Vegane und vegetarische Ersatzprodukte sorgen für Alternativen zum Fleisch. Doch meistens sind sie deutlich teurer. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Ob Schnitzel, Hackfleisch oder Bratwurst: Verbraucher:innen steht in deutschen Discountern und Supermärkten mittlerweile ein großes Angebot an Fleischersatzprodukten zur Verfügung. Nur: Im Vergleich zum Fleisch sind die Ersatzprodukte häufig – und teils deutlich – teurer.
Der Discounter Lidl hat am Mittwoch angekündigt, die Preise für nahezu das gesamte Sortiment seiner veganen Eigenmarke an vergleichbare Produkte tierischen Ursprungs anzugleichen. Bisher seien vegane Alternativprodukte deutlich teurer als tierische Vergleichsprodukte. Mit der Aktion wolle Lidl nicht nur Vegetarier:innen und Veganer:innen ansprechen, sondern ausdrücklich auch Flexitarier:innen – also Menschen, die ihren Fleischkonsum bewusst einschränken. Utopia berichtete.
Umfrage: 41 Prozent Flexitarier:innen
Dass die Aktion nicht nur gut für das Image, sondern auch für die Kassen sein kann, legt eine im September veröffentlichte repräsentative Umfrage des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels nahe. Neun Prozent der Befragten ernähren sich demnach vegetarisch, drei Prozent vegan. 41 Prozent bezeichneten sich als Flexitarier:innen.
Die Preissenkungen lagen im Schnitt bei rund zwanzig Prozent, teilte ein Lidl-Sprecher auf Anfrage mit. Bei der Auswahl sei dem Discounter wichtig gewesen, tierische Vergleichsartikel auszuwählen, die bei der Mehrheit der Kund:innen aktuell zur Standardauswahl gehören. So sei beispielsweise für das vegane Hack das Vergleichsprodukt das günstige gemischte Hackfleisch – und nicht das deutlich teurere Bio-Rinderhackfleisch.
Bei einer Stichprobe in einer Karlsruher Lidl-Filiale kostete Anfang der Woche – also vor der Preissenkung – die 275-Gramm-Packung veganes Hack der Eigenmarke „Vemondo“ 3,29 Euro. Der Kilopreis lag demnach bei 11,96 Euro. Das günstige gemischte Hackfleisch kostete bei einer 800-Gramm-Packung im Angebot 5,79 Euro. Der Kilopreis: 7,24 Euro.
Aber warum sind vegane Ersatzprodukte überhaupt teurer als Fleisch?
„Fleisch heißt Massenproduktion“
„Fleisch heißt Massenproduktion„, sagt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Es gehe der Industrie darum, in möglichst großen Stückzahlen zu produzieren, wodurch die Kosten je Stück geringer werden. Dadurch kann billiges Fleisch angeboten werden. Vegane Ersatzprodukte könnten bei den Mengen nicht mithalten. „Deswegen sind sie schlicht und ergreifend teurer“, sagt Heinemann.
Lasse van Aken, Agrarexperte bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace, verweist auf den Mehrwertsteuersatz. So greift bei Fleisch und Wurst ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Für Ersatzprodukte werden hingegen 19 Prozent fällig. „Das kritisieren wir ganz stark“, sagt van Aken. Beim Fleisch müsse der Mehrwertsteuersatz angehoben werden. Pflanzliche Alternativen sollten im Gegenzug mit null Prozent besteuert werden, fordert er.
Der Markt für vegetarische oder vegane Fleischalternativen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Laut dem Statistischen Bundesamt wurden im vergangenen Jahr 104.300 Tonnen Fleischersatzprodukte produziert. Das seien 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr und im Vergleich zu 2019 sogar 72,7 Prozent mehr.
Wachstum bei Fleischersatz schwächelt
Allerdings stellte das Marktforschungsunternehmen GfK zuletzt in einer Analyse fest, dass das Wachstum im ersten Halbjahr 2023 ins Stocken geraten sein soll. Demnach sei der Umsatz mit zwei Prozent nur noch leicht gestiegen, die verkaufte Menge aber um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Wobei dies nicht auf die Anzahl der Käufer:innen zurückzuführen sei. Diese stieg der Analyse zufolge nämlich um 3,6 Prozent. Stattdessen kauften die Haushalte seltener und weniger als im ersten Halbjahr 2022.
Hanna Kehl, GfK-Expertin für Verbraucherverhalten, nennt dafür verschiedene Gründe. Sie beobachte Substitutionsbeziehungen zu anderen Produkten. „Vielleicht legen sich Verbraucherinnen und Verbraucher auch mal wieder Käse auf das Brot statt veganer Wurst“, sagt Kehl. Oder sie griffen direkt zu rein pflanzlichen Produkten. Auch der Preis spiele angesichts der Inflation sicher eine Rolle.
„Noch lange nicht am Ende der Fahnenstange“
Aus Sicht von Handelsexperte Heinemann handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen aufgrund der Kaufkraftschwäche. Mittel- bis langfristig werde es aber wieder mehr Dynamik geben. Der Verzicht auf Fleisch sei ein riesengroßes Thema und „noch lange nicht am Ende der Fahnenstange“.
Andere Discounter und Supermärkte hielten sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bedeckt, was die Unterschiede bei den Preisen, dessen Gründe und mögliche Anpassungen angeht. Aldi Süd und Aldi Nord teilten mit, dass die Preise grundsätzlich dem marktwirtschaftlichen Prinzip von Angebot und Nachfrage folgten. Kaufland machte keine konkreten Angaben zur Preisgestaltung. Rewe teilte mit, die Recherche „nicht mit Informationen und Aussagen unterstützen“ zu können.
Von Edeka hieß es, die Nachfrage nach veganen Lebensmitteln sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Somit sänken die Produktionskosten, was dazu führe, dass viele vegane Artikel mittlerweile sehr preisgünstig angeboten werden können. In vielen Fällen auch günstiger als die Tierprodukte. Das gelte insbesondere für Artikel der Eigenmarke, die besonders knapp kalkuliert seien.
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