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Das ist nicht charmant, das ist ekelhaft, Herr Kubicki

Wolfgang Kubicki (FDP)
Foto: Michael Kappeler/dpa

Für einen Politiker, dessen Partei sich als Hüterin der Freiheit geriert, nimmt sich Wolfgang Kubicki (FDP) ganz schön viel raus. Flirten sei „etwas anderes als Übergriffigkeit“, bagatellisiert er eine Begegnung mit seiner ehemaligen Kollegin Silvana Koch-Mehrin. Wie war das nochmal mit Sexismus und Freiheit? Ein Kommentar.

Ein harmloser Flirt, was ist schon dabei? Frauen sollen sich nicht so anstellen. Denn: Ist doch nur Spaß – Sexismus-Debatten kommen meist nicht ohne Sätze wie diesen aus. Anstatt die Sorgen der Betroffenen ernst zu nehmen, werden sie bagatellisiert. Von Männern wie Wolfgang Kubicki.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete sieht sich gerade mit Sexismus-Vorwürfen konfrontiert. Auslöser waren Aussagen seiner früheren Parteikollegin Silvana Koch-Mehrin. In ihrem Buch berichtet sie von sexuellen Übergriffen innerhalb der Partei, die sich gerne als Hüterin der Freiheit geriert. Angesprochen darauf, wiegelt Kubicki in der TV-Talkshow von Sandra Maischberger ab. Er könne nicht nachvollziehen, was Frauen in der Partei passiert sei.

Nicht wirklich verwunderlich für einen weißen Mann Anfang 70 – die personifizierte Definition von Privilegiertsein, wenn es um sexuelle Übergriffe geht.

Wolfgang Kubicki, 70, das lebende Klischee

Und leider bedient Kubicki, der als politischer Ziehvater des FDP-Chefs Christian Linder gilt, das Klischee. In einem Interview, das der Spitzenpolitiker 2010 der Zeit gegeben hatte, erklärte er: Er habe seine Parteikollegin Koch-Mehrin „ein einziges Mal angebaggert“.

„Wir saßen in einem Café in Brüssel, weil ich irgendwie auf die Idee gekommen war, sie zu fragen, ob sie FDP-Generalsekretärin werden will.“ Just als er seinen „Charme spielen“ ließ, stieß Koch-Mehrins Freund dazu. Kubicki sei dann gegangen: „So ist das gelegentlich. Man flirtet und stellt fest, der Flirt kommt zurück, aber da steht urplötzlich der Partner da“, heißt es weiter.

In der Talkrunde konfrontiert ihn Maischberger. „Angebaggert, weil ich auf die Idee kam, dass sie FDP-Generalsekretärin werden kann?“, will sie wissen.

Kubicki antwortet ausweichend: „Ich habe sie angerufen und habe gesagt: ‚Wir müssen mal drüber sprechen, wir brauchen eine Generalsekretärin der FDP, wie wäre es, wenn Sie sich darüber mal Gedanken machen?‘ Dann hat sie gesagt: ›Kommen Sie nach Brüssel, wir reden darüber.‹ Dann trafen wir uns zum Kaffee, und dann habe ich mit ihr geflirtet, und urplötzlich stand so ein Typ neben mir, der dreimal so groß war wie ich und zweimal so breit. Und der auch ziemlich durchtrainiert aussah. Da habe ich mir gedacht, ist doch vielleicht besser, wenn du gehst.“

Wie war das nochmal mit Freiheit?

Der FDP-Politiker hofft, dass „Flirten“ – wie er es nennt – immer noch denkbar ist. Maischberger stellt in Frage, ob Flirten und Anbaggern dasselbe seien. Laut Kubicki sei das zumindest in seinem Heimatbundesland Schleswig-Holstein der Fall. Gegenüber dem Spiegel redet Kubicki den Vorfall weiter klein. Er sei damals gar nicht in der politischen Position gewesen, Koch-Mehrin „irgendwas zu versprechen“.  

„Abgesehen davon ist Flirten etwas anderes als Übergriffigkeit“ – sagt ein Mann, dem das patriarchale Gesellschaftssystem wohlgesonnen ist, und in dem sich Männer leider immer noch rausnehmen Frauen zu sagen, was sexuell übergriffig ist und was nicht.

Koch-Mehrin selbst hat sich scheinbar schon vor der Begegnung mit Kubicki alles andere als wohl gefühlt. Dem WDR erklärte sie nun, sie habe ihren Partner damals gebeten, „nach ungefähr einer Stunde mal vorbeizuschauen, weil ich schon vermutete, da ist mehr im Spiel“, so die 51-Jährige in der Sendung Aktuelle Stunde.

Kubicki wäre gut an einem Perspektivwechsel gelegen. Denn: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.

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