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Ich habe meine Arbeitszeit auf 32 Stunden reduziert – darum habe ich es nur 6 Monate ausgehalten

Teilzeit 32 Stunden Woche
Foto: CC0 / Unsplash - Glenn Carstens-Peters

32 statt 40 Stunden pro Woche arbeiten: Utopia-Redakteur Benjamin hat es ausprobiert – und merkte schnell: Zu wenig arbeiten ist auch keine Lösung. Er fand einen Mittelweg und hat dabei einiges gelernt – über Produktivität, Work-Life-Balance und sich selbst.

Fünf Jahre lang habe ich in Vollzeit gearbeitet. Jede Woche 40 Stunden. Die Folgen: mal trockene Augen, mal ein verspannter Nacken und fast durchgehende Erschöpfung. 40 Stunden pro Woche am Schreibtisch zu sitzen und auf einen Bildschirm zu starren, fühlte sich für mich nie zufriedenstellend an. Ende 2023 fasste ich deshalb den Entschluss, meine Arbeitszeit zu reduzieren.

32 Stunden, aber keine Vier-Tage-Woche

Ab Januar 2024 arbeitete ich nur noch 32 Stunden pro Woche, allerdings nicht innerhalb einer Vier-Tage-Woche, sondern verteilt auf fünf Tage. Einerseits, um keine wichtigen Entwicklungen zu verpassen verpassen und meine Kolleg:innen regelmäßiger zu sehen. Anderseits, weil ich meine Freizeit umso mehr genießen kann, wenn ich produktiv in den Tag starte – deshalb finde ich es auch gar nicht schlimm, fünf Tage die Woche zu arbeiten.

Was mich damals jedoch mehr störte, waren die Acht-Stunden-Tage. Manchmal war ich mental nach sieben Stunden schon so ausgelaugt, dass ich die achte Stunde nicht mehr konzentriert weiterarbeiten konnte. An solchen Tagen quälte ich mich Richtung Feierabend und beendete den Arbeitstag mit einem schlechten Gefühl, das dann auch noch in meine Freizeit überschwappte.

Nachdem ich meine Arbeitszeit verkürzt hatte, konnte ich flexibler arbeiten: mal vier, mal sechs, mal acht Stunden am Tag. Wenn es mir gut ging, waren sogar mal neun Stunden drin – je nachdem, was die Situation erforderte und wie fit ich mich fühlte. Mein Gehalt wurde entsprechend der Arbeitszeit gekürzt, ich bekam also keinen Lohnausgleich.

Zeit vs. Geld
Das Teilzeit-Dilemma: Entscheidet man sich für mehr Freizeit, muss man auf Geld verzichten – und umgekehrt. (Foto: CC0 / Pixabay - Steve Buissinne)

Dennoch bin ich mir bewusst, dass die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit ein Privileg ist, das andere nicht haben. Viele müssen Vollzeit arbeiten, um über die Runden zu kommen. Andere sind zur Teilzeit gezwungen, etwa Elternteile oder pflegende Angehörige aufgrund mangelnder Betreuungsmöglichkeiten. Dieser Artikel gibt meine individuellen Erfahrungen wieder, um anderen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, eine Entscheidungshilfe zu geben.

Die 32-Stunden-Woche: Pro und Contra

Mein Versuch hat sich auf jeden Fall ausgezahlt. Nicht weil alles perfekt lief, sondern weil ich einige wichtige Erkenntnisse sammeln konnte. Diese habe ich im Folgenden als Pro- und Kontra-Argumente für bzw. gegen mein 32-Stunden-Modell aufgelistet.

Pro: Ich war viel entspannter

Durch die Reduktion meiner Arbeitszeit ging es mir schnell besser. Ich war nur noch selten erschöpft oder gestresst und wenn doch, hatte ich genügend Zeit, mich davon zu erholen. Als ich noch 40 Stunden gearbeitet hatte, fiel es mir oft schwer, in meiner Freizeit aktiv fordernden Aktivitäten nachzugehen. Der Feierabend diente neben dem Sport, dem Haushalt und bürokratischen Erledigungen vor allem der Erholung. Ich musste den Akku vollständig aufladen. Tat ich das nicht, wurde der nachfolgende Arbeitstag hart.

Mit 32 Stunden war die Lage viel entspannter. Mir blieb selbst nach ausreichender Erholung immer noch Freizeit übrig, die ich in meine Hobbys oder andere sinnvolle Aktivitäten stecken konnte. Zum Beispiel nahm ich an Webinaren zur Demokratieförderung teil und absolvierte einen Onlinekurs zu Künstlicher Intelligenz. Dafür hätte ich zuvor keine Energie gehabt.

Kontra: Ich nutzte meine Freizeit nicht so produktiv wie gedacht

Ich muss jedoch auch gestehen: Meine Erwartungen an die 32-Stunden-Woche waren zu optimistisch. Ich dachte vorher wirklich, ich würde die neu gewonnen acht Stunden größtenteils produktiv einsetzen. Zum Beispiel hatte ich mir vorgenommen, Nachhilfe zu geben, gelegentlich freiberuflich Artikel für ein anderes Medium zu schreiben und endlich eine vernünftige Social-Media-Präsenz aufzubauen. Mit Ausnahme eines neuen Instagram-Profilbilds ist nichts davon passiert.

Ich wusste aus meinem früheren Arbeitsleben, dass ich 40 Stunden produktiv sein kann. Deswegen war es etwas frustrierend, dass ich nun weniger schaffte, als ich mir vorgenommen hatte. Ich hatte mich eben schnell an die zusätzliche Zeit gewöhnt, war etwas träge geworden und verbrachte den größten Teil meiner Freizeit dann eben doch mit reiner Entspannung.

Pro: Ich war produktiver bei der Arbeit

In meiner Freizeit war ich zwar nicht so aktiv wie erhofft. Dafür arbeitete ich jetzt in meinem Job deutlich motivierter, konzentrierter und somit auch produktiver – zumindest pro Arbeitsstunde. Auch meine Stimmung wurde besser: Das Gefühl, während der gesamten Arbeitszeit ein hohes Maß an Motivation aufrechtzuerhalten, sorgte automatisch für bessere Laune.

Als ich noch 40 Stunden gearbeitet hatte, kam oft folgender Gedanke hoch: Ich habe zu wenig Freizeit, um all das zu tun, was ich gerne möchte und zu viel Arbeitszeit, in der das Hirn schon qualmt und nur noch auf Sparflamme läuft. Durch die Teilzeit ging ich nun fast immer ausgeruht in den Feierabend und freute mich, am nächsten Tag weiterzumachen.

Dadurch kam auch schnell der Gedanke in mir auf, ob mir 32 Stunden nicht zu wenig sind und ich es vielleicht mal mit 36 Stunden ausprobieren sollte. (Dazu später mehr.) Diese Überlegung hing aber nicht nur mit meiner Motivation, sondern auch mit meiner nächsten Erkenntnis zusammen.

Kontra: Oft hatte ich zu wenig Zeit für meine Arbeit

Bei der Umstellung von Vollzeit auf Teilzeit hatte ich einen Fehler gemacht. Ich hatte zwar meine Arbeitszeit reduziert, aber nicht mein Arbeitspensum. Zwar gab es durchaus Aufgaben, bei denen ich meinen Output einfach verringern konnte, doch das war nicht überall möglich.

Vor der Umstellung hatte ich Zeit, aber mir fehlte die Motivation. Nach der Umstellung war es umgekehrt. Ständig musste ich meine Kolleg:innen vertrösten: „Gute Idee, aber ich habe keine Zeit.“ Das war ärgerlich und gab mir ständig das Gefühl, dass ich noch mehr leisten sollte. Andererseits lernte ich so auch, noch effizienter zu werden und klare Prioritäten zu setzen, um mich auf die wirklich wichtigen Aufgaben zu fokussieren.

Wer seine Arbeitszeit reduzieren möchte, sollte diesen Fehler vermeiden und sich vorher Gedanken machen, welche Aufgaben man möglicherweise abgeben kann.

Pro: Ich wurde kaum noch krank

Sechs Monate arbeitete ich in einer 32-Stunden-Woche und musste mich dabei keinen einzigen Tag krankschreiben. Das heißt nicht, dass ich überhaupt nicht krank war. Doch wenn ich mit einer leichten Erkältung aufwachte und wusste, dass ich an dem Tag nur vier Stunden arbeiten muss, hatte ich kein Problem damit, mich den Vormittag an den Schreibtisch zu setzen. Schließlich hatte ich anschließend noch genug Zeit zum Entspannen und da ich fast ausschließlich im Home-Office arbeitete, konnte ich auch niemanden anstecken.

Bei einem Acht-Stunden-Tag hätte ich mich eher krankgemeldet, weil diese Tage anstrengender sind. Ich hätte die Sorge gehabt, ich könnte mich nicht ausreichend auskurieren und würde die Krankheit nur verschleppen, wenn ich gearbeitet hätte.

Kontra: Ich musste mit weniger Geld klarkommen

Die verringerte Arbeitszeit führte dazu, dass ich einige Hundert Euro weniger im Monat zur Verfügung hatte. Vorübergehend konnte ich mir das zwar leisten, trotzdem merkte ich, dass ich nun stärker darauf achten musste, wofür ich mein Geld ausgebe. Außerdem wurde es nun deutlich schwerer, am Ende des Monats ausreichend Geld zur Seite zu legen, um meine private Altersvorsorge zu füttern. Ein weiterer Grund, weshalb ich mich wieder vom 32-Stunden-Modell getrennt habe. 

Kaputtes Sparschwein
Hat am meisten unter der Teilzeit gelitten: mein (symbolisches) Sparschwein. (Foto: CC0 / Pixabay - Kevin Schneider)

Weniger Geld bedeutet außerdem weniger Rentenpunkte und somit eine Schwächung der gesetzlichen Altersvorsorge. Das sollte einem bewusst sein, wenn man mit dem Gedanken spielt, die eigene Arbeitszeit mitsamt dem Gehalt zu reduzieren.

Immerhin: Die Einkommenseinbußen sind bei Teilzeit aufgrund der progressiven Besteuerung geringer, als man im ersten Moment denkt: Denn obwohl sich mein Bruttolohn proportional zur Arbeitszeit um 20 Prozent reduziert hatte, hatte sich mein Nettolohn nur um etwa 16 Prozent verringert.

32 Stunden ist mir zu wenig: Jetzt arbeite ich 36 Stunden

Wie die Auflistung der Pro- und Contra-Argumente zeigt, hatten meine 32-Stunden-Wochen auch Schattenseiten. Für einige Monate mit deutlich geringerem Gehalt zu leben, war in Ordnung, aber auf Dauer wäre es mir tatsächlich zu wenig gewesen. Außerdem hatte ich oft nicht genug Zeit, alles abzuarbeiten, was auf meiner To-Do-Liste stand. Es war ärgerlich, dass ich nicht mehr beitragen konnte, weil meine Arbeitsstunden zu schnell verbraucht waren.

Doch was meine Stimmung am meisten trübte: Die neu gewonnene Freizeit habe ich schlichtweg nicht so genutzt, wie ich gerne gewollt hätte. Ich musste mir leider eingestehen, dass mir für manche meiner privaten Pläne dann doch die Motivation fehlte.

Also habe ich mich nach einem halben Jahr entschieden, meine Arbeitszeit ab Juli 2024 wieder zu erhöhen – allerdings nicht zurück auf 40, sondern auf 36 Wochenstunden. Für mich stellt das seitdem die optimale Work-Life-Balance dar. Ich habe jeden Monat wieder etwas mehr Geld, fühle mich gesund und entspannt und bin deshalb wahrscheinlich produktiver, als ich es mit 40 Stunden Arbeitszeit war.

Die perfekte Arbeitszeit ist individuell verschieden

Mein Erfahrungsbericht kann keinesfalls stellvertretend für alle Branchen und Jobs darüber Auskunft geben, ob sich eine Reduzierung der Arbeitszeit lohnt. Auch die eigene Persönlichkeit spielt bei der Entscheidung eine große Rolle.

Ich selbst habe in meinem Leben mehrfach Jobs und Abteilungen gewechselt und kam unterschiedlich gut mit meiner Arbeitszeit klar. Mal langweilte ich mich, mal kam ich selbst in Vollzeit kaum hinterher, weil zu viel von mir verlangt wurde. Bei einem anderen Job wiederum schaffte ich es tatsächlich, die 40 Stunden relativ zuverlässig mit konzentrierter Arbeit zu füllen. Für mich hängt das sehr stark von der Tätigkeit ab und ob sich diese wirklich für acht Stunden am Stück oder 40 Stunden pro Woche gleichermaßen konzentriert ausfüllen lässt.

Ich kann nur empfehlen, es mal auszuprobieren – sofern der Arbeitgeber diese Möglichkeit zulässt und man sich damit nicht in finanzielle Schwierigkeiten begibt. Nur so findet man heraus, welches Arbeitszeitmodell am besten zu einem passt.

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