Rund 1,6 Millionen Deutsche leiden unter Demenz und es werden mehr. Hinter jedem Erkrankten stehen Familie und Freunde, die sich häufig im privaten Umfeld zuhause um ihre Lieben kümmern. Neben der körperlichen Beanspruchung sind die Angehörigen häufig auch großen seelischen Belastungen ausgesetzt. Was man bei der Diagnose Demenz tun kann, welche Möglichkeiten es zur Unterstützung und Hilfe gibt und was die Gesellschaft tun kann, darüber sprechen wir mit dem Verein Desideria Care e. V. im Interview.
Laut Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. leben in Deutschland um die 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Jährlich erkranken 300.000 Menschen neu. Rund 60 Prozent der Erkrankten leiden an einer Demenz vom Typ Alzheimer. Laut Schätzungen wird die Zahl, der an Demenzerkrankten bis 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen Menschen steigen. Als wichtigstes Gegenmittel werden die Prävention, die Therapie und die Forschung benannt. Ungefähr zwei Drittel, der an einer Form der Demenz leidenden Menschen wird Zuhause betreut.
Hilfe bei Demenz für Betroffene und Angehörige
So droht die Demenz zur zweithäufigsten Todesursache weltweit zu werden. Doch neben den Erkrankten leiden auch die Angehörigen sehr stark. Die Pflege Zuhause birgt teilweise hohe körperliche Belastungen und auch großer seelischer Druck stellt sich bei den Pflegenden ein.
Wir sprechen im Interview zum Thema Demenz dazu mit dem Verein Desideria Care e. V.. Desideria Care entwickelt und fördert Angebote für Menschen mit Demenz und ihre Familien. Das Ziel ist, ein Umdenken in der Gesellschaft zu bewirken und für mehr Lebensqualität der betroffenen Familien zu sorgen.
Weltverbesserer.de: Was genau ist Desideria Care?
Desideria Care e. V.: „Mit Desideria Care engagieren wir uns für eine demenzfreundliche Gesellschaft. 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leiden derzeit unter Demenz, zwei Drittel davon werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Wir unterstützen und stärken Angehörige in ganz Deutschland mit innovativen Angeboten und mutigen Konzepten. Eine Diagnose wirkt sich nämlich nicht nur direkt auf die Erkrankten aus, sondern hat auch enormen Einfluss auf die Angehörigen. Die Folgen sind immens: Überforderung, Vereinsamung, körperliche Beschwerden, Burnout, Sucht, Depression.
Wir brauchen eine offene Gesellschaft, die bereit ist, den wichtigen Beitrag, den Angehörige von Menschen mit Demenz leisten, wertzuschätzen. Denn sie sind der kostenfreie Pflegedienst der Nation.“
Wie können Verlauf und Krankheitsstadien von Demenz aussehen?
Desideria Care e. V.: „Im Allgemeinen verläuft eine Demenzerkrankung in drei Phasen. Der Übergang zwischen der milden, der mittelschweren und der schweren Phase verläuft fließend, weshalb eine Einteilung oft schwierig ist. Die meisten Demenzformen sind nicht heilbar und durch einen fortschreitenden Verlauf gekennzeichnet, der zum Tod führt.“
Was kann man bei der Diagnose Demenz tun?
Desideria Care e. V.: „Ein erster wichtiger Schritt ist, sich umfassend über die Krankheit zu informieren und Beratungsangebote wahrzunehmen. Wir empfehlen unseren Klienten auch immer, sich frühzeitig ein Pflegenetzwerk aufzubauen, um die Herausforderungen auf mehrere Schultern zu verteilen. Doch auch die emotionale Belastung sollte nicht unterschätzt werden.
Eine Demenz-Diagnose löst sowohl beim Erkrankten, als auch bei den Angehörigen die verschiedensten Gefühle aus: Angst, Ohnmacht, Trauer und vieles mehr. Helfen kann der Austausch mit anderen Betroffenen oder die individuelle Begleitung durch einen Familien-Coach.“
Können Sie uns etwas zum Alltag von Betroffenen und Angehörigen erzählen?
Desideria Care e. V.: „Das gestaltet sich tatsächlich bei jedem sehr unterschiedlich. Auch abhängig von der Phase der Erkrankung stellen sich die verschiedensten Herausforderungen. Was allerdings in jeder Phase wichtig ist, ist die Erkrankten nicht auf ihre Demenz zu reduzieren. Sie wollen als sie selbst wahrgenommen werden und nicht nur als Patient.“
Welche Angebote macht Desideria Care?
Desideria Care e. V.: „Wissen und Austausch sind aus unserer Sicht von zentraler Bedeutung. Daher bieten wir die kostenfreien Angehörigenseminare „EduKation Demenz®“ an, sowohl Online als auch in Präsenz in München.
Die Seminare helfen Angehörigen, die Krankheit und deren Auswirkungen auf das Alltagsleben besser zu verstehen und zu lernen, damit umzugehen. Im Anschluss daran bieten unsere Angehörigengruppen den Teilnehmer:innen der Seminare die Möglichkeit, sich einmal im Monat innerhalb eines moderierten Umfelds mit anderen Angehörigen auszutauschen.
Für Familien, die sich in einer schwierigen Situation individuelle Begleitung wünschen, bieten wir Familiencoachings an. Mit unserem Fotowettbewerb „Demenz neu sehen“ und dem Podcast „Leben, Lieben, Pflegen – der Podcast zu Demenz und Familie“ wollen wir die öffentliche Wahrnehmung für das Thema Demenz erhöhen und Angehörigen eine Stimme geben.“
An wen richten sich ihre Hilfsangebote?
Desideria Care e. V.: „Wir richten uns an alle Angehörigen von Menschen mit Demenz im deutschsprachigen Raum.“
Gibt es unterschiedliche Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene?
Desideria Care e. V.: „Ja, für junge Angehörige, die sogenannten Young Carers, gibt es das Angebot „Demenz-Buddies“, mit dem wir Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16- 26 Jahren ansprechen.“
Welche Menschen nehmen ihre Angebote wahr?
Desideria Care e. V.: „Wir sind für die ganze Familie da, sowohl die Partner der Erkrankten, als auch ihre Töchter, Söhne und Enkel:innen. Für die Onlineangebote interessieren sich vor allem die Töchter und Söhne, aber auch pflegende Partner sind durch die Pandemie immer offener für digitale Veranstaltungen und Unterstützungsangebote geworden. Gerade wenn die Familie weit verstreut ist, bietet der digitale Raum die Möglichkeit zur gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Thema.“
Welches Ziel hat Desideria Care für die Zukunft?
Desideria Care e. V.: „Wir wollen einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft herbeiführen. Demenz darf kein Tabu mehr sein! Die Würde des Menschen, der Erhalt der Lebensqualität und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind unser erklärtes Ziel. Dafür braucht es Akzeptanz, Zuversicht, Lösungsorientierung, Kreativität und Wille zur Gestaltung der Zukunft.“
Mehr Informationen zu Desideria Care e. V.
Gegründet wurde Desideria Care 2017 von Désirée von Bohlen und Halbach. Durch ihr ehrenamtliches Engagement in der Malteser Tagesstätte für Menschen mit Demenz in München wurde sie immer wieder mit der Situation der Angehörigen konfrontiert. Daraus entstand der Wunsch, sich selbst in der emotionalen Begleitung und Beratung von Angehörigen einzusetzen. Über die Jahre wuchs das Team und unser Netzwerk. Wenn du Desideria Care e. V. und die Angebote näher kennenlernen möchtest, besuche die Webseite.
Hilfe suchen und finden
Wer sich Sorgen macht, fühlt sich häufig alleingelassen. Hier greifen Angebote wie das Familien-Telefon der Techniker Krankenkasse oder auch der TK Krisenchat für Kinder und Jugendliche. Expert:innen stehen den Mitgliedern hier bei Fragen zur Verfügung. Wer speziell zu Demenz Sorgen hat oder Hilfe und Information sucht, findet diese zum Beispiel bei dem Alzheimer Telefon. Das bundesweite Angebot wird durch Beratungsstellen ergänzt. Auch bei ihren Krankenkassen finden Betroffene Beratung und Hilfe.
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