- Anzeige - Masturbieren ist Selbstliebe Von Techniker Krankenkasse Kategorien: Gesundheit Stand: 2. September 2021, 12:38 Uhr Foto: Sergey Filimonov/Stocksy / stock.adobe.com Dass Männer masturbieren, ist doch klar. Es gibt ja auch etliche Euphemismen dafür: Von der Palme wedeln, runterholen, wixen und so weiter. Männer gelten gemeinhin als öfter geil, triebgesteuerter, schauen Pornos und machen es sich daher selbst. Aber Masturbieren ist viel mehr als das – Masturbieren ist Selbstliebe und Selbstfürsorge. Und zwar für Mann und Frau. Häufigkeit hin oder her: Wer sich selbstbefriedigt, ist ausgeglichener, lernt den eigenen Körper besser kennen, wird lockerer und sogar glücklicher. Daher dürfen (sollten?) auch Frauen viel öfter Hand anlegen. Um Tabus zu brechen, müssen die Themen „salonfähig“ werden: Aufklärung und Bildung sind wichtige Schritte dahin. Wir haben uns mit gleich zwei aufgeschlossenen und modernen Frauen unterhalten, beide Buchautorinnen zum Thema weibliche Masturbation. Richtig gelesen: Zu dem Thema Masturbieren kann man nicht nur ein ganzes Buch füllen, sondern gleich mehrere. Wir haben Gianna Bacio und Simone Hotz Fragen gestellt und spannende Antworten erhalten. Und die beiden Frauen sind sich einig: Masturbieren ist nicht nur wichtig, richtig und gut. Masturbieren ist auch sehr gesund. Ihr schreibt über Masturbation. Worum geht es dabei in euren Büchern? Buchautorin Gianna Bacio. Foto: Xenia Bluhm Gianna: Ich beschreibe in meinem Buch „Hand drauf“ vor allem die Geschichte der weiblichen Masturbation, um erstmal auf das Thema vorzubereiten und zu erklären, woher kommen eigentlich Begrifflichkeiten, die wir so im Alltag benutzen. Wie war das eigentlich mit der Masturbation früher? Wie ist das heute? War es immer schon tabu oder woher kam eigentlich diese Tabuisierung? Dann erkläre ich, wie es bei mir selbst war, wie ich selbst groß geworden bin. Ich schaue mir den Sexualkundeunterricht heute an, ob und wie das Thema behandelt wird. Ja und dann werde ich auch relativ konkret in dem Buch: Ich erkläre, welche Handgriffe es beispielsweise gibt oder was man tun kann, um seine eigene Sexualität zu entwickeln. Meiner Meinung nach kann eben die Masturbation dazu beitragen, dass die eigene Sexualität besser wird. Buchautorin Simone Hotz. Foto: Ole Rahmsdorf Simone: Ich behandle im Buch „Lustbewusst“ die weibliche Lust. Dabei geht es unter anderem auch um (weibliche) Masturbation und das damit verknüpfte Tabu. Ich möchte die Menschen, vor allem Frauen, dafür sensibilisieren, dass ihnen Masturbation nicht nur guttun, sondern auch helfen kann; beispielsweise sich kennenzulernen, eigene Bedürfnisse und den Körper zu erspüren. Masturbation ist ein wunderbares Vehikel, um Orgasmus zu „lernen“ bzw. zu üben oder aber gewisse körperliche Vorlieben zu „begreifen“. Das Wort sagt es schon: Begreifen ist wie anfassen, sich bewusst kennenlernen und in sich gehen. Wie seid ihr dazu gekommen? Gianna: Ich habe ursprünglich Grundschullehramt studiert. Im Referendariat habe ich aber gemerkt, dass ich nicht im System Schule arbeiten möchte. Interessengeleitet bin ich dann 2010 zum Fernsehen gekommen, wo ich gemeinsam mit einem Kollegen einen Aufklärungs-Kanal auf YouTube moderiert habe. Der Kanal ist immer größer geworden und ich habe gemerkt, dass mir das voll Spaß macht. Schließlich hatte ich noch nie Probleme damit, über Sexualität zu sprechen, war da schon immer neugierig und stand gerne vor Kamera. Und: Ich konnte es verbinden mit der Passion jemandem etwas beibringen zu wollen, also dem Lehrer Gedanken. Je größer der Kanal wurde, desto mehr habe ich mich auf die weibliche Sexualität und mein Kollege auf die männliche Sexualität fokussiert, bis ich mich selbstständig gemacht habe. Das erste Buch über Masturbation habe ich dann 2018 geschrieben und inzwischen entwickle ich auch Videoformate auf Instagram und TikTok rund um das ganze Thema Sexualität. Simone: Im Rahmen meiner Ausbildung zur Sexualpädagogin wurde mir klar, dass ich gar nicht so aufgeklärt bin, wie ich dachte. Ich bemerkte durch die Beschäftigung mit Sexualität, dass ich darüber weniger wusste als erwartet, obwohl ich weder verklemmt erzogen wurde noch mich als unaufgeklärt oder unerfahren bezeichnet hätte. Zwar sehen wir überall Sex, wir können auch ganz viel Sex haben, wenn wir das möchten, dennoch wissen viele Menschen wichtige Details oder Zusammenhänge nicht, die sie selbst womöglich (sexuell) beglücken könnten. Bestehende Sexmythen und Gepflogenheiten begrenzen uns alle. In diesem Zusammenhang bedeutet sexuell frei also nicht zwingend sexuell selbstbestimmt. Wir ahmen unter Umständen eher etwas nach, als dass wir wirklich herausfinden und offenbaren, was wir brauchen und wollen. Wissen über Sexualität hilft aus meiner Sicht, guten Sex zu haben. Für mich hatte die Beschäftigung mit Sexualität etwas Erhellendes. Ich wurde klarer und selbstbestimmter. Das wollte ich gewissermaßen „multiplizieren“, indem ich ein Buch (für alle) schrieb. Foto: CC0 Public Domain / Pexels – Anna Shvets Masturbieren ist immer noch ein Tabu Thema – aber gefühlt nur bei und für Frauen. Warum ist das so? Gianna: Die weibliche Sexualität generell wird in den Medien eigentlich nur sehr einseitig oder gar nicht dargestellt und deswegen auch nicht die weibliche Masturbation. Das Thema Sexualität ist zwar omnipräsent, aber überall herrscht immer noch das überwiegende Bild: Frauen bereiten Männern Vergnügen. Dass Frauen auch allein oder unter sich Vergnügen haben können, kommt so langsam, verbreitet ist es allerdings noch nicht. Und das führt dazu, dass Frauen oft gar nicht genau wissen, was sie selbst eigentlich wollen, was ihnen gefällt, wie sie sich berühren können – Es gibt ja auch gar keine Vorbilder. Biologisch ist es ja auch so, dass die weiblichen Genitalien nicht so sehr ersichtlich sind, hingegen der Penis außen liegt und Jungs sich schon von klein auf berühren. Mädchen hingegen hören „Fass dich da unten nicht an“ was zu einem ganz anderen Verständnis führt. Aber auch bei Frauen herrscht oft Unwissen um die eigenen Genitalien: Eine Umfrage unter meinen Follower:innen ergab, dass sich die meisten noch nie selbst angeschaut haben. Und das finde ich total krass! Auch wird die männliche Sexualität und die Penetration des Penis durch die verbreitete Praktik der „Rein-Raus“-Bewegung viel mehr unterstützt als die Weibliche. Wenn wir uns allein die Anatomie einer Vulva ansehen, dann ist das etwas, was gar nicht unbedingt so ansprechend ist für viele Frauen. Viele Frauen kommen mit einem „Das kann‘s doch jetzt nicht gewesen sein?“ zu mir. Simone: Weil sich gesellschaftlich festgesetzt hat, dass Frauen weniger sexuell sind. Das heißt, dass sie vermeintlich weniger Lust haben und mehr oder weniger die Hüterinnen der Monogamie qua „Natur“ verkörpern. Ausgehend von dieser Denke masturbieren Frauen dann auch nicht. Sie haben ja (biologisch?) offenbar weniger sexuelles Verlangen. Aus meiner Sicht ist das völliger Nonsens. Wir alle lernen Sexualität und so auch die Vorstellung von Sexualität und wie sie zu sein hat. Wir verinnerlichen also auch derartige Sexmythen. Mythen und daraus resultierende Tabus verhindern beispielsweise, dass Frauen von klein auf selbstverständlich vermittelt wird, wie wichtig, toll und hilfreich Masturbieren für sie sein kann, um ihrer Lust und Sexualität auf die Spur zu kommen und sie auszukosten. Ist Masturbieren gesund? Gianna: Ja definitiv! Da könnte ich jetzt ganz viele Gründe anführen. Zum einen senkt sich das Stresslevel, es hat positive Effekte auf die Haut-Beschaffung (Elastizität und Durchblutung der Haut) und es macht gute Laune, da entsprechende Glückshormone ausgeschüttet werden. Nach einem Orgasmus fühlt man sich entspannt, glücklich und weniger gestresst. Und das ist alles völlig kostenfrei und steht immer zur Verfügung. Es spricht also eigentlich alles nur dafür. Simone: Auf jeden Fall! Auf Teilchenebene sorgen zum Beispiel ausgeschüttete Hormone für positive Gefühle. Es werden im Stadium der Erregung Adrenalin und Endorphine ausgeschüttet und nach dem Orgasmus sogenannte Entspannungshormone wie Serotonin oder Prolaktin. Unser Belohnungszentrum wird aktiviert. Auch Wohlfühl-Hormone wie Dopamin und Oxytocin wirken durch einen Orgasmus. Wir empfinden tiefe Freude und Vertrauen. Ich denke, dass positive Gefühlslagen auf jeden Fall ganzheitlich gesund sind. Aber auch globaler – psychologisch – betrachtet ist Masturbation gesund. Nur, wer sich gut kennt, kann auch gut mit anderen. Körperbewusstsein und ein Sich-Kennen ist vor diesem Hintergrund auch Macht beziehungsweise das Gegenteil von Ohnmacht; oft sehen wir die Frauen ja als den passiven Teil und den Mann stereotyp als das aktive Element in Sachen Sex. Auch das ist ein Mythos. Es ist in diesem Zusammenhang mehr als gesund, zu zeigen und einzufordern, was Frau braucht, was sie erfüllt und befriedigt. Sexuelle Gesundheit und Zufriedenheit fallen nicht vom Himmel. Ein Mensch lernt achtsame Sexualität; für und mit sich selbst und für und mit anderen. Foto: CC0 Public Domain / Pexels – Elizabeth Lies Wie können wir eurer Meinung nach zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz beitragen, also das Thema (für Frauen) enttabuisieren? Gianna: Ich finde zum einen, dass wir die Systeme verändern könnten: hin zu mehr Offenheit solchen Themen gegenüber. Sprich: Sexualkunde-Unterricht an Schulen so gestalten, dass auch das Thema Lust rübergebracht wird und nicht nur die praktizierte „Verwaltungs-Pädagogik“. Sexuelle Aufklärung muss mehr bieten als „Wie vermeide ich eigentlich Schwangerschaft und Krankheiten?“ Auch in den Medien sollte die weibliche Sexualität wirksamer oder realistischer gezeigt werden. Film- und Fernsehformate sollten zeigen, was Frauen wirklich gefällt und dass auch Frauen mehr auf ihre Kosten kommen. Vielleicht können auch mal komplett verdrehte Rollen gezeigt werden, wo der Mann die Frau bedient und mehr „starke Frauen“ gezeigt werden. Sie sind ja da – unsere Gesellschaft muss eigentlich „nur“ zeigen, dass wir schon umgeben sind von echter weiblicher Sexualität. Simone: Indem wir das tun, was wir gerade tun: drüber reden und schreiben; Masturbation besprechen und bewusst beleuchten. Das macht Frauen Mut, weckt womöglich Neugierde, baut Verunsicherung ab und empowert sie – und nicht nur die Frauen. Es gilt im Grund genommen für alle Menschen. Was ratet ihr allen Frauen, die mit dem Thema noch nicht ganz so offen umgehen (können?) Gianna: Also ich sag zwar immer ganz häufig zu Frauen „Hey Du darfst dich anfassen und anschauen, mach das ruhig!“ aber ich glaube, dass diese Hürde für manche Frauen schon zu groß ist. Was ich auch nachvollziehen kann. Dann gilt es wirklich ganz kleine Schritte zu machen. Das kann zum Beispiel sein, sich ein Buch zu beschaffen, dass einem selbst entspricht. Entweder eher ein wissenschaftliches Buch, ein Sachbuch wie meins, aber es kann ja auch eine erotische Literatur sein, oder ein erotisches Hörbuch. Die Frage ist: Was ist der leichteste Zugang zu deiner eigenen Sexualität? Mein Tipp dabei: Finde heraus, was dich selbst ausmacht. Simone: Intimsphäre ist total wichtig und kostbar. Es gibt viele Möglichkeiten, sich sexuell weiterzuentwickeln, auch (!) indem man offen miteinander kommuniziert. Das muss aber nicht zwingend bedeuten, dass ich mit all meinen Freundinnen á la Sex and the City locker flockig drüber sprechen muss – obwohl eine gewisse Offenheit und der Austausch sicher auch befreien können. Offenheit ist Typ-Sache. Ich finde, wenn ich mich den wesentlichen Personen, also den Menschen, mit denen ich (meine) Sexualität teile, zeigen kann, indem ich vermittle und bespreche, was ich brauche, dann bin ich auf dem „Königinnenweg“; ich kann alle Frauen nur motivieren, sich kennenzulernen und sich an der richtigen Stelle aktiv wie lustbewusst sexuell mitzuteilen. Es lohnt sich. Vielen Dank euch beiden für dieses großartige Interview! Gianna Bacio ist die Aufklärerin des Internets. Als Sexualpädagogin und Autorin spricht und schreibt sie offen über Sex und wie er lustvoll gelingen kann. Mit ihrem Buch „Hand drauf!“ hat die gebürtige Kölnerin ein Plädoyer für die weibliche Masturbation geschrieben. Mit dem Podcast „Love your sex“, auf Insta und TikTok erreicht sie mittlerweile über eine halbe Million Menschen und ist damit eine der bekanntesten Sexfluencer überhaupt. Auf unterhaltsame und lockere Art bricht sie sogenannte „Tabus“, räumt mit Mythen auf und normalisiert, was einfach das Natürlichste der Welt ist. Sie lebt, liebt und arbeitet in Hamburg. Simone Hotz studierte Literaturwissenschaft, Sportwissenschaften und Pädagogik und beschäftigt sich als geprüfte Sexualpädagogin beruflich vor allem mit der Sexualität von Frauen und Jugendlichen. Sie ist davon überzeugt, dass wir zwar scheinbar freier, aufgeklärter und lässiger denn je sind, uns aber viel zu wenig mit unseren wirklichen sexuellen Bedürfnissen beschäftigen. Gelebte Sexualität braucht mehr sinnvolle Kommunikation und ein allgemeines Bewusstsein. Simone wurde in Südhessen geboren und lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Hast du jetzt Lust auf mehr? Wer jetzt noch mehr Lust auf das Thema bekommen hat, kann auf den Seiten der Techniker Krankenkasse direkt weiterlesen. Denn je mehr wir uns damit auseinandersetzen, desto eher machen wir Schluss mit dem Tabu. Finde heraus was feministische Pornografie ist und warum die Welt eine friedlichere wäre, wenn wir uns alle selbstbefriedigen würden. Mehr über die #weltverbesserer erfahren Mehr #weltverbessern: Beziehungen: Monogam, polygam oder LAT? Die Zukunft der Partnerschaft Typisch Mann, typisch Frau: Haben diese Rollenbilder ausgedient? Menstruation geht uns alle etwas an Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen. ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 99 3 Vielen Dank für deine Stimme! HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: