Das beliebte Deutschlandticket steht erneut auf der Kippe. Die Verkehrsminister:innen der Länder verhandeln über eine Preiserhöhung auf bis zu 64 Euro. Fachleute warnen vor fatalen Folgen für die Verkehrswende.
Das Deutschlandticket startete ursprünglich als 9-Euro-Ticket, wurde dann zum 49-Euro-Ticket und kostet aktuell 58 Euro im Monat. Nun steht eine weitere Preiserhöhung zur Debatte. Der Dauerstreit zwischen Bund und Ländern um die Finanzierung des Tickets könnte das Erfolgsprojekt gefährden – und Millionen Nutzer:innen vergraulen.
Dauerstreit um die Kosten: Wer zahlt die Rechnung?
Bund und Länder können sich nicht einigen, wie die Mehrkosten, die durch das vergleichsweise günstigere Ticket bei den Verkehrsunternehmen entstehen, langfristig finanziert werden sollen. Die Länder sehen den Bund in der Pflicht, sein im Koalitionsvertrag verankertes Versprechen der Preisstabilität einzuhalten. Dieser verweist dagegen auf bereits zugesagte 1,5 Milliarden Euro jährlich. Beide Seiten lehnen bisher weitere Gelder ab.
„Es ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik, erst Preisstabilität zu versprechen und sich dann, wenn es konkret wird, aus dem Staub zu machen“, sagte der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) gegenüber der dpa. In ihrem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung verankert, dass die Ticketpreise frühestens ab 2029 steigen sollen.
Der niedersächsische Verkehrsminister Granz Hendrik Tonne (SPD) sagte der dpa, es verstehe doch niemand, dass Milliardensummen in moderne Infrastruktur, neue Straßen und Schienen fließen sollten, „und gleichzeitig ist kein Geld da für günstige Mobilität“.
Die ständige Unsicherheit hat konkrete Folgen: Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) warnt, dass die wiederkehrenden Diskussionen über das Deutschlandticket die Planungssicherheit untergraben und Menschen davon abhalten, dauerhaft auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) umzusteigen.
Aktuell nutzen nach Branchenangaben rund 14 Millionen Menschen das Ticket, das seit Mai 2023 existiert.
Wie teuer wird das Deutschlandticket jetzt?
Diskutiert wird vermutlich eine mögliche Preiserhöhung auf 62 bis 64 Euro pro Monat ab dem kommenden Jahr. Das erfuhr die dpa im Vorfeld des Treffens. Nach der Anhebung von 49 auf 58 Euro Anfang des Jahres stößt das auf breite Kritik.
Der Fahrgastverband Pro Bahn etwa warnt: Schon die letzte Preiserhöhung habe gezeigt, dass ein Teil der Mehreinnahmen durch abspringende Kund:innen wieder verloren gehe. „Diese Preisspirale muss endlich durchbrochen werden und es muss eine Vision nach vorn geben“, fordert Professor Lukas Iffländer, stellvertretender Pro-Bahn-Bundesvorsitzender.
„Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wurde versprochen, dass es erst ab 2029 zu einer sozialverträglichen Preiserhöhung kommen wird. Die Fahrgäste erwarten, dass die Koalition sich an ihr Versprechen hält und nicht schon nach gut vier Monaten sang- und klanglos bricht“, heißt es in einer Mitteilung des Verbands. Pro Bahn fordert stattdessen, Einsparmöglichkeiten an anderer Stelle zu nutzen, etwa bei den Verwaltungsstrukturen im öffentlichen Verkehr.
„Preiserhöhungen führen dazu, dass immer weniger Menschen fahren.“
Der renommierte Sozialwissenschaftler und Verkehrsforscher Andreas Knie kritisiert: Schon 49 Euro seien zu teuer gewesen „und weitere Preiserhöhungen führen dazu, dass immer weniger Menschen fahren.“
Das Deutschlandticket habe den öffentlichen Verkehr für Millionen von Menschen erstmals wieder zu einer Option werden lassen. „Radikale Einfachheit und ein günstiger Preis sind Bedingungen, um Menschen für Busse und Bahnen attraktiv zu machen.“
Seiner Berechnung zufolge wäre ein Preis von 29 Euro optimal: Damit könne man 30 bis 40 Millionen zusätzliche Nutzende gewinnen und durch diese Mehreinnahmen Verluste wieder wettmachen. Knie warnt gegenüber dem BR, dass eine Erhöhung auf 64 Euro die Nutzerzahlen halbieren könnte.
„Soziale Gerechtigkeit steht an letzter Stelle”
Von einer Preiserhöhung wären vor allem Menschen betroffen, die wenig Geld zur Verfügung haben. „Die erneut drohende Preiserhöhung des Deutschlandtickets spiegelt das wider, was wir auch in anderen Bereich sehen: Soziale Gerechtigkeit steht bei der aktuellen Bundesregierung an letzter Stelle”, so Annika Fuchs, Referentin für Mobilität bei der Nichtregierungsorganisation Robin Wood.
Es sei mit Blick auf das Sondervermögen „geboten, die überfälligen Investitionen in die Infrastruktur von Bussen und Bahnen mit sozialpolitischen Instrumenten wie einem sozial-gerechten Ticket zu kombinieren, damit gerade auch Menschen mit niedrigen Einkommen und in ländlichen Regionen vom Ausbau des ÖPNV profitieren können.“
Eine Studie der Fraunhofer-Allianz Verkehr ergab 2024 eine positive Wirkung des Deutschlandtickets: 46 Prozent der befragten Nutzenden verwenden demnach den ÖPNV häufiger als vor dem Ticket-Besitz. Das Deutschlandticket sei ein Instrument, das private Auto zu ersetzen, heißt es in der Studie.
Verwendete Quellen: DPA, Pro Bahn, BR, Fraunhofer-Allianz Verkehr
Mit Material der DPA
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