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Die Zukunft der Arbeit: „Kreativität wird gefragt sein“

TK Zukunft der Arbeit
Foto: mediaphotos / istock.com

Ein Gespräch mit Zukunfts-Experte Franz Kühmayer. Wird die Digitalisierung den Menschen in vielen Jobs überflüssig machen? Für Franz Kühmayer vom Zukunftsinstitut lautet die Antwort ganz klar „Jain“. Denn auch wenn Computer und Maschinen vieles schneller und effizienter erledigen können, fehlt ihnen eine wichtige Komponente: das Menschliche.

Nicht erst seit Corona verändert sich die Arbeitswelt. Digitalisierung und neue Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt halten schon länger Einzug. Die Pandemie wirkt sich auf die Zukunft der Arbeit nur wie ein Turbo-Beschleuniger aus. Wir wollten von Franz Kühmayer genauer wissen, welche menschlichen Eigenschaften in der Arbeitswelt von Morgen gefragt sein werden, wie sich diese verändern wird und welche Anzeichen es jetzt schon dafür gibt.

Herr Kühmayer, Sie sind Experte für Leadership, Zukunft der Arbeit und das Bildungswesen. Was meinen Sie, ist die Corona-Pandemie ein Turbo-Beschleuniger was die Zukunft der Arbeit angeht?

Sie war es ganz sicher in den letzten Monaten, zumindest in einzelnen Aspekten der Arbeitswelt. Ich empfinde es allerdings betrüblich, dass unter dem Summenstrich vielfach bloß das Thema Homeoffice überbleibt.

Die Pandemie hat uns unglaublich viele Stärken, aber auch enormen Nachholbedarf bei der Gestaltung der Zukunft der Arbeit aufgezeigt. Da ist die Erkenntnis, wie krisenfest Mitarbeiter:innen auf eine massive Disruption reagieren, wenn sie in einem Umfeld von Vertrauen und Toleranz arbeiten können. Da ist die Tatsache, dass über 70 Prozent der Führungskräfte Nachholbedarf beim Führen auf Distanz geortet haben – ob mobiles Arbeiten gelingt, ist vielfach also keine Frage der Technologie, sondern der Unternehmenskultur. Da ist die Polarisierung des Arbeitsmarktes, die durch Corona weiter beschleunigt wurde: Ungebremstes Wachstum und Jobnachfrage beispielsweise im High-Tech-IT-Sektor, während sich in anderen Branchen nicht mal mehr die Frage stellt, wie es weitergehen soll, sondern nur noch, ob es überhaupt weitergehen kann. Da sind die Arbeitsbedingungen der Menschen in systemrelevanten Berufen, die in den letzten Monaten zu Höchstleistungen auflaufen mussten. Da sind Millionen Menschen, die in Produktion, am Bau, im Bildungsbereich, in der Pflege arbeiten, für die die Home Office Diskussion komplett irrelevant ist.

Corona ist dann ein Evolutionsbeschleuniger, wenn wir die Gelegenheit wahrnehmen und diese Themen aufgreifen und ernsthaft bearbeiten, und nicht mit der Hoffnung zur Seite wischen, dass die Krise bald vorüber ist und sich dann niemand mehr für solch substanzielle Fragen interessiert.

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Gemeinschaftssinn und Kreativität werden weiterhin besonders gefragt sein. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Nick Fewings)

Wie sehen Sie die aktuelle Rolle des Menschen in der digitalisierten Arbeitswelt?

Ich finde es erstaunlich, dass die Digitalisierung häufig unter dem Aspekt betrachtet wird, welche Berufe sie hinwegraffen wird. Ich habe da eine viel positivere Perspektive: Erstens erlaubt es Technologie, Arbeit besser für uns Menschen zu gestalten. Sie kann uns langweilige Routine-Aufgaben abnehmen, sie kann gefährliche Tätigkeiten für uns übernehmen oder belastende Arbeitssituationen erleichtern. Und sie kann dazu beitragen, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Einschränkungen zu erleichtern.

All das ist heute bereits längst der Fall, und wir tun gut daran, dass anzuerkennen – dann fällt es uns auch leichter, die berechtigten Zweifel und Sorgen, die mit der Digitalisierung einhergehen, einer Lösung zuzuführen.

Was wird sich an dieser Rolle künftig verändern?

Langfristig wird sich eine geradezu paradoxe Entwicklung abzeichnen: Ausgerechnet die kühle Logik der Maschinen wird die Daseinsbegründung des Menschen in der Arbeitswelt festigen. Dazu ist es allerdings entscheidend, uns von dem Gedanken des Wettrennens gegen die Maschinen zu verabschieden.

Wenn wir in den gleichen Disziplinen antreten, wie Computer, haben wir von vornherein verloren: Roboter werden niemals müde, Algorithmen rechnen schneller und analysieren besser, als wir das jemals könnten. Zu versuchen, sie darin zu überbieten, ist also sinnlos.

Im Gegenteil treiben uns Computer näher zu unserer Menschlichkeit in der Arbeitswelt. Wir sind soziale Wesen und wir sind schöpferisch – beides sind Computer nicht und werden es auch nicht sein. Daher werden genau jene Berufe und Tätigkeiten, in denen Gemeinschaftssinn und Kreativität gefragt sind, also jene Eigenschaften, die uns als Menschen erst ausmachen, besonders gefragt sein. Wenn die Maschinen bessere Maschinen werden, dann müssen wir Menschen bessere Menschen werden. Das ist doch eine frohe Botschaft!

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Wie soll man Orientierung, Stabilität, Ausrichtung stiften können, wenn man sich selbst im Angesicht einer globalen Pandemie hilflos fühlt? (Foto: Franz Kühmayer / Zukunftsinstitut)

Sie waren selbst lange als Top-Manager für internationale Konzerne tätig, wie haben sich die Anforderungen an die Führungskräfte durch Corona geändert?

Die Ansprüche an Führung sind hoch, sie steigen ständig und dieser Anspruch ist durch Corona nun nochmals angewachsen. Und gleichzeitig hat die Krise auch eine Art Erleichterung gebracht. All die ausgefeilten Pläne und Strategien wurden durch ein klitzekleines Virus von einem Tag auf den anderen zunichte gemacht.

Das leitet uns als Führungskraft auf unsicheres Terrain: Wie soll man Orientierung, Stabilität, Ausrichtung stiften können, wenn man sich selbst im Angesicht einer globalen Pandemie hilflos fühlt? Der Schlüssel liegt in einem grundlegend veränderten Verständnis von Führung. Der Anspruch an uns selbst, als Vorstand oder Geschäftsführer:in, kann es nicht sein, allwissend zu sein, und in den schwierigsten Situationen immer die richtige Antwort parat zu haben. Unser Anspruch darf und muss es sein, fortwährend neugierig zu sein, zu lernen und vor allem zu lernen, mit Komplexität, Dynamik, Überraschungen und Widersprüchen umzugehen.

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Welche Anforderungen sehen sie auf die Arbeitnehmer:innen zukommen?

Ich bin davon überzeugt, dass sich eine gelungene Arbeitswelt von morgen und die Rolle, die der Einzelne darin spielt, vor allem durch drei Buchstaben auszeichnet: P, wie Purpose, also Sinnstiftung für die Einzelne aber vor allem auch für die Gesellschaft, einer Orientierung am nachhaltigen Gemeinwohl; E, wie Education, also Bildung, und dabei vor allem kompetenzorientierte Bildung; und P wie Partizipation, also die aktive und verantwortungsvolle Beteiligung am gemeinsamen Fortkommen. Ich nenne das „PEP-Prinzip“.

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Menschen müssen befähigt werden, zukunftsträchtige Systeme zu schaffen! (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Ross Findon)

Mit den Anforderungen verändert sich auch das, was die Absolvent:innen von der Universität oder der Ausbildung mitbringen müssen. Ist das Bildungswesen auf die Zukunft der Arbeit vorbereitet?

Nein. Und das ist kein Lehrer:innen-Bashing und auch nur am Rande eine Frage von Budget oder Ausstattung, sondern vor allem eine strukturelle Kritik. Wir verwechseln Ausbildung mit Bildung, und hecheln damit immer kurzfristiger wirkenden Entwicklungen hinterher. Was bringt es, Lehrpläne auf die nach gefragtesten Jobprofile des Jahres 2021 hin anzupassen, wenn wir doch sicher sein können, dass es genau diese Berufe in 10 Jahren nicht mehr geben wird? Sowohl in Schule als auch Universität müssen wir aufhören, Menschen heranzubilden, die sich im aktuellen System bewähren sollen, und stattdessen Menschen befähigen, zukunftsträchtige Systeme zu schaffen!

Wenn es um die Zukunft der Arbeit geht, wie wichtig ist dabei der Aspekt der Sinnstiftung?

Enorm wichtig, und zwar aus doppelter Sicht. Arbeit muss für den Einzelnen sinnstiftend sein, ansonsten tauschen wir bloß Lebenszeit gegen Einkommen – das kann auf Dauer in niemandes Interesse sein. Darauf zu hoffen, dass das eigentliche Leben nach Feierabend, mit dem Wochenende oder dem Eintritt in den wohlverdienten Ruhestand endlich eintritt, scheint mir eine sehr betrübliche Perspektive zu sein.

Aber Sinn ergibt sich nicht nur aus einer egoistischen Sicht, sondern vor allem im Beitrag an die Gesellschaft. Sinnvolle Arbeit zu vollrichten bedeutet, dass es der Welt ein kleines Stück besser geht, weil ich arbeite. Das ist ein hoher Anspruch, aber einer, den Hunderttausende Menschen schon heute erfüllen, und übrigens vielfach unter beklagenswerten Arbeitsbedingungen und bei schlechter Bezahlung – oder auch gänzlich ohne Bezahlung. Arbeit ist ja nicht nur bezahlte Erwerbsarbeit, sondern auch Familienarbeit, Sozialarbeit, Freiwilligenarbeit!

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Anerkennung und gute Arbeitsbedingungen sind wichtig für ein gutes Arbeitsklima. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Firmbee Com)

Welche Rolle spielt dabei die Anerkennung des Einzelnen?

Anerkennung ist gut und wichtig. Wir wissen seit den Frühwerken der Soziologie, wie entscheidend das Gefühl gebraucht zu werden, für unser Wohlergehen ist. Es darf aber nicht beim gut gemeinten Schulterklopfen bleiben: Den Held:innen des Alltags vom Balkon zu applaudieren, ist eine nette Geste, aber sie zahlt nicht die Miete. Es ist wichtig, Anerkennung zu zollen, aber wir müssen uns auch dafür einsetzen, dass sich die Arbeitsbedingungen für alle Menschen verbessern.

Wie wichtig ist oder wird der gesundheitliche Aspekt für die Zukunft der Arbeit sein?

Das Thema Gesundheit ist ja in den letzten Monaten ganz unmittelbar in den Fokus gerückt, gesellschaftlich, aber auch am Arbeitsplatz. Ich bin ganz sicher, dass sich erfolgreiche Unternehmen dadurch auszeichnen werden, dass sie auf dem Thema drauf bleiben, selbst wenn die Notwendigkeit für Handdesinfektionsmittel und Plexiglasbarrieren irgendwann mal nicht mehr besteht: Corporate Health wird zum Differenzierungsmerkmal als attraktiver Arbeitgeber, und zwar in einem umfassenden Sinn, der auch mentale und psychische Belastungen einschließt!

Wie sieht für Sie als Experte die ideale Zukunft der Arbeit aus?

Selbstbestimmt. Verantwortungsbewusst. Menschlich. Kreativ. Lernend.

Franz Kühmayer ist Experte für das Thema „Zukunft der Arbeit“ mit den Schwerpunkten Leadership, Zukunft der Arbeit und Bildungswesen. Zwischen Trendforschung und Unternehmensberatung verbindet er seine spannenden Perspektiven mit ganz konkreten Lösungsansätzen. Er bringt hierbei seine Erfahrungen als Top-Manager internationaler Konzerne ein und wirft einen frischen Blick hinter die Kulissen und damit in die Zukunft der Arbeit.

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