Unter „Cognitive Failure“ versteht man kleine Aussetzer im Gehirn. Ein Professor erklärt die entsprechenden Auslöser und gibt Tipps, dagegen vorzugehen.
Bei einem „Cognitive Failure“, auf Deutsch einer kognitiven Fehlleistung, handelt es sich um kleinere Aussetzer des Gehirns. Viele kleinere Tollpatschigkeiten des Alltags zählen dazu, wie beispielsweise sich zu stoßen oder ein Getränk zu verschütten, erklärt der Professor für molekulare Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin Sebastian Markett im Interview mit dem Spiegel. Sein Spezialgebiet sind genetische Ursachen von Persönlichkeitsmerkmalen.
Menschen, die beispielsweise ein Glas umstoßen, fehle nicht die Fähigkeit, die Handlung auszuführen, so der Professor. Stattdessen seien sie in diesen Momenten einfach mit ihrer Aufmerksamkeit woanders. „Wir können nicht immer voll aufmerksam sein. Erst wenn sich solche Vorfälle so häufen, dass sie zum Hindernis im Alltag werden, würde ich von Schusseligkeit sprechen“, ergänzt er.
Das Innenleben versus die Außenwelt
Zu kleinen Unachtsamkeiten kommt es, wenn Menschen abgelenkt sind oder unter Zeitdruck stehen. In diesen Momenten könne das Gehirn gespeicherte Informationen nicht im richtigen Moment abrufen, sondern erst später – manchmal auch zu spät, erklärt Markett. Das Gehirn wechsle in diesen Augenblicken zwischen zwei Bewussteinszuständen hin und her: Dem Innenleben und der Außenwelt.
Am liebsten konzentriere sich das Gehirn auf das Innenleben – seinen Standardmodus. „Dabei träumen wir vor uns hin, kramen in Erinnerungen, schwelgen in Zukunftsplänen. In diesem Zustand sind wir entspannt, wir brauchen ihn für Ideen, Kreativität, Selbstreflexion und Spiritualität“, ergänzt Markett.
Diesen Träumermodus verlasse das Gehirn laut dem Professor nur ungern. Doch manchmal müsse es das – um die Außenwelt wahrzunehmen. Das sei bei der Arbeit, beim Lesen und Zuhören oder auch im Straßenverkehr nötig. „Klappt das nicht, verpassen wir womöglich wichtige Informationen“, betont er.
Gewissenhafte Menschen weniger schusselig
Besonders schusseligen Menschen könne es schwerfallen, den Fokus längere Zeit im Außenmodus zu halten, erklärt der Professor. Zu diesen Menschen zählen demnach jene, die schnell besorgt seien und wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten hätten. Auch Menschen, die sich leicht von neuen Eindrücken ablenken lassen oder sich leicht begeistern können, zählen laut Markett dazu. Seinem Wissen nach unterlaufen diesen Menschen generell häufiger Fehler.
„Gewissenhafte Menschen dagegen sind selten schusselig, sie planen Aufgaben durch, sind stark fokussiert und bringen sie zu Ende“, ergänzt er.
Schusseligkeit zu etwa 50 Prozent erblich bedingt
Eine wichtige Rolle spielen auch die Gene, weiß der Experte für molekulare Psychologie. „Schusseligkeit geht zu etwa 50 Prozent auf erbliche Faktoren zurück. Denn die Persönlichkeitsmerkmale, die Schusseligkeit befördern, entspringen dem Gehirn. Das wiederum ist genetisch bedingt.“
Durch Trainings könne es Menschen mit genetischer Veranlagung zur Schusseligkeit gelingen, wesentlich weniger Fehler im Alltag zu machen. Hierfür müssten diese Menschen zuerst analysieren, welche Fehler sie häufig machen, erklärt der Forscher. Wer beispielsweise immer wieder Termine vergesse, könnte mit dem Handykalender und Push-Erinnerungen dagegen angehen. Wer in Vorlesungen häufig abschweife, könne sie inhaltlich vorbereiten. Das helfe, inhaltlich anzuknüpfen.
Auch rät Markett diesen Menschen davon ab, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen. „Das Gehirn ist nicht für Multitasking gemacht.“ Meditationen können helfen, sich länger zu konzentrieren und bewusster zwischen den zwei Bewusstseinszuständen hin und her zu wechseln.
„Es ist völlig normal, auch mal abzschweifen“
Doch auch mit bester Konzentration oder gutem Training sei es „völlig normal, auch mal abzuschweifen„, so Markett. „Sich 90 Minuten am Stück perfekt zu konzentrieren, schafft man nur auf Drogen – und selbst das ist schwer“, ergänzt der Experte.
Für alle, die ihre eigene Schusseligkeit testen wollen, hat Markett einen Selbsttest erstellt. Die über die Website gewonnen Daten nutzt er für seine Forschung.
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