Fehlende politische Initiative, schlechtes Design – oder alles gar nicht so schlimm? Wir haben bei verschiedenen Akteuren nachgefragt, wieso immer noch so wenig faire Mode gekauft wird.
Die Magazin-Frau
Julia Werner, 38, stellvertretende Chefredakteurin des Mode-Magazins Glamour
„Es wird sich nichts ändern, solange nicht politisch entschieden wird. Menschen möchten Trends tragen, viele wollen oder können nicht viel Geld dafür ausgeben. Ich habe mich zwar entschlossen, keine fast fashion mehr zu kaufen, aber mein Drang, einmal die Woche bei einer der Modeketten nach Neuem zu schauen, ist noch da. In der Mode-Branche ist es so: Wenn ganz oben etwas eingeführt wird, tropft es langsam in die Breite. Das gilt auch für den ökologischen Ansatz. In der Luxus-Mode packen die großen Player das Thema allmählich an – aus wirtschaftlichen Gründen, aber ernsthaft. Weit vorne sind italienische Marken wie Gucci. Sie reagieren auf den Wunsch nach nachhaltiger Mode.
Wir stellen inzwischen auf fast jeder Modeseite mindestens ein ökologisches Kleidungsstück vor. Wir möchten zum Nachdenken anregen, neue Wege zeigen – als journalistisches Medium ist das unsere Aufgabe. Die Modebranche hinkt in Sachen Transparenz hinterher. Textilunternehmen müssen in die Verantwortung genommen werden, auch von Kunden. Als Käufer sollte man sich fragen, wie die Mode hergestellt wird. Ich denke, in drei Jahren wird es normal sein, dass man einen Pulli bis zum Baumwollbauern zurückverfolgen kann.“
Der grüne Hersteller
Daniel Kowalewski, 42, Gründer des Hoodie-Herstellers wasni aus Esslingen. Bei wasni nähen Menschen mit und ohne körperliches Handicap Sweatshirts aus Bio-Baumwolle
„Dass der Anteil fairer Mode am Gesamtmarkt noch klein ist, hat auch mit der fehlenden Auswahl zu tun. Ich glaube, dass vielen Konsumenten die Missstände der Textilherstellung bewusst sind – aber sie handeln nicht danach. Vielleicht, weil Bangladesch weit weg ist. Design schlägt bei der Kaufentscheidung das Thema Nachhaltigkeit. Es ist zudem oft sehr schwer erkennbar, ob etwas fair hergestellt ist. Unsere Kunden kommen aus unterschiedlichen Gründen: Manche passen nicht in Standardgrößen – wir schneidern nach Maß. Für andere zählt, dass vor Ort im Laden genäht wird. Das ist vielleicht wertvoller als ein Siegel, das wir nicht haben.
Viele Kunden kommen wieder, denn wir speichern ihre Schnitte ab. Das freut besonders Männer. Da müssen sie nur sagen: Wie beim letzten Mal, bitte. Wir fairen Hersteller müssen mit unserem Angebot in die Breite gehen, ohne uns den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen und ständig neue Kollektionen herauszubringen. Allein der Begriff ‚Mode‘ ist überdenkenswert – in ihm steckt per se ein Stück Schnelllebigkeit. Das nachhaltigste Kleidungsstück ist immer noch das, was man nicht kauft.“
Die Instagrammerin
Madeleine Alizadeh, 28, aus Wien. Seit 2010 schreibt sie über Mode – zuerst über fast fashion, seit 2013 über Fair Fashion. Ihr Label Dariadéh stellt eine kleine Öko-Kollektion von Shirts her
„Ich finde nicht, dass es schleppend vorangeht. Es hat sich viel getan. Bademode zum Beispiel wird heute oft aus Recycling-Materialien hergestellt. In zehn Jahren, so meine Prognose, ist das Standard. Bei anderen Fasern wie Wolle fängt ein Umdenken dagegen gerade erst an. Sie ist immer noch ein schmutziges Geschäft ohne Transparenz und Zertifikate. Es gibt kaum Reglementierungen. Ich empfehle meinen Followern Produkte, die ich so gut wie möglich selbst überprüft habe und von denen ich sagen kann: Die sind gut. Oder zumindest besser. Aber auch als Herstellerin fairer Mode kann ich die Lieferkette oft nicht bis zum letzten Faden zurückverfolgen.
Ich hake nach, aber bis zu einem gewissen Grad muss ich auch vertrauen. Das Argument, grüne Mode koste zu viel, finde ich scheinheilig. Was ist teuer? Im Vergleich zur fast fashionist alles andere teuer. Meine Hoodies kosten 85 Euro – wer jede Woche ein neues Kleidungsstück shoppt anstatt ein gutes pro Monat, zahlt im Endeffekt mehr. Ich rechne immer aufs ganze Jahr. Und trage meine Sachen nicht nur ein paar Mal. Wir müssen lernen, weniger zu konsumieren – und mehr zu teilen.“
Die jungen Konsumentinnen
Nele Langrock, Tochter der Autorin, Meye Dethlefsen, beide 15, Schülerinnen einer Hamburger Stadtteilschule
Wie wichtig ist Euch Mode?
Nele: Ich beschäftige mich viel damit, habe auch schon ein Praktikum in einem Schneideratelier gemacht. Anregungen hole ich mir im Internet, vor allem bei Instagram. Aber auch in der Schule oder auf der Straße fallen mir Leute auf, die sich cool anziehen. Ich versuche dann, den Look mit meinen Sachen nachzuahmen.
Geht Ihr gerne shoppen?
Meye: Ja. Ich finde es toll, die Wahl zwischen vielen Sachen zu haben. Ein echtes Hobby ist es nicht. Aber es vertreibt einem die Zeit und ist besonders nett, wenn man es mit Freunden macht.
Nele: Das Ausprobieren macht Spaß. Wir wollen immer wieder einen neuen Look haben.
Kauft Ihr faire Mode?
Nele: Nein. Ich sehe keine Werbung für solche Marken und werde nirgends auf sie aufmerksam gemacht.
Meye: Ich kenne keinen Ökomode-Shop – vielleicht gibt’s sowas im Internet? Man kann das Stichwort da sicher eingeben. Aber ich habe noch nie danach gesucht. Nur bei Zalando habe ich schon mal gesehen, dass sie einige Fairtrade-Marken haben.
Wie stellt Ihr euch Ökomode vor?
Nele: Nicht richtig schlimm, aber eben für ältere Menschen als uns. Ich stelle mir unter Fair Fashion ganz normale Kleider vor, die bessere Qualität haben und teurer sind. Ich habe nur ein faires Kleidungsstück, eine Jogginghose. Die habe ich geschenkt bekommen, sie gefällt mir eigentlich ganz gut.
Meye: Mir kommt es auch so vor, als wären die Sachen eher für Dreißigjährige gedacht – und teuer. Dadurch, dass ich viele Sachen selbst bezahlen muss, achte ich schon auf den Preis. Aber wenn ich etwas wirklich schönes Faires sehen würde und das Geld hätte, würde ich es auch kaufen.
Nele: Ich auch. Ist ja für einen guten Zweck. Aber nur weil es Öko ist, kaufe ich nicht etwas, das mir nur halb gefällt.
Gastbeitrag aus Enorm
Text: Christiane Langrock-Kögel
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