Sogenannte Chemosignale wirken in Gerüchen unbewusst auf Menschen. Sie sind auch in weiblichen Tränen enthalten – und halten Männer offenbar davon ab, Aggressionen voll auszubilden. Das stellte eine neue Studie fest.
Menschen sind ständig von Gerüchen umgeben. Konstant fluten Tausende Signalen in mannigfaltigen Kombinationen das Gehirn, ohne dass man selbst davon viel mitbekommt. Sogenannte Chemosignale gleichen einer wortlosen Sprache, die Menschen unbewusst verwenden, um Informationen weiterzugeben.
Eines der am besten untersuchten menschlichen Chemosignale ist in Angstschweiß enthalten. Es teilt den Empfänger:innen mit, dass die Absender:innen gestresst sind. Nun haben Forschende herausgefunden, dass die Tränenflüssigkeit von Frauen* Duftstoffe enthält, die Aggressionen bei Männern dämpfen kann.
Demnach wird der Spiegel des Hormons Testosteron bei Männern* abgesenkt, wenn sie die in Tränen enthaltenen Chemosignale wahrnehmen. Die an der Studie beteiligten Geruchsforscher:innen um Noam Sobel vom Weizmann Institute of Science in Israel veröffentlichten ihre Studienergebnisse im Fachmagazin PLOS Biology.
Agressives Verhalten von Studienteilnehmern geht zurück
Ihr Experiment vollzogen die Forschenden nur mit männlichen Teilnehmern – denn bei ihnen ist der Zusammenhang zwischen Testosteron und Aggressionen deutlicher als bei Frauen. Hierfür sammelten sie Tränen von insgesamt sechs Frauen, die zuvor einen traurigen Film geschaut hatten.
Anschließend ließen sie 31 Männer in einem Computerspiel gegen vermeintlich menschliche Kontrahenten antreten. So sollten Aggressionen ausgelöst werden. Denn hin und wieder schummelte der angebliche Gegenspieler, woraufhin sich der Proband finanziell rächen konnte.
Die Männer trugen währenddessen eine Geruchsprobe unter der Nase. Einmal mit der Tränenflüssigkeit der Frauen, einmal mit einer Kochsalzlösung, wobei die Reihenfolge zufällig variierte. Für die Probanden waren beide Proben geruchsneutral und nicht voneinander unterscheidbar.
Auch teilte man den Studienteilnehmern nicht mit, worum es sich bei den Geruchsproben genau handelte. Das Experiment zeigte: Das aggressive Verhalten der Studienteilnehmer nahm um mehr als 40 Prozent ab, wenn sie den weiblichen Tränen ausgesetzt waren.
Tränen fungieren wie eine „chemische Decke"
In einem zweiten Schritt des Experiments wurde das Computerspiel noch einmal mit 33 neuen Probanden wiederholt: Dieses Mal in einem MRT-Scanner. Durch bildgebende Verfahren sollte gezeigt werden, dass zwei mit Aggressionen zusammenhängende Hirnregionen – der präfrontale Kortex und die vordere Insel – in provokativen Spielsituationen aktiver wurden.
Tatsächlich verringerte sich die Aktivität in den beiden Hirnregionen, wenn die Probanden in derartigen Situationen an weiblichen Tränen rochen. Je stärker die Aktivität in den betreffenden Hirnregionen abnahm, desto seltener rächte sich ein Proband an seinem Gegenüber.
Den Wissenschaftler:innen zufolge zeige das Experiment, dass Tränen gewissermaßen die Funktion einer „chemische Decke“ übernehmen und so vor Aggressionen schützen würden. Neu ist dieser Zusammenhang nicht. Bereits von Nagetieren weiß man, dass ihre Tränen Substanzen absondern, die die Aggression von männlichen Artgenossen hemmt.
Die Forschenden vermuten, dass Tränen eine Art Schutzmechanismus bei vielen weiteren Säugetieren sein könnten.
Hinweis: * hiermit ist das biologische Geschlecht gemeint.
Verwendete Quelle: PLOS Biology
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