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Bekannter Werbesatz soll nun Gleichberechtigung bringen – doch die Änderung ist halbgar

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Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Online Marketing

Vermutlich jede:r kennt diesen einen Satz aus Funk und Fernsehen zur Arzneimittelwerbung. Er soll nun angepasst werden – und Gleichstellung bringen. Doch wieder mal wird ein Teil der Gesellschaft nicht sichtbar gemacht.

Eigentlich werden Formulierungen aus Gesetzen selten zu allgemein bekannten Klassikern im Alltagsgebrauch. Bei einem Satz aus Paragraf 4, Absatz 3, Heilmittelwerbegesetz ist es so gekommen: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Seit gut drei Jahrzehnten ist dieser vorgegebene Warntext für Arzneimittelwerbung „außerhalb der Fachkreise“ Pflicht. Und in Funk und Fernsehen ist er immer auch noch extra vorzulesen. Jetzt soll eine sanfte Änderung kommen. Denn nachfragen kann man ja nicht nur bei männlichen Fachleuten.

Gesetzentwurf soll für Gleichstellung sorgen

Künftig soll die etwas verlängerte Formulierung lauten: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke.“ So steht es in einem Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums, den das Kabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat. Der Warnhinweis sei „seit Jahren wegen der Verwendung des generischen Maskulinums Gegenstand von Diskussionen“, heißt es. Daher solle nun gleichstellungspolitischen Aspekten Rechnung getragen werden. Denn man dürfte in der Regel einen Bezug zu einer behandelnden Ärztin oder einem behandelnden Arzt haben – das solle die neue Formel ausdrücken. Und der Kauf von Arzneimitteln knüpfe auch nicht an eine Person an, das geschehe in der Apotheke.

Die Änderung greift auch Forderungen von Berufsverbänden auf. Dafür hatte sich etwa die Bundesärztekammer ausgesprochen, da die bisherige Formel nicht mehr in die Zeit passe. In den Praxen kommen Ärztinnen und Psychotherapeutinnen auf einen zusehends größeren Anteil. Zusammengenommen sind sie erstmals knapp in der Mehrzahl, wie das Bundesarztregister mit Stand von Ende 2022 ergab. Der Frauenanteil überschritt die 50-Prozent-Marke und erreichte 50,7 Prozent. Dabei stieg er bei Psychotherapeutinnen auf 76,8 Prozent und bei Ärztinnen auf 45,2 Prozent. Unterhalb von 50 Jahren liegen Ärztinnen vorne.

Nicht alle Menschen werden berücksichtigt

Damit Pharma- und Werbebranche den Reklamezusatz ändern können, sind fünf Monate Übergangszeit nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung vorgesehen. Der Entwurf kommt jetzt zu weiteren Beratungen in den Bundestag. Die Umstellungskosten sollten jedoch gering sein, heißt es im Entwurf. Gegebenenfalls könnten höhere Werbekosten anfallen, nämlich „aufgrund des geringfügig verlängerten Textes, der in der audiovisuellen Werbung zu sprechen ist“.

Utopia meint: Anpassungen wie diese sind längst überfällig. Frauen sichtbar zu machen, sollte im Jahr 2023 eine Selbstverständlichkeit sein – gleiches gilt für trans* und nicht-binäre Personen sowie genderfluide Menschen. Diese werden hier aber – wie so oft in der Gesellschaft, bei politischen Entscheidungen und im Sprachgebrauch – nicht berücksichtigt. Die Pläne sind also nicht zu Ende gedacht, kurzum: halbgar. Und das, obwohl mit „gleichstellungspolitischen Aspekten“ argumentiert wird. Für einige Menschen mag die Ergänzung um ein Gendersternchen oder Gender-Doppelpunkt wie eine Lappalie klingen, im Sinne der LGBTQIA+-Community wäre das – neben dem notwendigen strukturellen Wandel für mehr Akzeptanz – nur fair.

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