Was ist besser: Hafer- oder Kuhmilch? Fürs Klima auf jeden Fall die pflanzliche Alternative, denn die hat weniger CO2 zu verantworten. Klar. Doch wie ist es bei Erbsen? Lieber aus dem Glas oder tiefgekühlt? Bisher finden sich Kennzahlen dazu nur auf wenigen Verpackungen im Supermarkt. (Im Glas – und auch in der Dose – sind es übrigens 1,7 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm, bei der TK-Variante hingegen nur 1,2).
Ein Hersteller, der auf vielen seiner Produkte mit dem CO2 -Fußabdruck wirbt, ist Oatly. 0,29 Kilogramm CO2-Äquivalente – eine Maßeinheit, um die Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase zu vereinheitlichen – verstecken sich demnach im Calcium-Haferdrink des schwedischen Herstellers. Berechnet hat diesen Wert das schwedische Start-up CarbonCloud. Bei schwedischer Vollmilch sind es hingegen gut vier Mal so viel, nämlich 1,28 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm. Das hat CarbonCloud anhand aller Emissionen der Produktion berechnet, angefangen vom Feld über Fabriken bis hin zur Verpackung und Transport.
Wenn es nach Oatly geht, sollen künftig nicht nur die eigenen Produkte (weltweit verkaufte das Unternehmen im Jahr 2018 knapp 71,5 Millionen Liter Hafermilch), sondern alle Lebensmittel in Deutschland verpflichtend mit dem CO2-Fußabdruck gekennzeichnet werden. 57.067 Menschen haben eine entsprechende Petition des Unternehmens unterstützt. Am Montag sprach Oatly-Geschäftsführer Tobias Goj dazu vor dem zuständigen Ausschuss im Bundestag.
Der Auftritt kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem Oatly eigentlich negative Schlagzeilen macht: Denn der umstrittene US-Finanzinvestor Blackstone kaufte kürzlich zehn Prozent der Unternehmensanteile. Oatly-Fans sind empört. Grünen-Abgeordnete Renate Künast fragte im Petitionsausschuss den Oatly-Geschäftsführer: „Wie würde man Vergleichbarkeit herstellen? Wie weit würden sie gehen wollen?” Stünden Investitionen von Blackstone doch mit der Abholzung des Regenwaldes in Zusammenhang. Das müsste schließlich auch in die Kennzeichnung des CO2-Fußabdruckes einfließen, sagte Künast. Als Antwort distanzierte sich Tobias Goj davon, dass Oatly „mit der Abholzung des Regenwaldes irgendetwas zu tun hätte“. Stattdessen wolle man, so die derzeitige Erklärung von Oatly zu der Investition, mit dieser Entscheidung Kapitalströme so verändern, dass sie von braunen in grüne Investition flössen. „Wir haben das nicht naiv gemacht. Für uns ist das wichtig, denn wir haben nicht mehr viel Zeit und wir haben große Geldströme da draußen, die umgelenkt werden müssen. Wenn wir die großen Geldströme nicht nutzen dürfen, wie bekommen wir dann den Kampf gegen den Klimawandel hin?“
Die Petition initiierte Oatly bereits im Oktober vergangenen Jahres, lange bevor der Deal mit Blackstone bekannt wurde. Darin fordert Oatly: Bei der Herstellung ausgestoßenes CO2 und andere Treibhausgase müssen verpflichtend auf die Verpackung, genauso wie heute bereits die Nährwertangaben. Nur so könnten Verbraucher*innen nachhaltige Kaufentscheidungen treffen. Goj betonte: „Wir kennzeichnen per Gesetz Lebensmittel mit ihren Nährwerten, um unsere Gesundheit zu schützen. Warum also nicht auch, um die Gesundheit unseres Planeten zu schützen?“
Oatly-Petition: Was wir essen, ist entscheidend beim Kampf gegen die Klimakrise
Tatsächlich verantwortet die Lebensmittelindustrie weltweit 24 Prozent aller Treibhausgase, wie eine Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2016 feststellte. Was wir essen ist also entscheidend beim Kampf gegen die Klimakrise.
Goj von Oatly betonte vor dem Petitionsausschuss: „Das ist nicht einfach nur ein Haferthema.“ Entsprechend hat sich Oatly für die Petition Unterstützung von anderen Lebensmittelkonzernen gesichert. Unter anderem Frosta und Rügenwalder Mühle bis hin zu Veganz, MyMuesli und fritz-kola: Diese Hersteller unterstützen das Anliegen und geben heute zum Teil schon ihre CO2-Fußabdrücke an, im Falle von Frosta auch bei komplexeren Fertiggerichten. Für Oatly-Geschäftsführer Goj steht daher fest: „Es ist möglich. Der Wille in Industrie und Gesellschaft ist da.“ Was fehle, sei „eine konkrete Verpflichtung für alle und ein Standard für die Umsetzung.“ Die Verbraucher*innen hätten ein Recht darauf. „Lebensmittelunternehmen werden Impulse bekommen ihre CO2-Emission stark zu reduzieren, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen.” Die Lebensmittelbranche solle dabei nur der Anfang sein, letztlich könne eine CO2-Kennzeichnung auch für andere Produkte wie Kosmetika, Kleidung oder Elektronik gelten.
Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE), empfahl dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) kürzlich ebenfalls, ein Klimalabel für Lebensmittel einzuführen. Dafür sollten Ökobilanzen anhand von CO2-Äquivalenten ausgewiesen werden – notfalls zunächst als Durchschnittswerte.
Kritisch äußerte sich jedoch Uwe Feiler von der CDU und Staatssekretär im BMEL bei der Sitzung des Petitionsaussschuss. Man wolle auf Freiwilligkeit setzen und zu viel Bürokratie verhindern, die möglicherweise kleine und mittlere Unternehmen überlasten könnte. „Den CO2-Fußabdruck für ein einzelnes Produkt darzustellen, hält unser Haus für extrem schwierig“, sagte Feiler. Man baue auf die „Farm-to-Fork“-Strategie der EU-Kommission, die im Mai vorgestellt wurde. Doch auch darin ist lediglich die Rede davon, dass man prüfen werde, „wie freiwillige umweltbezogene Angaben vereinheitlicht werden können und ein Rahmen für Nachhaltigkeitskennzeichnungen geschaffen werden kann“.
Unterstützt wurde Oatly vor dem Petitionsausschuss von Achim Spiller, Professor für „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“ am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen: „Wir alle verbrauchen im Schnitt zwei Tonnen CO2-Äquivalente pro Kopf im Jahr. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass man das ungefähr auf eine Tonne senken kann.“ Gerade der Beitrag durch Ernährung in den Industrieländern sei dabei besonders wichtig, sagte Spiller, der im Juli 2020 in die vom Bundeskabinett eingerichtete Zukunftskommission Landwirtschaft berufen worden war.
Bio-Produkte verbrauchen teilweise mehr CO2
Spiller entkräftete etwa das Argument des SPD-Abgeordneten Timon Gremmels, dass Zutaten, wie etwa Orangensaftkonzentrat heute aus Spanien, zwei Tage später aus China kämen und es daher bei Nachhaltigkeit doch vor allem um Regionalität gehen müsse. Spiller verwies auf innovative Ansätze, die etwa Frosta bereits nutze, um Verpackungen tagesaktuell anzupassen. Außerdem reichten Informationen dazu, ob ein Produkt, regional oder bio sei, nicht aus: diese Kriterien seien keine guten Indikatoren für den CO2-Ausstoß, sagte Spiller.
Tatsächlich überrascht gerade der Blick auf ökologisch erzeugte Lebensmittel: Denn Bio verbraucht oft mehr CO2 als die konventionelle Landwirtschaft, wie eine Studie des ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg vom Mai darlegte. Bei Gemüse und Obst ist dieser Unterschied zwar geringer, bei Bio-Fleisch fällt er deutlich größer aus: Ein Kilogramm Bio-Rindfleisch verursacht im Durchschnitt 21,7 Kilogramm CO2-Äquivalente, ein Kilogramm konventionell erzeugtes hingegen nur 13,6 Kilogramm. Der Grund: Der Bio-Landwirtschaft verbraucht häufig mehr Fläche. Der Leiter der Studie, Guido Reinhardt, erklärte dazu jedoch auch: „Gerade in der Landwirtschaft kann ein allein auf die CO2-Emissionen eingeengter Blick die ökologische Gesamtbewertung stark verfälschen.“ Denn: Die etwas höheren Emissionen würden durch den deutlich geringeren Pestizideinsatz, nachhaltigere Bodenbewirtschaftung und Erhöhung der Artenvielfalt „ viel mehr als wieder wettgemacht.“ Das Beispiel macht also klar: Eine CO2-Kennzeichnung auf Lebensmitteln wäre nur der Anfang – aber immerhin das.
Hier ist die Anhörung ab 01:03:55 vor dem Petitionsausschuss zu sehen.
Autorin: Astrid Ehrenhauser
Mehr zu der umstrittenen Investition von Blackstone im Podcast von „Geil Montag“ von GoodJobs. GoodJobs ist Teil der Good Impact Family, zu der auch GoodBuy, Good Events, Good Travel, Good News und das enorm Magazin gehören.
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