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Mindestlohn für Textilarbeiter:innen steigt stark: Kritik von allen Seiten

Mindestlohn für Textilarbeiter:innen verdoppelt sich: Kritik von allen Seiten
Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Bozhin Karaivanov

Der Mindestlohn für Textilarbeiter:innen in Bangladesch soll bald um circa 60 Prozent steigen. Das ist das Ergebnis von Verhandlungen, die von wochenlangen Protesten im Land begleitet wurden. Mit dem Ergebnis sind weder Fabrikbesitzer:innen noch Gewerkschaften zufrieden.

Nach anhaltenden Protesten hat die Regierung in Bangladesch beschlossen, den Mindestlohn für Textilarbeiter:innen zu erhöhen. Er soll ab Dezember um fast 60 Prozent steigen, von 8.000 Taka (68 Euro) pro Monat auf 12.500 Taka (106 Euro), wie mehrere Medien am Dienstag berichteten. Die letzte Anpassung liegt fünf Jahre zurück.

Auf die Höhe hatte sich die Regierung mit Gewerkschaftsvertreter:innen und Fabrikbesitzer:innen geeinigt. Im Rahmen der Verhandlungen kam es zu großflächigen Protesten, circa 175 Fabriken mussten die Produktion einstellen. Wie die NGO Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland berichtet, rief die Ankündigung des neuen Mindestlohns weitere Unruhen in der Hauptstadt von Bangladesch hervor.

Fabrikbesitzer:innen und Gewerkschaften kritisieren neuen Mindestlohn

Ein Vertreter der Fabrikbesitzer:innen bezeichnete den neuen Mindestlohn gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters als eine „Katastrophe“ für die Branche. Ihm zufolge hätten mehrere Eigentümer:innen von Fabriken ihre Kunden um finanzielle Hilfe gebeten, um die Lohnerhöhungen finanzieren zu können. Marken wie Zara, H&M, Levi Strauss und viele andere lassen ihre Ware mitunter in Bangladesch produzieren.

Gewerkschafter:innen kritisierten dagegen auch den neuen Mindestlohn als zu gering. Sie argumentieren, die Löhne hätten in den letzten fünf Jahren nicht mit der Inflation im Land Schritt gehalten. Nach Angaben des Statistischen Amtes von Bangladesch stieg die Inflation zwischen 2022 und 2023 auf 9 Prozent. Die Textilarbeiter:innen fordern einen Mindestverdienst von 23.000 Taka pro Monat (195 Euro) und beziehen sich auf eine Berechnung des Bangladesh Institute for Labor Studies. Die Gewerkschaften üben auch scharfe Kritik am Lohnfindungsprozess und fordern, den Mindestlohn jährlich zu überprüfen.

Der Einigung waren wochenlange Proteste vorausgegangen. Laut CNN Business gab es gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei, auch unter dem Einsatz von Tränengas und Gummimunition. Drei Protestierende kamen demnach ums Leben.

Proteste dieses Ausmaßes habe es seit dem Rana-Plaza-Fabrikeinsturz vor 10 Jahren nicht mehr gegeben. „Die Situation eskaliert und wird immer gewalttätiger“, erklärt eine Vertreterin von IndustriALL Global Union, der die Gewerkschaften in Bangladesch angehören, gegenüber CNN Business.

Offener Brief von Adidas und Co.: NGO sieht Engagement kritisch

Im Zuge der Verhandlungen und Proteste hatten Modekonzerne wie Abercrombie & Fitch, Adidas, Gap, Hugo Boss und Levi Strauss einen offenen Brief an die Premierministerin von Bangladesch, Sheikh Hasina, verfasst. Darin kündigten sie an, sich „für die Umsetzung verantwortungsvoller Einkaufspraktiken“ einsetzen zu wollen.

Ob die Marken die steigenden Produktionskosten durch höhere Löhne mittragen beziehungsweise an Kund:innen weitergeben werden, ist offen. Wie ein Geschäftsführer der Envoy Group, welche unter anderem an Zara liefert, gegenüber Reuters erklärt, würden Modekonzerne bei höheren Kosten oft einen Lieferantenwechsel androhen, um niedrigere Preise durchzusetzen.

Die NGO Kampagne für saubere Kleidung sieht das Engagement der Modemarken kritisch. „Obwohl viele Modemarken angeben, sich für existenzsichernde Löhne einzusetzen, unterstützen nur wenige die Forderung der Gewerkschaften“, heißt es in einer Pressemitteilung. Auch sie betont, dass der neue Mindestlohn nicht ausreiche und Beschäftigte dazu zwinge, weiterhin ums Überleben kämpfen zu müssen. Die NGO kritisiert weiter, sie habe Modekonzerne mehrfach aufgefordert, die gewerkschaftliche Forderung nach einem Mindestlohn von 23.000 Taka öffentlich zu unterstützen. Doch fast alle Marken hätten sich geweigert.

Gegenüber CNN Business äußerten sich verschiedene Modekonzerne zur aktuellen Lage. H&M erklärte, das Unternehmen erkenne die wichtige Rolle an, die es bei der Zahlung existenzsichernder Löhne durch verantwortungsvolle Einkaufspraktiken spiele. Auf Nachfrage, wie diese Rolle aussehe, antworte das Unternehmen nicht. Doch es versicherte, die Proteste würden sich nicht groß auf die gesamte Produktion oder Lieferkette auswirken. Das Modelabel Patagonia hat sich öffentlich zu den Gewerkschaftforderungen von 23.000 Taka pro Monat bekannt. Die Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association, die die Fabrikbesitzer vertritt, äußerte sich auf Nachfrage nicht.

Verwendete Quellen: Reuters, CNN Business, offener Brief, Pressemitteilung Kampagne für saubere Kleidung

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