Frühere Mitarbeiter der Deutschen Bahn weisen in einer ZDF-Doku auf Missstände hin. Etwa soll es an Bord der Züge hygienische Mängel geben und der Konzern nicht so grün sein, wie er sich gerne darstellt.
Morgen drohen Streiks bei der Deutschen Bahn – Utopia berichtete. Auch wegen Unpünktlichkeit, maroden Netzen und anderen Problemen macht das größte Eisenbahnunternehmen Europas immer wieder Negativschlagzeilen. Die ZDF-Doku „Deutsche Bahn: Die Insider. Tricks hinter den Kulissen“ deckt nun Hintergründe und weitere Kritikpunkte auf. Unter anderem soll es in den Bordbistros und bei Kissen Hygieneprobleme geben.
Bahn-Insider: Missstände im Bordbistro und bei Kissen
In der ZDF-Dokumentation werden vier ehemalige Bahn-Mitarbeiter interviewt. Diese treten maskiert und mit Tarnnamen auf, während sie auf verschiedene Tricks und Missstände im Konzern hinweisen.
Ein Ex-Zugchef etwa weist darauf hin, dass das Geschirr im Bordbistro oft nicht sauber sei – neues Essen würde einfach auf alten Essensresten angerichtet. Auch würde nicht frisch gekocht, sondern das Essen nur in Plastiktüten in der Mikrowelle erwärmt.
Putzteams würden nur Haltestangen, Fenster, Tisch und Sitzflächen reinigen – und zwar dort, wo niemand sitzt. Bei der nächtlichen Reinigung würden vor allem Oberflächen und Toiletten gesäubert. Auch sollen Kopfkissen fast nie gewechselt werden.
„Ich würde das Kissen meiden und lieber eine Mütze aufsetzen“, erklärt der frühere Mitarbeiter. Das ZDF nimmt Proben von unterschiedlichen Kopfkissen eines ICEs und lassen diese im Labor untersuchen. Dort findet man bestimmte Keime und Hefepilze, die laut ZDF im Extremfall zu allergischen Reaktionen oder Hautinfektionen führen können.
Die Deutsche Bahn hat sich inzwischen in einer Stellungnahme zu der Dokumentation geäußert. Sie kritisiert, Fragen erst zwei Wochen vor Veröffentlichung erhalten zu haben. „Eine Reaktion auf die Aussagen in der Doku war ebenso wenig möglich wie ein Interview“, heißt es. Außerdem betont das Unternehmen, dass Kopfkissenbezüge alle sechs Wochen gereinigt und ausgetauscht werden – verschmutzte Kissen würden sofort gewechselt. Zu den Vorwürfen bezüglich verschmutzter Teller äußerte sich die Bahn nicht.
Überbuchte Züge müssen geräumt werden
Neben mangelnder Hygiene sprechen die Insider weitere Kritikpunkte an. In vielen anderen europäischen Ländern bucht man mit einem Bahnticket zum Beispiel automatisch einen bestimmten Sitzplatz mit – mehr Tickets als Sitzplätze werden nicht verkauft. Bei der Deutschen Bahn ist das anders: Sitzplätze müssen unabhängig vom Ticket gebucht werden – sonst riskiert man, die Fahrt im Stehen verbringen zu müssen. Der Konzern verkauft also oft mehr Tickets als Plätze im Zug vorhanden sind – und kann dementsprechend mehr einnehmen.
Und das kann zu Problemen führen, weiß ein Bahn-Insider: „Auf einer Baureihe dürfen nur 35 Leute stehen. Ist dies nicht der Fall, ist eine sichere Weiterfahrt nicht gewährleistet.“ Er habe deshalb schon die Bundespolizei rufen und den Zug räumen lassen müssen. Aussteigen muss dann, wer keine Reservierung hat. Auch diese Prozedur kann zu Verspätungen führen.
Das ZDF konfrontiert die Bahn mit dem Vorgehen, doch der Konzern verweist nur darauf, dass 2022 Züge im Durchschnitt nur zu 46 Prozent ausgelastet waren. In der späteren Stellungnahme der DB heißt es, nur bei 0,2 Prozent der Züge habe es 2023 eine Teilräumung gegeben und die Bundespolizei hätte man „in den wenigsten dieser Fälle“ hinzuziehen müssen.
Deutsche Bahn: Mit Reparaturen zu warten, lohnt sich
Auffälligkeiten beim Fahren müssen Lokführer:innen melden, etwa wenn der Zug über eine unebene Stelle fährt. Wie ein ehemaliger Zugführer berichtet, wird dann an der Stelle pauschal eine sogenannte Langsamfahrstelle erstellt: Hier müssen Züge also langsamer fahren als sonst. Laut dem Insider muss die Geschwindigkeit teils von 160 auf 20 km/h gedrosselt werden.
Diese Stelle werde erst wieder aufgelöst, wenn eine Baufirma vor Ort den Schaden behoben hat. Dies könne „sehr, sehr lange“ dauern, laut ZDF bis zu Jahren. Dem Sender zufolge gab es 2023 mehr als 300 Langsamfahrstellen in Deutschland. „Ich kenne fast keine Strecke, die keine Langsamfahrstelle hat“, so der ehemalige Zugführer.
Probleme an den Strecken sind keine Seltenheit. Ein Bericht der Deutschen Bahn hat 325.000 Infrastrukturanlagen bewertet, über 50 Prozent des bewerteten Netzportfolios sind demnach in einem mittelmäßigen, schlechten oder mangelhaften Zustand. Eine mögliche Erklärung liefert ein Insider: Mit Reparaturen zu warten, lohnt sich für das Unternehmen: Wenn die Strecke „marode genug ist“, übernehme der Sparfonds des Bundes die Sanierung – also Steuerzahler:innen.
„Großer Teil des Nahverkehrs fährt noch mit Dieselfahrzeugen“
Die Bahn wirbt stetig mit 100 Prozent Ökostrom. Ein früherer Lokführer macht in der Doku jedoch darauf aufmerksam, dass nur E-Fahrzeuge mit Strom betrieben würden. „Ein ganz großer Teil des Nahverkehrs fährt noch mit Dieselfahrzeugen.“ Einer umweltschädlichen Antriebsart also. Der Kraftstoffverbrauch sei enorm, so der Insider. Die Deutsche Bahn widerspricht dieser Darstellung in ihrer Stellungnahme: „Im Nahverkehr fährt der weitaus überwiegende Teil der Züge elektrisch“, schreibt der Konzern.
Der Insider geht in der ZDF-Doku auch auf den Treibstoffverbrauch ein: „Eine Diesellok mit fünf bis sechs Wagen verbraucht um die 5.000 Liter Diesel am Tag“, erklärt er. 2022 wurden laut ZDF 3.000 Dieselloks bei der Deutschen Bahn eingesetzt – der Personenverkehr soll insgesamt 2 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt haben.
Bezüglich Treibhausgasemissionen kreidet die Bahn der ZDF-Doku einen weiteren Fehler an. Man habe behauptet, die Deutsche Bahn AG habe etwa 2,4 Prozent aller Treibhausemissionen Deutschlands zu verantworten. Doch würde sich die Zahl auf die weltweiten Emissionen des Konzerns beziehen – also nicht nur jene, die in Deutschland entstehen. „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, moniert das Unternehmen. Die Treibhausgasemissionen der Bahn in Deutschland betragen laut Stellungnahme 0,6 Prozent der Emissionen des Landes.
Die Dokumentation spricht noch weitere Kritikpunkte an, etwa bei der Ticketbuchung, Angeboten und Entschädigungen. Sie ist in der ZDF-Mediathek aufrufbar – hier geht es zum Stream. Auch zu den anderen Vorwürfen nimmt die Bahn Stellung. Das ganze Statement findet sich hier.
Verwendete Quellen: ZDF, Bericht DB InfraGo, Stellungnahme Deutsche Bahn
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