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„Ehrmann, keiner kotzt mich mehr an“: Kampagnenvideo kritisiert Molkerei scharf

"Ehrmann, keiner kotzt mich mehr an": Kampagnenvideo kritisiert Molkerei scharf
Screenshots: Instagram/ aninova

Mit einem Video erhebt die Tierschutzorganisation Aninova schwere Vorwürfe gegenüber der Molkerei Ehrmann. Sie soll Milch von Kühen verarbeiten, die tierschutzwidrig gehalten werden. Ehrmann hat inzwischen zu den Vorwürfen Stellung genommen.

Hersteller von Milchprodukten werben gerne mit dem Bild von glücklichen Kühen auf der Weide, diese sind oft auch auf der Verpackung abgedruckt. Hersteller Ehrmann ist keine Ausnahme: Ein Video, das die Tierschutzorganisation Aninova (ehemals Deutsches Tierschutzbüro e.V.) vor kurzem unter anderem auf Instagram veröffentlichte, zeigt Ausschnitte aus entsprechenden Werbespots – und stellt dem ganz andere Bilder gegenüber.

In dem Video sind auch Kühe zu sehen, die in Anbindehaltung in Ställen gehalten werden. Dabei werden die Tiere mit Ketten und Bändern so angebunden, dass sie sich nicht von ihrem Platz bewegen können. Einer Pressemitteilung der Tierrechtsorganisation zufolge zeigt das Video Ställe im Landkreis Unterallgäu, welche Milch für Ehrmann produzieren sollen. Beide würden etwa 20 bis 50 Kühe halten.

Auch Prominente äußern sich in dem Video zu den kontroversen Bildern: Schauspieler Daniel Noah wandelt den bekannten Slogan des Unternehmens ab in “Ehrmann – keiner kotzt mich mehr an.” – und prägt damit offenbar den Slogan der Aninova-Kampagne. Musiker Pikayzo erklärt, die Bilder machen ihn „unfassbar wütend“ – Milchprodukte zu konsumieren sei nicht moralisch vertretbar.

Aninova zeigt Anbindehaltung: „Umdrehen ist nicht möglich“

Anbindehaltung ist derzeit noch recht verbreitet in Deutschland. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, lebten 2021 insgesamt noch etwa zehn Prozent der Rinder in Deutschland in Anbindehaltung. Aktuellere Zahlen liegen der Behörde nicht vor, wie eine Utopia-Nachfrage im März ergab.

Milchkuhhaltung in Deutschland: Jede zehnte Kuh ist mindestens zeitweise angebunden.
Milchkuhhaltung in Deutschland: Jede zehnte Kuh ist mindestens zeitweise angebunden. (Grafik: Utopia, lr (mit Canva erstellt))

Allgemein unterscheidet man zwischen saisonaler Anbindehaltung (Kombihaltung) und ganzjähriger Anbindehaltung. Bei ersterer Haltungsform dürfen die Kühe im Sommer auf die Weide – bei der zweiten Variante nicht.

Die Betreiber der beiden Ställe in den Aufnahmen sollen ihre Kühle laut Video das ganze Jahr in Anbindehaltung halten. „Die Kühe werden dort lebenslang an Ketten gehalten, umdrehen ist nicht möglich“, sagt Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender von Aninova. Laut Pressemitteilung liegt der Tierrechtsorganisation auch Bildmaterial aus einem dritten Ehrmann-Zulieferbetrieb vor, auf dem angebundene Jungrinder zu sehen sind.

Nicht nur Ehrmann: Auch andere Molkereien in Kritik

Nicht nur bei Ehrmann wird Anbindehaltung kritisiert. Greenpeace prangerte etwa Anfang des Jahres das Unternehmen hinter Bärenmarke-Milchprodukten an (Hochwald Foods GmbH), weil diese offenbar ebenfalls Milch von Kühen in Anbindehaltung verarbeitet. Vor kurzem reichte die Tierrechtsorganisation Strafanzeige gegen Hochwald wegen tierschutzwidriger Zustände in der Milchkuhhaltung ein.

Die Argumentation der Tierschützer:innen: Die Anbindehaltung verstoße gegen „die zentrale Norm des § 2 TierSchG und erfüllt den Straftatbestand des § 17 TierSchG.“ Paragraf 2 des Tierschutzgesetzes besagt, dass Halter:innen Tiere ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen unterbringen müssen und „die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken [dürfen], dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden“. Paragraf 17 sieht Geld- oder Freiheitsstrafen für Menschen vor, die Tiere „länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zufügen.

Auch Aninova sieht einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz in der Anbindehaltung und hat laut Pressemitteilung zuständige Veterinärämter in Mindelheim informiert. Der Molkerei Ehrmann habe man die Aufnahmen und Anschrift der Betriebe ebenfalls geschickt, sowie Supermärkte kontaktiert.

Auf Nachfrage von Utopia stritt Ehrmann die Vorwürfe nicht ab: 5 Prozent der konventionell erzeugten Milchmenge werde aus Betrieben mit ganzjähriger Anbindehaltung bezogen. Das Unternehmen beziehe die Milch überwiegend aus von Bauernhöfen aus der Umgebung des Werkes in Oberschönegg im Allgäu.

„Nichtsdestotrotz ist es uns ein großes Anliegen, die Entwicklung weg von der Anbindehaltung aktiv zu unterstützen“, heißt es in der Stellungnahme. Um den Anteil zeitnah zu senken, berate man unter anderem Landwirt:innen und unterstütze sie bei Verbesserungsmaßnahmen. Wenn das Tier an mindestens 120 Tagen sechs Stunden Weidezugang hat, würde dies über ein Bonussystem belohnt.

Reform des Tierschutzgesetzes soll Anbindehaltung weiter einschränken

Die Bundesregierung hat vor kurzem einen Entwurf für die Reform des Tierschutzgesetzes verabschiedet: Ganzjährige Anbindehaltung soll demnach verboten werden – allerdings mit einer Übergangsfrist von 10 Jahren. Darüber hatte unter anderem BR24 berichtet. Betriebe, die weniger als 50 Rinder halten und bisher Kombihaltung betrieben, dürften demnach jedoch auch nach Fristende Tiere halbjährlich in Anbindehaltung halten.

Mit der Ausnahme will die Regierung kleinen Höfen entgegenkommen, für die es schwer wäre, ihre alten Anbindeställe umzubauen – etwa aus Kostengründen oder wenn kein Platz vorhanden ist. Die EU-Öko-Verordnung verbietet die Anbindehaltung von Rindern für die ökologische Tierhaltung. Allerdings gelten Ausnahmen für sogenannte Kleinbetriebe – diese dürfen Kombihaltung mit Anbindung im Winter und Weidegang im restlichen Jahr unter bestimmten Voraussetzungen betreiben. Mehr Informationen: Anbindehaltung: Wann wird sie verboten – und wie schädlich ist sie?

Utopia meint: Wenn du weiterhin Milch und Milchprodukte konsumieren möchtest, solltest du in jedem Fall auf eine biologische und möglichst regionale Herkunft achten. Doch selbst dann kann es sich um Milch aus saisonaler Anbindehaltung handeln. Aus Tierwohl- und Klimaschutzsicht ist bei tierischen Produkten generell weniger mehr. Gerade für Milch gibt es zahlreiche pflanzliche Alternativen – allen voran regionale Hafermilch.

Verwendete Quellen: Pressemitteilung Aninova, Destatis, Greenpeace, BR24

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