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Gemeinsam statt einsam

Foto: Jonas Krantz

Wir alle erleben gerade, wie es sich anfühlt zum Fest der Liebe möglicherweise nicht alle Lieben treffen zu können. Doch es gibt Menschen, die sind nicht nur zu Weihnachten alleine. Und es gibt Menschen, die sich mit ihren Ideen und Projekten genau darum kümmern. Sie wollen helfen und zeigen: Gemeinsam geht’s besser!

Die Corona-Krise lenkt unseren Blick wie mit einer Lupe auf Probleme, die wir in unserem normalen Alltag gerne mal schnell vergessen. Ob Senioren und Rentner, alleinlebende Elternteile oder durch das Leben in eine Krise geratene Menschen – alle, die auf sich selbst gestellt sind bekommen die Wucht der Krise besonders deutlich zu spüren. Hier spielt auch der Faktor Einsamkeit eine wichtige Rolle.

Gerade jetzt spüren die Menschen, was es bedeuten kann Verwandte und liebe Freunde zu Weihnachten aufgrund des Lockdowns nicht sehen zu können. Doch während man dahinter auch einen Akt der Nächstenliebe sehen kann, um keinen seiner Liebsten in Gefahr zu bringen, gibt es auch Formen der Einsamkeit, die es ganz unabhängig von Corona gibt.

Denn in unserer Gesellschaft leben immer mehr Menschen, für die sich die Frage gar nicht stellt, wen sie dieses Weihnachten besuchen können oder nicht – weil sie einfach gar keine Liebsten mehr in ihrem sozialen Umfeld haben.

Die Studie „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt 2020“ zeigt, dass das Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft von Anfang des Jahres bis zum Sommer angestiegen ist. Sahen im Februar 2020 noch 46 Prozent den Zusammenhalt in der Gesellschaft als gefährdet, sank der Wert bis Mai/ Juni auf 36 Prozent.

Auch das Gefühl, dass sich die Mitmenschen nicht umeinander kümmern, sank von 41 Prozent auf 21 Prozent. Eine positive Entwicklung, die zeigt, es ist nicht so wie es manchmal auf den ersten Eindruck erscheint.

Und doch gibt es neben dieser deutlich positiven Entwicklung Menschen, die sich alleine gelassen fühlen. Davon sind vor allem Randgruppen mit geringer formaler Bildung, niedrigem ökonomischen Status und Migrationshintergrund betroffen. Sie erfahren nicht viel oder kaum etwas von dem vielgepriesenen Zusammenhalt und bekommen dadurch härter als andere die vollen Ausmaße der Krise zu spüren.

Dabei geht es um genau jene Menschen, die es auch vor der Corona-Krise schon schwer hatten, sich in der Gesellschaft zu behaupten. „Wer vorher schon benachteiligt war, für den stellt sich die Lage in der Krise noch schwieriger dar“, so Kai Unzicker zu den Ergebnissen der Studie.

Weltverbesserer gemeinsam gegen Einsamkeit
Es gibt auch Formen der Einsamkeit, mit denen Menschen bereits vor der Corona-Krise zu kämpfen hatten. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Kristina Tripkovic)

Sorge vor Einsamkeit wächst

Auffällig bei den Ergebnissen ist, dass vor allem Menschen, die alleine leben oder alleinerziehend sind, nur einen geringen Zusammenhalt erleben. Einsamkeit und das Gefühl alleine gelassen zu werden zeigt sich auch in den Ergebnissen der repräsentativen Studie „Die semiglückliche Gesellschaft“ des Hamburger Zukunftsforschers Horst Opaschowski. Seine Studie zeigt, dass die Sorge vor Vereinsamung mit 84 Prozent Zustimmung nahezu ebenso stark verbreitet ist, wie die Angst vor Altersarmut.

Die Besinnung auf das, was im Leben wirklich wichtig ist, sei ein Ergebnis aus der Corona-Krise, so Horst Opaschowski. Mitten in der Krise empfinden jedoch auch viele Deutsche das Glück im Unglück, denn „es könnte viel schlimmer sein“. Die Besonnenheit und Coolness werden bleiben, vermutete Opaschowski. Doch die soziale Isolation, die nach Ansicht des Zukunftsforschers noch andauern wird, sieht er als starke Belastung für die Gesellschaft. Diese „Krisen-Einsamkeit“ habe es so noch nicht gegeben. Auch die repräsentative Forsa-Umfrage der Techniker Krankenkasse zeigt, das 22 Prozent der Befragten durch die Krise unter Einsamkeit leiden.

Familie und Nachbarschaft sind wichtig

Neben der Familie, so vermutet der Zukunftsforscher, wird die Nachbarschaft besonders wichtig. Die Nähe zu den Angehörigen, die oftmals weit weg leben, könne durch die Nachbarn im Haus oder in der Straße ausgeglichen werden. Diese Kontakte müssen jedoch aktiv angegangen und gepflegt werden, empfiehlt Opaschowski.

Und genau hier kann die Gesellschaft ansetzen. Anlaufstellen wie die Telefonseelsorge erleben in Corona-Zeiten einen enormen Zulauf. Hier melden sich junge Menschen, überforderte Mütter oder Menschen, die unter der Brücke schlafen – und es findet jeder Hilfe, wenn er:sie danach sucht.

Dabei stellen die hilfsbedürftigen Menschen häufig fest, wie tröstend es sein kann, seine Sorgen mit anderen Menschen zu teilen. Und es zeigt sich, dass sich immer mehr Menschen für andere Mitglieder der Gesellschaft ehrenamtlich betätigen. So wuchs die Beteiligung von 2016 mit 14,36 Mio. auf 17,11 Mio. in 2020 (Quelle: statista.com).

Wer sich für andere Menschen einsetzt, ist selbst nicht alleine und es zeigt sich zudem: Ob Nachbarschaftshilfe, ehrenamtliche Betreuung in der Telefonseelsorge oder Menschen, die sich für andere engagieren – jeder der Hilfe sucht, kann auch Unterstützung finden.

Weltverbesserer gemeinsam gegen Einsamkeit unterstützen
Niemand ist auf sich allein gestellt und kann Hilfe bei anderen finden. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Mitchel Lensink)

Gemeinsam gegen Einsamkeit

Wir haben mit Mitra Kassai über ihr soziales Projekt Oll Inklusiv gesprochen, mit dem sie Menschen der Generation 60+ in die Gesellschaft integrieren und am Leben der Gesellschaft teilhaben lassen möchte. Im Gespräch erzählt sie, was für sie hinter ihrer Idee steckt, was sie mit Oll Inklusiv erreichen möchte und was dabei der Beitrag für die offene Gesellschaft ist.

Warum tust du, was du tust?

Die Welt ein wenig besser machen ist nicht immer einfach, aber wenn ich es nicht versuche, dann ändert sich gar nichts.

Was müssen andere tun, damit sich etwas ändert?

Jede und jeder kann mit rücksichtsvollen Augen durch die Welt gehen und Gutes tun. Die kleinen Dinge zählen.

Welche Aufgabe hat eine offene Gesellschaft?

In einer offenen Gesellschaft ist es egal, wer wen liebt, wie wer aussieht, woher wer kommt: wir müssen Tag täglich Rücksicht auf uns und unser Gegenüber nehmen. Gemeinsam machen wir die Welt zu einer besseren. Fuck Nazis.

Wie ist die Idee zu Oll Inklusiv entstanden? 

Als Musik- und Kulturmanagerin ist es für mich naheliegend moderne Räume zu nutzen und dafür zu sorgen, dass sich Menschen begegnen können: egal ob in der realen Welt oder digital.

Weltverbesserer gemeinsam gegen Einsamkeit oll inklusiv
Das Ziel von Oll Inklusiv ist es, Menschen der Generation 60+ in die Gesellschaft zu integrieren. (Foto: Jonas Krantz)

Du hast 2018 deine erste Veranstaltung für Senioren & Senioritas abgehalten. Die war, ebenso wie die zweite Runde ein echter Erfolg. Wer arbeitet bei Oll Inklusiv dafür mit dir zusammen?

Das alles ist nur in der praktischen Ausführung mit dem gesamten ehrenamtlichen Team von OLL INKLUSIV möglich.

Das Herzstück der gemeinnützigen Initiative Oll Inklusiv ist die „Halbpension“ mit „bunten“ Nachmittagen. Außerdem gibt es normalerweise Ausflüge, sportliche B-wegungs-Events, Kaffee & Kino-Events und vieles mehr an. Was machst du noch alles?

Als ausgebildete Seniorenassistentin bin ich aktiv in Pflegeeinrichtungen in der Einzel- und Gruppenbetreuung tätig. In der Pandemie habe ich eine App konzipiert und programmieren lassen: damit sich die Senioren & Senioritas weiterhin im geschützten Raum informieren und austauschen können.

Weltverbesserer gemeinsam gegen Einsamkeit oll inklusiv
Das Team von Oll Inklusiv arbeitet ehrenamtlich. (Foto: Jonas Krantz)

Du warst früher im Kultur- und Musikmanagement tätig. Helfen dir die Erfahrungen aus dieser Zeit bei deinem täglichen Umgang mit den älteren Herrschaften?

Da bin ich immer noch tätig – den Umgang mit Ü60 ++ Menschen habe ich durch meine ehrenamtliche Tätigkeit in diversen Pflegeheimen erlernt. Als Kultur – und Musik-Managerin habe ich natürlich sehr viel mit Menschen zu tun: Ich mag Menschen – soviel Empathie sollte man mitbringen, das hilft allen im gemeinsamen Umgang.

Hat sich dein Leben durch deine Arbeit als Seniorenassistentin nachhaltig verändert und was haben diese Erlebnisse mit dir und deinem Alltag gemacht? 

Der Umgang mit hochaltrigen Menschen ist sehr schön: die Geschichten, aber auch die Langsamkeit tut mir persönlich sehr gut – meine Anwesenheit wiederum ist wunderbar für die Senioren & Senioritas: das zeigt wieder mal – gemeinsam ist es am schönsten.

Ihr habt neben den Veranstaltungen vor Ort auch eine Online-Veranstaltung „Internet“ in der sich die Gäste virtuell treffen. Wie gut wird das Angebot angenommen?

Diese „IM INTERNET“-Show hatten wir spontan aufgenommen und auf unserem Oll Inklusiv YouTube Kanal verfügbar gemacht: so kann jede und jeder selbst entscheiden, wann sie oder er das Angebot von Oll Inklusiv digital zu Hause oder wo auch immer genießen möchte.

Ihr habt auch einen Podcast Oll Inklusiv 60+. Wie oft erscheint er und wer sind deine Gäste?

Das Prinzip: zwei Gäste, zwei Generationen. Ihre Geburtstage liegen Jahrzehnte auseinander, doch sie eint die Leidenschaft für eine Sache – für Musik und Mode, für Politik und soziales Engagement. Welche Erlebnisse hatte zum Beispiel ein DJ in den 1970er-Jahren? Und wie arbeitet aktuell sein Kollege, der damals noch in den Windeln lag?

Der Podcast 60+ verbindet die Lebensgefühle und Alltagswelten, Weisheiten und Vorlieben von gestern und heute. Das schnelle digitale Dasein unserer Tage trifft auf jene Zeit, in der sich Lösungen noch ohne Mausklick und Smartphone fanden. Was ist anders, was ähnlich?

Die Gäste schauen hin und blicken zurück, sie erzählen und vergleichen, sie schnacken locker und tauchen tief ab, sie reflektieren und lachen. Ein Austausch zwischen Erfahrung und Neugierde, Expertise und Sinnsuche. Und egal ob Generation Z, Babyboomer oder Best Ager – der Podcast 60+ macht überdeutlich hörbar: Coolness, Mut und Begeisterungsfähigkeit kennen kein Alter.

Zu Gast waren bereits: DJ MAD, Greta Silver, Anna Weilber, Carlo von Tiedemann, Uriz von Oertzen, Peter Urban, Lars Lewerenz und viele mehr.

Was war deine bisher schönste Erfahrung in der Arbeit mit den Senioren und Senioritas bei Oll Inklusiv?

Das Schönste für mich ist immer noch und nach wie vor, zu sehen, wie wir aktiv gegen Alterseinsamkeit vorgehen und Menschen zusammenbringen: Wir begegnen uns alle auf Augenhöhe – daraus haben sich ehrliche Freundschaften entwickelt. Aber auch feste Liebesbeziehungen.

Was wünscht du dir selbst für dein späteres Leben als Seniorita von der Gesellschaft?

Wenn ich mal OLL bin, dann möchte ich nicht mit trockenen Keksen an ungemütlichen Tischen sitzen, dann möchte ich in der Gesellschaft immer noch meinen respektierten Platz wissen und weiterhin – je nach Möglichkeit – am Leben teilhaben: egal ob in der realen Welt oder digital. Im besten Fall höre ich ganz laut Beastie Boys und fahre in meinem E-Rollstuhl durch die Welt / egal wie klein sie dann für mich sein muss.

Momentan müsst ihr sicher viele Veranstaltungen absagen, hast du den Eindruck das die Senioren und Senioritas anders mit der Situation umgehen als die jüngere Generation?

Die Erfahrung zeigt, dass ältere Menschen gelassener sind und die Pandemie akzeptieren, aber die zunehmende Einsamkeit macht uns allen sehr zu schaffen: deshalb denke ich mir weiterhin schöne Aktionen und Zusammenkünfte (zur Not in der digitalen Welt) aus, damit wir gemeinsam nicht so einsam sind.

Was planst du für Oll Inklusiv als Nächstes?

In der Tat schmiede ich bereits Pläne für neue bunte Aktionen: bleibt gespannt und informiert über www.oll-inklusiv.de

Wir danken für jede Unterstützung: egal ob per Spende oder Ehrenamt oder Support in jeglicher Form. Danke. You´ll never OLL alone. #ollinklusiv #ProAlter

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