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175.000 Flüge, um die Polkappen abzukühlen – wie das funktionieren soll

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Foto: CC0 / Pixabay / girlart39

Flugzeuge sollen im Notfall dabei helfen, die Temperatur der Erde wieder zu stabilisieren, indem sie Schwefeldioxid versprühen. Wie das Konzept genau funktionieren soll, erfährst du hier.

Eine Studie vom August 2022 berichtet, dass sich die Arktis viermal so schnell erwärmt hat wie der Rest des Planeten seit dem Jahr 1979. Laut den Forschenden ist dies deutlich schneller als bislang angenommen. 

Angesichts solcher Forschungsergebnisse und des existenzbedrohenden Ausmaßes der Klimakrise, suchen Wissenschaftler:innen auch nach kurzfristigen Lösungen, die Erdtemperatur zu stabilisieren. Diese können zwar nicht die Klimakrise an sich aufhalten, jedoch immerhin ihre Symptome. Solche Lösungsansätze sind auch als Geoengineering bekannt. Geoengineering ist dabei der Oberbegriff für alle Methoden, die darauf ausgelegt sind, das Klimasystem bewusst mit technischen Mitteln zu verändern, um die Konsequenzen der Klimakrise zu verlangsamen oder abzumildern.

Eine aktuell vieldiskutierte Methode soll das Schmelzen der Pole aufhalten – und zwar mit dem Einsatz von jährlich 175.000 Flügen.

Zwei Grad weniger an den Polen: Mit Schwefeldioxid

Die Geoengineering-Idee stammt vom Klimaforscher Wake Smith und seinem Team der Yale-Universität, wie ihre neue Studie darüber beschreibt. Die Wissenschaftler:innen zeigen darin ein Szenario, wo nur die Polarregionen um zwei Grad heruntergekühlt werden anstatt der gesamte Planet. Dadurch könnte verhindert werden, dass der weltweite Meeresspiegel weiter ansteigt – zumindest kurzfristig.

Wichtigster Aspekt des Plans ist dabei Schwefeldioxid. Dieses sollen Flugzeuge in einer Höhe von 13 Kilometern in der Atmosphäre versprühen. Dadurch bilden sich Aerosole, die die Strahlung aufgrund eines chemischen Prozesses blocken und die Pole lokal um zwei Grad kühlen könnten. Dies wäre laut den Forschenden ausreichend, um das Schmelzen in Grönland, den arktischen Inseln und der Antarktis kurzfristig aufzuhalten.

Laut dem angenommenen Szenario würde es ausreichen, die Flugzeuge nur im Frühling und Frühsommer fliegen zu lassen. In den dunkleren Jahreszeiten sei es sowieso kühler. Da es am Südpol genau dann wärmer wird, wenn es am Nordpol kühler wird, könnte eine Fliegerflotte das ganze Jahr über beide Pole versorgen und müsste nur Mitte des Jahres die Flugrichtung wechseln. Um den Plan auszuführen, braucht es jedoch ein völlig neues Flugzeugmodell.

Wie klimaschädlich ist der Notfall-Plan?

Die verursachten Emissionen und Kondensstreifen der Flugzeuge sind besonders klimaschädlich.
Die verursachten Emissionen und Kondensstreifen der Flugzeuge sind besonders klimaschädlich.
(Foto: CC0 / Pixabay / jplenio)

Die benötigte Menge an Schwefeldioxid könnte ein gewöhnliches Flugzeug kaum bis auf 13 Kilometer Höhe transportieren. Die Forschenden haben deshalb einen Bauplan für ein neues Modell mit dem Namen SAIL-43K entwickelt. Von diesem bräuchte es 125 Stück, um das Konzept umzusetzen. Diese 125 Flugzeuge würden dann jährlich etwa 175.000 Flüge absolvieren müssen. Jeder Flug würde dabei etwa 60 Minuten dauern.

Diese Flüge wären besonders klimaschädlich, da jedes Flugzeug etwa sechsmal am Tag aufsteigen müsste. Denn jeder Aufstieg auf 13 Kilometer Höhe sorgt für zusätzliche Emissionen und Kondensstreifen. Und auch allein für die Produktion der speziellen Flugzeuge würden zahlreiche zusätzliche Emissionen anfallen.

Die Kosten für das Projekt würden sich auf etwa elf Milliarden Euro belaufen. Dies sei jedoch deutlich günstiger als bei anderen Methoden, die die Gesamttemperatur des Planeten um zwei Grad senken wollen.

Die Eisschmelze würde dabei nur dann pausieren, wenn die Flugzeuge tatsächlich jeden Tag im Einsatz sind. Hören die Flüge auf, geht auch die Klimakrise wie gewohnt weiter – eventuell aufgrund der zusätzlichen Klimabelastung dann sogar noch drastischer.

Fazit: Option für den Notfall

Der Plan bringt zwar kurzfristig Erleichterung, schadet langfristig dem Klima jedoch noch mehr.
Der Plan bringt zwar kurzfristig Erleichterung, schadet langfristig dem Klima jedoch noch mehr.
(Foto: CC0 / Pixabay / ChiemSeherin)

Die Forschenden selbst betonen, dass die Geoengineering-Methode nur kurzfristig ein Symptom der Klimakrise, nicht jedoch das Problem an sich behandeln würde. So sind Geoengineering-Lösungen generell eher darauf angelegt, Zeit zu schinden, um langfristigere Klimaschutz-Pläne zu entwickeln und umzusetzen.

Der Haken an der Sache ist jedoch, dass besonders Smiths Methode gleichzeitig die Ursachen für die globale Erwärmung verschlimmert. Es ist daher eher eine Option für den absoluten Notfall. Oder, wie es Smith ausdrückt: „Es ist Aspirin, nicht Penicillin. Es ist kein Ersatz für Dekarbonisierung.“ Wünschenswert wäre es, wenn es erst gar nicht zu diesem kommt und wir vorher die schlimmsten Folgen der Klimakrise aufhalten können.

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