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Ex-Millionär Sebastian Klein: „Darum habe ich den Großteil meines Reichtums abgegeben“

Sebastian Klein – Utopia Changemaker Podcast
Foto © Sebastian Klein

Sebastian Klein hat mit einer erfolgreichen App Millionen verdient – und sich dann entschieden, den Großteil abzugeben. Im Utopia Changemaker Podcast spricht er über toxischen Reichtum, die Illusion der Leistungsgesellschaft und darüber, wie Vermögen unsere Demokratie und den Klimaschutz untergräbt.

Utopia.de: Sebastian, du warst Mitgründer der Lern-App Blinkist und bist durch den späteren Verkauf der Firma zum Multimillionär geworden. Heute hast du den Großteil deines Vermögens abgegeben. Warum?

Sebastian Klein: Ich habe gemerkt, dass es mir Sicherheit gibt, genug Geld zu haben – aber zu viel Geld hat nichts Positives mehr mit mir gemacht. Gleichzeitig habe ich mich intensiv mit der extremen Ungleichheit in Deutschland beschäftigt. Ich sprach viel über die Probleme von Ungleichheit – und wurde selbst immer reicher. Irgendwann habe ich erkannt: Ich bin Teil des Problems. Also habe ich den Großteil meines Reichtums abgegeben.

Jetzt die gesamte Folge im Utopia Changemaker Podcast anhören!

Was hast du konkret mit deinem Vermögen gemacht?

Ich habe mein Geld Schritt für Schritt weitergegeben – an gemeinwohlorientierte Projekte, Organisationen und Strukturen, die einen positiven gesellschaftlichen Wandel fördern. Im Grunde fing das schon 2019 an, als wir Neue Narrative gegründet haben. Da habe ich viel Geld und unbezahlte Arbeit reingesteckt. Und wir haben das Unternehmen in Verantwortungseigentum gegründet, d.h. niemand kann mit dem Verkauf des Unternehmens reich werden – auch nicht ich

Wie schwer ist dir die Entscheidung gefallen, dein Vermögen abzugeben?

Natürlich hatte ich Zweifel. Es gab immer wieder Phasen, in denen ich mich gefragt habe: Was ist, wenn ich das Geld später doch noch brauche? Dieses Sicherheitsdenken ist tief in uns verankert – und ich bin da keine Ausnahme.

Aber je länger ich mich mit der Idee beschäftigt habe, desto klarer wurde mir: Ich brauche gar nicht so viel, um mich sicher zu fühlen. Und ich will später zurückblicken und sagen können: Ich habe versucht, das Richtige zu tun.

Wir sind keine Leistungsgesellschaft, wir sind eine Erbengesellschaft

In deinem Buch “Toxisch reich” beschreibst du, wie extremer Reichtum unsere Demokratie bedroht. Was passiert, wenn Vermögen so ungleich verteilt ist?

Unsere demokratische Ordnung basiert auf der Idee, dass alle Menschen gleiche Rechte und Einflussmöglichkeiten haben. Aber wenn einige wenige so viel Vermögen besitzen, dass sie die öffentliche Meinung, die Politik oder sogar ganze Märkte beeinflussen können, kippt dieses Gleichgewicht.

Wenn Vermögen in dieser Größenordnung unkontrolliert Macht erzeugt, verlieren wir das, was Demokratie eigentlich ausmacht: Chancengleichheit, Beteiligung und eine faire Verteilung von Einfluss. Das ist kein theoretisches Problem – wir sehen längst, wie Vertrauen in demokratische Institutionen schwindet und extremistische Parteien Zulauf bekommen.

Du kritisierst außerdem, dass wir uns die Ungleichheit in Deutschland schönreden – indem wir behaupten, wir lebten in einer Leistungsgesellschaft. Was meinst du damit genau?

Uns wird oft erzählt, dass jeder durch harte Arbeit reich werden kann. Das ist ein Mythos. In Wirklichkeit sind wir eine Erbengesellschaft: Wer wo in der Vermögensverteilung steht, wird nicht durch Leistung entschieden, sondern vor allem durch die Geburt. Und wir sind eine unfassbar ungleiche Gesellschaft.

In Deutschland besitzt das reichste 0,1 Prozent, das sind letztlich nur ein paar tausend Familien, über ein Fünftel des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung fast nichts besitzt. Das Problem daran: Reichtum bedeutet nicht nur Wohlstand, sondern auch Macht. Superreiche können politischen Einfluss nehmen, die öffentliche Meinung prägen und Medien kontrollieren. Das gefährdet die Demokratie.

Unsere Wirtschaft braucht keine Milliardäre, um zu funktionieren.

Was hat extreme Ungleichheit mit der Klimakrise zu tun?

Sehr viel. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung verursacht mehr als doppelt so viele Emissionen wie die ärmere Hälfte, also vier Milliarden Menschen zusammen. In Deutschland stößt eine Person aus dem reichsten Prozent 83 Tonnen CO₂ pro Jahr aus – das ist das 15-Fache des Durchschnitts.

Das liegt nicht nur an Luxusjachten und Privatjets, sondern vor allem daran, wo das Geld investiert wird. Die Superreichen stecken ihr Vermögen oft in fossile Industrien, weil dort hohe Renditen winken. Solange das passiert, wird die Energiewende und die Transformation unserer Wirtschaft ausgebremst.

Was müsste sich ändern, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen?

Es gibt viele Stellschrauben, an denen wir drehen können. Aus meiner Sicht wären drei besonders wirkungsvoll. Erstens: eine gerechtere Besteuerung. Momentan zahlen sehr vermögende Menschen in Deutschland oft weniger Steuern als Teile der Mittelschicht. Eine faire Erbschafts- und Vermögenssteuer würde hier viel verändern – vor allem, wenn die riesigen Ausnahmen für große Erbschaften abgebaut würden.

Zweitens: Unternehmen sollten anders strukturiert sein. Verantwortungseigentum ist dafür ein Modell, das sich bewährt hat – etwa bei Bosch oder Zeiss. Unternehmen gehören sich dabei im Grunde selbst, statt einzelnen Milliardären. Das verhindert, dass wirtschaftliche Macht in die Hände weniger fällt. Auch wenn uns oft das Gegenteil eingeredet wird: Unsere Wirtschaft braucht keine Milliardäre, um zu funktionieren.

Und drittens: Ich finde die Idee eines Grunderbes sehr wichtig. Jeder Mensch sollte zum Start ins Erwachsenenleben ein finanzielles Polster bekommen – zum Beispiel zum 18. Geburtstag. Damit könnte man Bildung finanzieren, ein eigenes Projekt starten oder den Grundstein für eine eigene Immobilie legen – unabhängig davon, ob man aus einem wohlhabenden Elternhaus kommt oder nicht.

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