Wie rechtfertigen reiche Menschen ihren emissionsreichen Lebensstil? STRG_F hat mehrere, vor allem junge Wohlhabende befragt. Diese zeigen sich ob der Klimakrise wenig besorgt – und schieben die Schuld von sich.
Das Rechercheformat STRG_F des öffentlich-rechtlichen Jugendportals „Funk“ hat mit mehreren reichen Menschen über ihre CO2-Bilanz gesprochen. Ihre Reportage „Privatjets, Yachten, Kaviar: Wie beeinflussen Superreiche das Klima?“ ist unter anderem auf YouTube aufrufbar. Die Haltung der Befragten: Es würde zu wenig informiert über die Klimakrise, sie selbst wollen nicht auf Luxus verzichten. Ein 18-Jähriger erklärte, das Klima sei ihm „scheißegal“ und Reiche würden immer gewinnen.
„Leute, die nicht in den Urlaub fliegen, sparen dann für mich“
Für ihre Reportage hat STRG_F unter anderem mit dem 18-Jährigen Theo S. gesprochen, der per Privatjet über Pfingsten nach Sylt gereist war. „Wenn man [nach Sylt] mit der Deutschen Bahn kommt, ist das ein bisschen lächerlich“, scherzt er. Über die Umwelt mache er sich „natürlich Gedanken“, doch einsparen wolle er nicht. „Eigentlich ist es mir relativ scheißegal“, gibt er schließlich zu. Und später: „Es gibt ja auch Leute, die fliegen nicht in den Urlaub, die sparen dann für mich ein.“
Im weiteren Gespräch mit dem Reporter erklärt der junge Reiche, er strebe nach Extremen: Er wolle „nicht ein Haus, sondern 20 Häuser“ und den größten Privatjet. Er sieht außerdem nicht ein, weshalb er CO2 einsparen sollte. „Es fliegen 1.000 Leute am Tag nach Sylt, warum sollte ich derjenige sein, der nein sagt?“ Wenn es eine Regelung gäbe, die Kurzstreckenflüge beispielsweise nach Sylt verbieten würde, würde er sich aber daran halten.
Außerdem glaubt er, dass man den Klimawandel nicht mehr aufhalten kann. „Dann kann ich wenigstens die letzte Zeit noch auf die Kacke hauen, statt mich auf die Straße zu kleben.“ Die Klimakrise wird natürlich auch reiche Menschen betreffen. Aber große Sorgen macht sich der 18-Jährige nicht. „Die Reichen gewinnen halt immer“, findet er. „Mehr Macht, mehr Möglichkeiten. Punkt.“
Sicherheitsbedenken und alte Waggons: Wieso Reiche auf Öffis verzichten
Neben Theo S. spricht STRG_F auch mit Can M., der sein Vermögen nach eigenen Angaben durch Drop-Shipping und E-Commerce gemacht hat. Ein Reporter begleitet ihn bei einem Flug im Privatjet nach Nizza. Der 23-jährige Unternehmer gibt zu, nicht informiert zu sein über seine eigene CO2-Bilanz. Er glaubt, es brauche mehr Aufklärung – „dann würde das auch was bei den Leuten auslösen, die oft Privatjet fliegen.“
Egal sei ihm die Umwelt nicht. Der 23-Jährige betont, dass er beispielsweise Getränkedosen nicht aus dem Auto werfe, sondern im Mülleimer entsorge. Eine U-Bahn-Fahrt kommt für ihn aber nicht in Frage, aus Sicherheitsgründen. „Ich kann nicht mit einer teuren Armbanduhr in der U-Bahn fahren“, argumentiert er.
Den öffentlichen Verkehrsmitteln steht auch ein anderer Privatjetpassagier skeptisch gegenüber, mit dem STRG_F gesprochen hat. Mit der Bahn sei er einmal gefahren, aber das sei „grauenvoll“ gewesen. Auf Nachfrage, wieso, verwies er auf die alten Waggons. Sein Beitrag zum Klimaschutz: „Ich bin mit dem Fahrrad zum Flugplatz gefahren“.
Reiche emittieren viel mehr CO2 als Arme
Reiche Menschen emittieren mehr CO2 als ärmere, das ist durch Studien gut belegt. Laut Daten des World Inequality Labs, welche von der taz ausgewertet wurden, emittierten die ärmsten zehn Prozent in Deutschland 2019 etwas über 3 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr, das reichste Prozent etwa 105 Tonnen – also fast das 35-fache.
Privatjet-Flüge sind besonders problematisch: Wie STRG_F darlegt, emittiert ein Economy-Flug von Hannover nach Nizza pro Kopf circa 300 Kilogramm CO2. Das ist nur ein 20stel von dem CO2, das bei einem Privatjetflug auf derselben Strecke entsteht, wenn nur ein Passagier mit der Maschine reist. Der Grund: Das emittierte CO2 wird bei einem Linienflug unter allen Reisenden aufgeteilt.
Utopia meint: Reiche tragen Verantwortung, Menschen mit weniger Einkommen auch
Reiche Menschen stoßen mehr Emissionen aus als der Durchschnittsdeutsche – um die globale Erwärmung zu beschränken, werden sie ihr Verhalten ändern müssen. Bei einigen von ihnen muss offensichtlich mehr Bewusstsein dafür geschaffen werden, welche Konsequenzen ihr Lebensstil nach sich zieht – obwohl Medien in den vergangen Jahren durchaus darüber berichtet haben.
Aber auch Menschen, die nicht regelmäßig Privatjet fliegen, dürfen sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Denn im internationalen Vergleich zählen auch sie als wohlhabend. In Deutschland liegt das durchschnittliche Einkommen aktuell bei 49.200 Euro brutto. In Ländern wie Indien sind es nur circa 1.848 Euro. Selbst kaufkraftbereinigt haben Menschen in Deutschland mit geringerem Einkommen also mehr Einfluss auf das Klima als viele andere – und tragen damit auch mehr Verantwortung für ihr Verhalten.
Die komplette Recherche gibt es auf YouTube.
Verwendete Quellen: Strg F/ Youtube, Taz, Handelsblatt
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