Neulich habe ich beim Duschen gepinkelt. War ziemlich seltsam – aber hat Wasser gespart. Gut sechs Liter, verspricht mir die Klima-App eevie . Mithilfe solcher Anwendungen möchte ich meinen CO2-Fußabdruck verbessern und weniger Ressourcen verschwenden. Mehrere Start-ups, Forschungsinstitute und Universitäten haben bereits kostenlose Klimaschutz-Apps entwickelt. Ihr Ziel: mich spielerisch zur Klimaretterin machen.
Nach der Installation müssen bei allen Apps die Karten auf den Tisch: Wie viel Strom (immerhin Öko) nutze ich im Jahr? Wie hoch ist mein Heizverbrauch? Wie steht es um Ernährung, Mobilität, Konsum und Müllproduktion?
Manchmal scheinen die Fragen zu pauschal, anderswo erschreckend detailliert. Für die Web-App Susla etwa beäuge ich prüfend meinen Abfall: Wie viele Kilogramm Restmüll produziere ich wohl pro Woche? Wie viel Papier, Plastik und Biomüll?
Wie viel CO2 verantworte ich?
Pandemiebedingt punkte ich immerhin beim Thema Urlaub: Ein geplanter Familienbesuch inklusive Langstreckenflug ins Ausland musste ausfallen. Ganz abgesehen von Treibhausgas-Kompensationen ist mir klar: Weder vegane Ernährung noch tägliches Pinkeln in der Dusche könnten den wettmachen. Wenn der Flug also nächstes Jahr klappen sollte, sähe es düster aus mit meinem CO2-Fußabdruck. Denn der rangiert schon ohne potenziellen Flug – je nach App – zwischen 4 und 6 Tonnen CO2-Äquivalenten. Inklusive Langstreckenflug sind es hingegen 9 bis 14 Tonnen. Im Schnitt verbraucht jeder Mensch in Deutschland rund 11 Tonnen. Viel zu viel, um die globale Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dafür dürfen es bis 2030 pro Kopf nicht mehr als 2,5 Tonnen sein.
Etwas skeptisch bin ich, als mir manche der Apps anbieten, mich „freizukaufen“: Etwa indem ich bei eevie für 8,90 Euro 20 Mangrovenbäume auf Madagaskar pflanzen lasse oder meine Klimasünden mit monatlich 6,16 Euro für Nachhaltigkeitsprojekte ausgleiche, wie es mir die bisher nur in der Betaversion erhältliche App Klima vorschlägt.
Zunächst möchte ich versuchen, mein Verhalten direkt zu ändern. Dafür lege ich täglich Rechenschaft ab. Irgendwie macht das Spaß und weckt ein bisschen meinen Ehrgeiz. Ich merke schnell: Abgesehen vom unangenehmen Thema Flugreisen, hat meine Ernährung das größte Potenzial.
Mit Klimaschutz-Apps Gewohnheiten ändern
Als Vegetarierin werde ich zwar häufig für meine Tagesbilanz gelobt. Aber wenn aus Gewohnheit und Genuss doch wieder Kuhmilch im Kaffee oder Käse auf dem Brot landet, gibt das negatives Feedback. Am wenigsten gefällt meinen digitalen Begleiter*innen die große Tasse Kaffee am Morgen. Der Produkt-Scanner in der App Klimakompass , der bisher leider nur wenige Barcodes erkennt, zeigt mir, wie mies das für das Klima ist. Weiß ich eigentlich, aber komplett darauf zu verzichten, fällt mir schwer. Da versuche ich mich lieber an der „challenge“, weniger Kaffee zu trinken.
Zerknirscht melde ich an Klimakompass, dass ich wieder einmal zu viel Verpackungsmüll produziert habe. Denn während ich vor Homeoffice-Zeiten so gut wie nie Lieferservices genutzt habe, ist das nun sehr verlockend. Immerhin hole ich mir ab und zu mit eigenen Behältern Essen vom Restaurant.
Weil ich so vorbildlich in der Dusche gepinkelt habe, werde ich dafür später belohnt: „Du hast kaum Wasser verschwendet!“, lobt mich ein grinsendes Emoji. Bald möchte ich weitere Tipps ausprobieren: etwa mit Nudelwasser meine Pflanzen gießen oder Gemüseschalen im Gefrierfach sammeln, um daraus Brühe zu kochen. Schließlich möchte ich von meiner App zur Zero-Waste-Heldin gekürt werden.
Text: Astrid Ehrenhauser
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