Deutschland verursacht zu viel CO2 – über dieses Problem dürften wir alle nur zu gut im Bilde sein. Doch die Ernährungsbranche steht grade vor einem ganz anderen Dilemma: Sie hat zu wenig CO2, um gewisse Güter herzustellen. Und das wird Folgen haben.
Wie unter anderem die Welt berichtet gibt es aktuell einen Mangel an dem Industriegas Kohlenstoffdioxid (CO2). Schuld sind die hohen Energiepreise. Denn diese veranlassen beispielsweise Düngemittelfabriken dazu, die Produktion zu drosseln. Das ist für viele Branchen ein Problem, denn: Für Düngemittel braucht man Ammoniak. Bei dessen Produktion entsteht reines CO2 als Nebenprodukt. Wenn nun weniger Düngemittel produziert werden, gibt es folglich weniger CO2 auf dem Markt – laut Welt ist von „30 bis 40 Prozent der benötigten Mengen“ die Rede. Und wer benötigt CO2? Der Mangel trifft zahlreiche Bereiche der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Die ersten Getränkehersteller müssen daher laut dem Bayerischen Rundfunk (BR) ihre Produktion einstellen.
Fleisch-, Milch- und Getränkeindustrie von CO2-Mangel betroffen
CO2 wird unter anderem in folgenden Bereichen industriell genutzt:
- In Gewächshäusern soll CO2 in der Luft Pflanzen schneller wachsen lassen und reift verschiedene Gemüsesorten.
- Auch die Getränkeindustrie nutzt das Gas, zum Beispiel um Getränke mit Kohlensäure anzureichern.
- Noch stärker sind die Milch- und Fleischindustrie aber auf das Gas angewiesen. Sie nutzen es zum Beispiel, um abgepackte Fleisch- und Milchprodukte länger haltbar zu machen: Das Gas wird in Verpackungen gefüllt und verdrängt so den Sauerstoff. Außerdem werden Schweine mit dem Gas betäubt, ehe sie getötet werden.
Nicht genügend Kohlensäure für alle Getränke
Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, ist die Limonaden-Produktion der Aktienbrauerei Kaufbeuren eingestellt. Noch hat die Brauerei kleine Kohlensäure-Reserven. Diese möchte Brauerei-Chef Gottfreid Csauth allerdings für die Bierproduktion zurückhalten.
Auch Geschäftsführer der Brauerei Riegele aus Augsburg, Sebastian Priller, ist laut Medienbericht besorgt. Um die Produktion von Spezi und Bier so lange wie möglich am Laufen zu lassen, würde Priller überlegen, weniger beliebte Sorten aus dem Sortiment zu nehmen.
Ein Sprecher der Genossenschaft Deutscher Brunnen berichtet laut Chip.de, dass manche Hersteller von Mineralwasser nicht die Menge CO2 bekommen, die sie bestellt haben und benötigen.
Priller nennt dem BR als großes Problem, dass Kohlensäure nicht ersetzt werden kann. Er gehe außerdem davon aus, dass Kohlensäure „bis mindestens Mitte nächsten Jahres“ ein „knappes Gut“ sein wird.
Wegen CO2-Mangel: Fleischindustrie warnt vor „großem Tierschutzproblem“
Die Knappheit wird sich also auf zahlreiche Bereiche auswirken: „Ohne CO2 können Schweine nicht mehr geschlachtet werden. Und dann bekommen wir ein großes Tierschutzproblem“, erklärt die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Fleischwirtschaft (VDF) gegenüber Welt. „Denn die Schweine werden schnell zu groß für den Stall und haben zu wenig Platz und Bewegung. Noch dazu drängen schon die nächsten Jungtiere in die Ställe, die dann aber nicht frei sind.“ Alternative Methoden wie der Bolzenschuss werden aufgrund von Personalmangel und fehlenden Räumlichkeiten ausgeschlossen. Lücken im Sortiment des Einzelhandels schließt die Geschäftsführerin nicht aus. „Es kann passieren, dass zeitweise kein Frischfleisch und keine Wurst vom Schwein verfügbar ist.“
Die Mineralwasserbranche rechnet ebenfalls mit regionalen Engpässen und Lücken im Angebot, schon in den kommenden Wochen. Der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Mineralbrunnen (VDM) berichtet gegenüber Welt von Produktionsausfällen: „Manche Produkte konnten tageweise nicht abgefüllt werden, allen voran bei der Sorte Klassik“. Auch Hersteller anderer Erfrischungsgetränke mit Kohlensäure, beispielsweise Limonade, haben anscheinend mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.
Die betroffenen Branchen haben sich für Hilfe an die Politik gewendet. Unter anderem verlangen Vertreter:innen, den rasanten Preisanstieg zu stoppen.
Auch durch Corona schon CO2-Knappheit
Die Energiekrise bedingt den CO2-Mangel – doch auch andere Ereignisse hatten schon ähnliche Effekte. So warnte der Spiegel zum Beispiel schon 2020 vor Engpässen bei Kohlensäure für Bier in den USA. Der Grund: Wegen der Coronapandemie fuhren weniger Menschen Auto – und die CO2-Produktion ist auch mit der Benzinherstellung eng verknüpft. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, wird in Großbritannien auch aktuell eine Bier-Knappheit befürchtet.
Utopia meint: Das Problem, zu wenig CO2 zur Verfügung zu haben, scheint absurd. Noch absurder wirkt nur die Warnung vor einem „Tierschutzproblem“ durch den Verband der Fleischwirtschaft. Zum einen, weil es darum geht, dass die Branche Tiere nicht wie geplant töten kann – zum anderen, weil sich die Branche das Problem selbst geschaffen hat. Immerhin wird es nur deshalb eng in den Ställen, weil sie mit zu vielen Tieren gefüllt sind, deren Leben auch noch frühzeitig beendet werden muss, damit es nicht zu eng wird. Wir bei Utopia empfehlen, gerade bei tierischen Erzeugnissen wählerisch zu sein und wenn überhaupt nur von Marken zu kaufen, die sich glaubhaft für bessere Haltungsbedingungen einsetzen.
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