„Der FDP kann niemand Tränen hinterher weinen“: FFF zum Ampel-Aus und Trumps Wiederwahl Von Utopia Team Kategorien: Umweltschutz Stand: 8. November 2024, 12:53 Uhr Foto: CC0 / Pixabay -Filmbetrachter Die Ereignisse der letzten Tage dürften für Klimaschützer:innen teils ein schwerer Schlag gewesen sein. Ein Sprecher der Klimaschutzbewegung Fridays for Future ordnet sie gegenüber Utopia ein und erklärt, was Aktivist:innen trotzdem motiviert. In den USA wurde diese Woche ein Mann zum Präsidenten gewählt, der Ölbohrungen ausbauen will. Kurz darauf kommt es in Deutschland zum Bruch der Ampelkoalition. Welche Folgen das für die Klimapolitik hat, wird sich spätestens zeigen, wenn die neue Bundesregierung gewählt ist. Außerdem verkündete der EU-Klimawandeldienst Copernicus am Donnerstag, dass die Erde 2024 so gut wie sicher über 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Mittel war. Was bedeuten all diese Ereignisse für den Klimaschutz? Aus Sicht von Aktivist:innen der Klimabewegung Fridays for Future jedenfalls nichts Gutes. Welche Herausforderungen die Bewegung sieht, und wieso Mitglieder trotzdem davon überzeugt sind, dass Klimaschutzbemühungen jetzt sinnvoll sind, erklärt Fridays-for-Future-Sprecher Pit Terjung gegenüber Utopia. Fridays for Future: Was die letzten Tage für die Klimabewegung bedeuten Utopia: Wie bewerten Sie die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten in Bezug auf den globalen Klimaschutz? Pit Terjung: Das Wahlergebnis in den USA ist für mich ganz persönlich ein Schock. Klimapolitisch bedeutet Trump einen Totalausfall der USA auf der internationalen Bühne. Unter dem Motto “Drill-baby-drill” droht er einen gigantischen fossilen Backlash auszulösen. Und das kann nur eines heißen: Deutschland und Europa müssen endlich ihrer Verantwortung als globaler Norden gerecht werden und klimapolitisch vorangehen. Wenige Tage vor dem Beginn der Weltklimakonferenz müssen sie sich klar zu mehr Klimaschutz bekennen. Scholz, Macron und Von der Leyen dürfen sich nicht drücken und müssen nach Baku auf die Klimakonferenz fahren, um dort in die Klimaoffensive zu gehen. Sie dürfen den zentralen Ort der internationalen Klimapolitik nicht den fossilen Autokraten überlassen. Utopia: Welche Konsequenzen sehen Sie im Bruch der Ampelkoalition für den Klimaschutz in Deutschland? Terjung: Nachdem die FDP in der letzten Woche die Abschaffung der Klimaziele gefordert hat, kann ihnen niemand Tränen hinterher weinen. Die verbliebenen Minister müssen bis zu den Wahlen liefern, denn eine klimapolitische Verschnaufpause können wir uns im heißesten Jahr der Menschheitsgeschichte nicht leisten. Gleichzeitig beginnt jetzt ein harter Wahlkampf, indem rechtsextreme Kräfte, aber auch konservativen Parteien wie die CDU alles daran setzen werden, gegen Klimaschutz Stimmung zu machen. Wenn über das Klima nur geredet wird, um Klimaaktivisten zu kriminalisieren oder Schreckensbilder der Ökodiktatur zu verbreiten, profitiert am Ende die AfD. Wir dürfen nicht zulassen, dass die politische Debatte um den Nabel der Rechtsextremen kreist, deshalb müssen wir gerade jetzt über Klimaschutz sprechen. Die demokratischen Parteien müssen sich positionieren: Stehen sie auf der Seite fossiler Zerstörung oder auf der Seite einer lebenswerten Zukunft? Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland will mehr Klimaschutz, über die Anhänger:innen aller demokratischen Parteien hinweg. Die Parteien schulden den Menschen echte Antworten auf die eskalierende Klimakrise: Ein unverzüglicher Ausstieg aus allen fossilen Energien, massiver Ausbau der Erneuerbaren, eine gerechte Verkehrswende… Utopia: Der EU-Klimawandeldienst Copernicus prognostiziert für 2024 eine globale Durchschnittstemperatur von 1,55 Grad über dem vorindustriellen Niveau – wie schätzen Sie diese Entwicklung ein? Terjung: Die Daten von Copernicus unterstreichen, was wir zunehmend vor der eigenen Haustür erleben können. Die Klimakrise kostet im hier und jetzt Menschenleben, zerstört über Nacht Existenzen und vernichtet, was Menschen sich über ein Leben aufgebaut haben. Bei den verheerenden Fluten in Spanien sind über 200 Menschen gestorben, der Hurricane Milton in den USA hat ebenfalls hunderte Opfer gekostet. Die Wissenschaft ist glasklar: Diese Wetterextreme werden bei jedem Zehntelgrad Erderhitzung häufiger und tödlicher. Und das bedeutet auch: Es ist nicht zu spät zum Handeln, jedes Zehntelgrad Erwärmung, das wir verhindern können, rettet Menschenleben. Es lohnt sich dafür zu kämpfen. „Reaktion darf niemals sein, den Kopf in den Sand zu stecken“ Utopia: Was bedeuten diese politischen und klimatischen Entwicklungen für die Zukunft der Klimaschutzbewegung – und speziell für Fridays for Future? Terjung: Selten war unser Protest dringender nötig als gerade jetzt. Das sind zweifelsohne keine leichten Zeiten, um sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Doch während in den USA ein klimawandelleugnender Demagoge die Macht übernimmt und sich Deutschland für Neuwahlen warmläuft, darf unsere Reaktion niemals sein, den Kopf in den Sand zu stecken und den Wahlkampf der Anti-Klima-Rhetorik von ganz rechts zu überlassen. Wir haben deshalb unverzüglich in ganz Deutschland einen Klimastreik für den Freitag vor den Neuwahlen angekündigt. Utopia: Wie vermitteln Sie Aktivist:innen und Unterstützer:innen, dass ihr Einsatz weiterhin entscheidend ist, auch wenn das Ziel der Netto-Null-Emissionen in immer weitere Ferne rückt? Terjung: Fridays for Future hat Unvorstellbares erreicht. Niemand hätte vor fünf Jahren einer Handvoll Jugendlichen zugetraut, eine globale Bewegung auf die Beine zu stellen und Klimaschutz auf die Spitze der politischen Agenda zu setzen. Ohne uns gäbe es in Deutschland keinen Kohleausstieg und kein Klimaschutzgesetz. Diese Erfolge zeigen uns, dass es sich lohnt, für unsere Rechte auf die Straße zu gehen. Der Massenprotest bleibt das schärfste Schwert für schnellen Klimaschutz. Aber auch unser Aktivismus findet nicht im luftleeren Raum statt, wir sind abhängig von den politischen Rahmenbedingungen. Nach fünf Jahren haben wir gelernt, dass nicht jedes Jahr wir 2019 aussehen kann. Auch wenn das manchmal hart ist, braucht es unsere Bewegung gerade in Zeiten, in denen Klimaschutz kein Selbstläufer ist. Meine Erfahrung ist, dass es sich viel frustrierender anfühlt, politische Entscheidungen vom Seitenrand zu beobachten, als selbst für etwas zu kämpfen und aktiv für Klimagerechtigkeit einzutreten. Jeder Tag, an dem irgendwo auf der Welt ein Anti-Klima-Populist gewählt wird oder ein Finanzminister mit dem klimapolitischen Kahlschlag droht, ist ein guter Tag, um für Klimagerechtigkeit aktiv zu werden. Utopia: Danke für das Gespräch! ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 0 0 Vielen Dank für deine Stimme! HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: