anstehenden Verhandlungsrunde dürfte aber auch ein weiteres Thema erneut Gegenstand von Diskussionen werden – das umstrittene Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in einem Betrieb mit zwei konkurrierenden Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmer:innenvertretung gelten darf.
Unter den Hunderten Betrieben der Deutschen Bahn ist dies in der Regel die EVG. In den Dutzenden Tochterunternehmen bleibt die Frage zwischen allen Beteiligten hochumstritten. Gegenwärtig werden die Tarifverträge der GDL laut DB-Angaben bloß in 18 Betrieben angewendet.
Wie schon im Rahmen der vorigen Verhandlungsrunde will die GDL auch in der anstehenden für neue Berufsgruppen verhandeln, für die es bislang keine Tarifverträge gibt. „Jetzt kommt der Schritt aus den Eisenbahnverkehrsunternehmen heraus in die Infrastruktur“, gibt Weselsky an.
Für Weselsky, der die GDL seit etwa 15 Jahren als Bundesvorsitzender vertritt, sind es im Übrigen die letzten Tarifverhandlungen seiner Laufbahn. Im September 2024 wird er seine Verantwortung an seinen bisherigen Stellvertreter, Mario Reiß, übergeben.
Verwendete Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)
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