PETA geht juristisch gegen die Fleischindustrie vor! Die Tierrechtsorganisation zeigt drei der größten deutschen Schlachthöfe wegen massenhafter Tiertötungen an. Kommt jetzt das Ende der Massentierhaltung?
Das Töten eines Tieres ist laut Tierschutzgesetz eine Straftat. Nur ausnahmsweise kann ein „vernünftiger Grund“ eine Tiertötung rechtfertigen – so die Gesetzeslage bei objektiver Betrachtung. PETA Deutschland argumentiert, es ist kein vernünftiger Grund, Tiere zu töten, um ihr Fleisch zu Ernährungszwecken zu verwenden. In Zusammenarbeit mit der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Günther hat die Tierrechtsorganisation die Verantwortlichen der drei größten deutschen Schlachtbetriebe, „Premium Food Group“, „Westfleisch SCE mbH“ und „VION N.V.“, angezeigt.
Rheda-Wiedenbrück in einer kalten Sonntagnacht. Eine Botschaft wird auf die Fassade eines Schlachthauses der Premium Food Group, ehemals Tönnies, projiziert, eine der größten Tiertötungsanlagen Deutschlands. Jeden Tag werden hier bis zu 25.000 Tiere umgebracht. Die Aktivistinnen und Aktivisten haben Video-Drohnen dabei, um die Projektion später für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Jede Handlung haben sie vorher sorgfältig geplant. Jetzt geht es darum, nicht entdeckt zu werden, ehe die Aufnahmen im Kasten sind. „Täglich 25.000 Tiere“. Die Zahl erscheint auf der Fassadenwand, daneben steht „Tönnies“. Die Premium Food Group hat sich bisher nicht die Mühe gemacht, das alte Logo zu entfernen. „PETA erstattet Strafanzeige“. Der düstere Innenhof vor dem Fabrikkomplex ist jetzt in hellem Blau illuminiert. Dann in weißen Lettern: „Es gibt keinen vernünftigen Grund, für Fleisch zu töten“. Die Aktion bildet den Auftakt zur neuen PETA-Kampagne: „Kein Recht auf Mord“.
„Das Tierschutzgesetz stellt in § 17 Nr. 1 das Töten eines Tieres unter Strafe. Diese Regelung hat Geltung für jedes einzelne Tierindividuum, gleich ob ‚Nutztier’, ‚Haustier’, ‚Versuchstier’ oder welches Label sonst vergeben wurde, um das Nutzungsinteresse des Menschen im Rahmen des Mensch-Tier-Herrschaftsverhältnisses zu markieren. Wenn jemand ein Tier tötet, ist dies grundsätzlich ein Fall für die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte. Erkennen diese das Vorliegen eines rechtfertigenden ‚vernünftigen Grundes’ nicht an, sieht das Gesetz unter anderem Freiheitsstrafe vor“, sagt Krishna Singh, Justiziar und Leiter der PETA-Rechtsabteilung: „Dieser vernünftige Grund ist nicht gegeben, wenn man Tiere umbringt, um sie zu Wurst, Steaks oder Döner zu verarbeiten. Es ist ein Skandal, dass eine gesetzliche Vorschrift zum Schutz der Tiere seit ihrem Inkrafttreten konsequent ignoriert wird.“ Seit 1972 steht der vernünftige Grund im Tierschutzgesetz. „Allein vitale Erhaltungsinteressen des Menschen können die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, wenn es um die Rechtfertigung einer Tiertötung geht. Deshalb haben wir Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der drei größten deutschen Schlachtbetriebe gestellt“, so Singh. Denn: Weder Betriebsgewinnabsichten noch der profane Wunsch nach Gaumenkitzel sind Motivationen, die eine Tötung von Tieren erlauben würden.
24-facher Mord, jede Sekunde
Allein circa zwei Millionen Tiere fallen in Deutschland täglich der Fleischproduktion zum Opfer. Rund 800 Millionen verlieren damit jährlich in Schlachthäusern ihr Leben. Daraus ergeben sich etwa 24 Tiertötungen pro Sekunde. Ein Bruchteil der globalen Dimension. Weltweit werden jedes Jahr über 80 Milliarden Landtiere und 2,7 Billionen Fische und Meerestiere getötet. „Diesem exzessiven Blutrausch kann effektiv nur dadurch Einhalt geboten werden, indem wir jedes Tier nicht als ein Etwas, sondern einen Jemand betrachten; indem wir sie als Personen mit eigenen Bedürfnissen, eigener Würde und deshalb auch eigenen Grundrechten anerkennen, die ihnen Schutz vor den Ausbeutungsinteressen der Menschen verleihen“, erläutert Krishna Singh.
Neue PETA-Kampagne: Kein Recht auf Mord
Krishna Singh, seit vielen Jahren vegan lebend, sieht in der Tötung von Tieren zur Fleischherstellung Parallelen zum Mordparagraphen im Strafgesetzbuch: „In Paragraf 211 heißt es sinngemäß: Eine vorsätzliche Tötung wird dann zum Mord, wenn sie bestimmte Begleitumstände beinhaltet – Habgier beispielsweise oder eine heimtückische Begehungsweise. Das Töten arg- und wehrloser Tiere in Schlachtbetrieben dient rein wirtschaftlichen Zwecken. Dort wird getötet, um Gewinne zu erhöhen. Das ist aus unserer Sicht vorsätzlich, eine von Habgier getriebene, heimtückisch begangene Tötung Unschuldiger.“ Paragraf 17 Tierschutzgesetz sieht dafür eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. „Es fehlt der Justiz jedoch der Mut, ihn konsequent anzuwenden: Die Regelung zum Schutz der Tiere wird seit ihrer Einführung 1972 von der Justiz ignoriert, soweit es um die industrielle Tiertötungsindustrie geht“, sagt Singh. Das solle sich nun mit den drei jeweils über 30 Seiten starken Strafanzeigen voller juristischer Argumente endlich ändern, die die Staatsanwaltschaften an den Standorten der drei großen Schlachtbetriebe von PETA erhalten haben.
Radikal gewaltlos und friedlich für all diejenigen, deren Stimme nicht gehört wird
Oft werde PETA als Tierschutzorganisation, die Grundrechte für Tiere fordert, vorgeworfen, radikal zu sein. Gefolgt von der Kritik, es könne nicht jeder Mensch vegan werden. Dennoch arbeite man bei PETA täglich darauf hin. „Hinter all dem, was wir machen, steckt immer der gleiche Wunsch, nämlich nach einer gewaltlosen Welt, in der nicht gemordet und aufgeschlitzt wird. Wo Menschen und Tiere friedlich miteinander koexistieren, vielleicht sogar voneinander lernen. Unser Standpunkt ist klar“, schließt Singh, der seit 2021 die Rechtsabteilung von PETA Deutschland leitet: „Wir werden uns weiterhin für all diejenigen einsetzen, deren Stimme nicht gehört wird – radikal gewaltlos und friedlich.“
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Tierwirtschaft toppt den weltweiten Verkehr beim CO2-Ausstoß
Stellt die Kritik am Fleischkonsum eine ethische Randerscheinung dar? Besinnt man sich auf die gegebenen Umweltfakten, ergibt sich ein klares Bild. 30 Prozent des nutzbaren Trinkwassers weltweit fließt in die Herstellung tierischer Produkte. Für pflanzliche Erzeugnisse wird nur ein Bruchteil des Trinkwassers benötigt. Während für die Herstellung eines Sojaburgers 158 Liter Wasser verwendet werden, schlägt ein Rindfleischburger mit 2.350 Litern Wasserverbrauch zu Buche. Die Tierwirtschaft verursacht mit 20 Prozent aller Treibhausgase zudem mehr CO2-Ausstoß als der gesamte Verkehrssektor weltweit. Theoretisch angenommen, es würden sich fortan alle vegan ernähren, gäbe es ausreichend Nahrung für weitere vier Milliarden Menschen.
„Wir werden uns weiterhin für all diejenigen einsetzen, deren Stimme nicht gehört wird – radikal gewaltlos und friedlich.“ Krishna Singh, Leiter der PETA-Rechtsabteilung
„Töten aus Vernunft?” PETA-Tierrechtskonferenz fordert Antworten
Bei der 6. PETA-Tierrechtskonferenz am 19. März 2025 ab 18 Uhr diskutieren Expertinnen und Experten über eine widerspruchsfreie Interpretation des vernünftigen Grunds. Dr. Barbara Felde, Richterin und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht, Rechtsanwalt Dr. Ammar Bustami von der Kanzlei Günther aus Hamburg und PETA-Justiziarin Dr. Vera Christopeit gehen der Frage nach, ob es gerechtfertigt ist, Tiere für Ernährungszwecke zu töten. Wie ist mit dem Gesetz und möglichen Rechtsbrüchen heute und in Zukunft umzugehen? Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke und PETA-Mitarbeiter Jobst Eggert übernehmen die Moderation des Talkformats.
Hauptrisikofaktor Fleisch
Auch die Möglichkeiten und Chancen rein pflanzlicher Ernährung kommen bei der PETA-Tierrechtskonferenz zur Sprache. PETA-Justiziarin Dr. Vera Christopeit: „Das häufig vorgebrachte Argument, der Mensch brauche Fleisch, ist schlichtweg falsch. Es ist problemlos möglich, sich ohne Fleisch gesund zu ernähren.” Eine ausgewogene vegane Ernährung decke den Bedarf nahezu aller Nährstoffe. Hier scheint die Faktenlage klar: Tierische Produkte zählen jedenfalls zu den Hauptrisikofaktoren der Zivilisationskrankheiten unserer Zeit: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und verschiedene Krebserkrankungen.
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Prominente hinterfragen den „vernünftigen Grund“
PETA Deutschland hat im vergangenen Jahr hunderte Briefe an Personen und Gruppen geschickt und schriftlich gefragt: „Was ist der vernünftige Grund?“ Schriftstellerin Sibylle Berg, Moderatorin Elke Heidenreich und Natur-Bestsellerautor Peter Wohlleben meldeten sich zu Wort und waren sich einig. Der Wunsch, Fleisch zu essen, stelle keinen vernünftigen Grund dar, ein Tier zu töten. Peter Wohlleben: „Appetit auf ungesunde Lebensmittel aus der Massentierhaltung ist kein vernünftiger Grund.“ Auch bei Verantwortlichen der Tierindustrie hatte die Tierrechtsorganisation nachgefasst. Die Anfragen blieben bis zum heutigen Zeitpunkt unkommentiert.
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